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10/2015 Kreativität und Lebensmut im Alter

Von adminZoZuBo ‒ 5. März 2015

Kreativität und Lebensmut im Alter

Älter werden gehört zum Leben. Das Leben im Alter lebendig, kreativ und attraktiv zu gestalten, dazu ermutigte die Expertin Annerös Zwahlen letzte Woche am Vortragsabend «Dem Älterwerden offen begegnen» im Alterszentrum Rebwies.

«Es fiel mir auf, dass alles distanzmässig weiter entfernt ist als vor einigen Jahren», beginnt Annerös Zwahlen ihren Vortrag mit einem Gedicht aus «Gedanken einer Seniorin». Der Bus fährt immer zu früh ab, die Treppen sind höher, die Buchstaben in den Büchern kleiner gedruckt und die Leute sprechen leiser, fährt das Gedicht fort. Mit diesem Einstieg aus der Erfahrungswelt älterer Menschen hatte Annerös Zwahlen das Publikum, das mehrheitlich aus Frauen bestand, schon auf ihrer Seite. Zwahlen ist Pflegefachfrau, Dozentin in Gerontologie und Expertin zum Thema Alter und Älterwerden. «Älter werden ist eine Herausforderung», anerkennt sie gleich von Beginn weg. Es sei ein Prozess, in dem sich die Grundfragen des Menschseins nochmals stellen: «Woher komme ich? Wohin gehe ich?» Dass die Menschen diesem Prozess positiv begegnen, daran liegt ihr viel. Sie verweist dabei auf die Grundannahmen des Arztes, Psychotherapeuten und Begründer der Individualpsychologie Alfred Adler. Er sah jeden Menschen als Teil der Gemeinschaft und war überzeugt, dass das Selbstwertgefühl der Menschen von der sozialen Identität abhängig ist. Das Urbedürfnis aller Menschen ist laut Adler das Bedürfnis nach Zugehörigkeit, nach einem Platz in der menschlichen Gesellschaft. Damit verbunden ist Wertschätzung und Akzeptanz, besonders auch im Alter.

Den Körper zum Freund machen

Körper, Seele und Geist verstand Alfred Adler als eine Einheit. Sie seien unteilbar. Es sei wichtig, diese als Einheit zu verstehen und wahrzunehmen, «sodass der Körper im Alter nicht zum Feind wird», meint Zwahlen. Sich selbst zu akzeptieren, die Schwächen des eigenen Körpers anzuerkennen, ohne daran zu verzweifeln, sei zentral, so die Rednerin. Der Körper brauche im Alter mehr Pflege, doch gegen ihn zu rebellieren oder zu resignieren sei nicht der Weg. «Auch mit Defiziten kann man gesund älter werden», betont sie. Man solle weg von der Vorstellung eines stetigen Abbaus hin zur Vorstellung eines Wechselspiels zwischen Verlust und Gewinn. «Wir können neue Kompetenzen gewinnen, neue Freundschaften schliessen, neue Rollen übernehmen und neuen Lebenssinn finden», sagt sie und erzählt von einer Freundin, die mit 80 Jahren Flöten spielen lernte. Ebenso hebt sie die Wichtigkeit des eigenen Erfahrungsschatzes hervor: «Alle gelebten Schichten sind wie eine Bibliothek in uns. Die Gesellschaft kann von diesen Erfahrungen profitieren.» Und in schwierigen Zeiten soll man auf diese Ressourcen zurückgreifen, etwa durch ein Sternenbuch, in das man positive Erlebnisse und Erfahrungen schreibt: «Ich kann mich ermutigen und sagen: ‹Auch das meisterst du noch!›».

Zwahlen ermuntert die Anwesenden, auf die eigenen Stärken zu fokussieren. «Man sollte sich immer wieder kleine Ziele setzen.» Diese seien nicht als Leistungen zu verstehen. «Was macht mich zufrieden?» und «Was muss ich zur Zielerreichung beitragen?» seien die zentralen Fragen. Dazu soll man auch bereit sein, die Unterstützung von aussen anzunehmen.

Kein schlechtes Gewissen haben

Der Vortrag im Alterszentrum Rebwies war der dritte im vierteiligen Zyklus des Forums für angewandte Gerontologie. Das Forum sei auf sie zugekommen, erklärt die Leiterin des Alterzentrums Rebwies Ursula Suren-Rast. Ziel sei, die Bevölkerung mehr zum Thema Alter und Älterwerden zu sensibilisieren. An den Anlässen, die laut der Leiterin des Alterszentrums auf grosses Interesse stossen, sind auch viele Externe anwesend. «Als Alterszentrum sind wir – die Mitarbeiter und Bewohner – tagtäglich mit Fragen des Alters konfrontiert», erklärt Ursula Suren-Rast. Ihr ist besonders wichtig, dass die Senioren und Seniorinnen darin bestärkt werden, dass das Älterwerden einen Sinn hat. «Ich darf alt sein, ohne dass ich von der Gesellschaft als überflüssig wahrgenommen werde. Ich bleibe Teil der Gesellschaft», betont sie. Deshalb ist für sie der Gedanke der Solidarität besonders zentral. Viele junge Familien würden es kaum ohne die Unterstützung der Grosseltern schaffen. Doch auch wenn diese den vierten Lebensabschnitt erreichen und nicht mehr helfen können, dürfe man nicht vergessen, dass sie wertvoll seien. «Alte Menschen sollen kein schlechtes Gewissen haben. Sie sollen wissen, dass sie als Teil der Gesellschaft ihren Beitrag geleistet haben.» Sie hebt hervor, dass auch die jüngere Generation anerkennen soll, was alte Menschen für den heutigen Wohlstand geleistet haben: «Denn der ist nicht vom Himmel gefallen.» (sb)

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