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14/2015 Pfarrer Koellikers «Befreiung vom Alltagsgeschäft»

Von adminZoZuBo ‒ 2. April 2015

Pfarrer Koellikers «Befreiung vom Alltagsgeschäft»

Am letzten Sonntag hielt Thomas Koelliker seinen Abschiedsgottesdienst. Von nah und fern kamen die Leute, um dies mitzuerleben. Der Sigrist hatte alle Hände voll zu tun, die Reihen der Kirchbänke mit Stühlen zu ergänzen.

«Zur Beruhigung meiner Kollegen: Ich hatte nicht jeden Sonntag so viele Leute!» sagte Thomas Koelliker zur Begrüssung und hatte damit die ersten Lacher auf seiner Seite.

Dann wurde gesungen. Florenz Jenny, der Organist, griff beherzt in die Tasten. Auch für ihn, längst schon pensioniert, sollte das sonntägliche Orgelspiel nun ein Ende haben. Zu Ehren von Pfarrer Koelliker spielte er ein letztes Mal auf. Gemeinsam mit ihm wird nun auch er ganz zurücktreten.

Für seinen letzten Gottesdienst im Amt hatte Pfarrer Koelliker als Lesung Psalm 8 gewählt. «Was ist doch der Mensch, dass du seiner gedenkst – dass du ihn setztest als Herrscher über alle Kreaturen?» Und – wie gewohnt – brachte er mit seiner darauffolgenden Auseinandersetzung seine Zuhörerschaft zum Mitdenken. Die Frage nach dem Menschen ist uralt. Bereits Sokrates habe sie sich gestellt und eine Antwort mittels Definition gefunden. Anders der Psalm! Dass Gott an ihn denkt, verleiht dem Menschen seine Würde, ohne ihn zu definieren. Der Angst, vergessen zu werden, kann im gegenseitigen Andenken begegnet werden. Der Mensch wird Mensch erst in Begegnungen, in mitmenschlicher Relation. So erhält er seine Würde, die ihm zusteht, ohne sich einer Definition unterziehen zu müssen.

Das Quartett mit Elisabeth Harringer, Daniel Kagerer, Laurent Weibel und Xavier Pignas, bot mit ihrer berührenden Musik Zeit, den eigenen Gedanken nachzuhängen.

Und schon folgte, wortgewaltig wie immer, die Predigt. Sie rankte sich um die Legende, in der Jesus und drei Jünger auf einen Berg steigen, um im Lichte der Höhe in einem Bewusstwerdungsprozess Erkenntnis zu erlangen. Stehe Moses mit dem Auszug aus Ägypten für eine Befreiung aus einer äusseren Abhängigkeit, Elia für den Kampf um eine ideologisch und dogmatisch innere Unabhängigkeit, so vereine Jesus beide Gestalten in seinem eigenen Dasein und Wirken, erklärte Thomas Koelliker. nWährend die Jünger, über die Erkenntnis derart in Bann geschlagen, für immer auf dem Berg bleiben möchten, wisse Jesus, dass die unmittelbare Erfahrung der göttlichen Sphäre nicht in Hütten festgehalten werden könne, dass jede Erkenntnis aber in der Seele mitgetragen werde, durch alle Höhen und Tiefen des Lebens.

Aufruf zur Mündigkeit

Der Berg, so fährt der scheidende Pfarrer weiter, sei das Symbol für die Aufklärung, Aufklärung aber bedeutet nach Kant: «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.» Und so predigt Thomas Koelliker und wiederholt sein ureigenes Anliegen: Wir können nicht mehr hinter die Aufklärung zurück! Die Mündigkeit des selbstdenkenden Menschen ist überall und also auch in der Kirche gefragt. Mit der Schlusspointe seiner Predigt erntete er fröhliches Lachen: Ein Sigrist aus Oxford habe nach 40 Jahren Amtszeit und entsprechend vielen guten Predigten, die er gehört hatte, bei der Verabschiedung gesagt: «Und Gott hat mir die Gnade geschenkt, dass ich immer noch an ihn glauben kann. In diesem Sinne möge Gott uns helfen.»

Zum Schluss wurde Thomas Koelliker von drei Rednerinnen und Rednern offiziell verabschiedet. Hanna Rüegg, Präsidentin der Kirchenpflege, Anne-Käthi Rüegg, Dekanin und Pfarrerin in Zollikon, und Andrea Bianca, Mitglied des Kirchenrates des Kantons Zürich, sprachen ihren Dank aus. Beim anschliessenden Apéro taten dies noch viele mehr. Beinahe alle wollten Thomas Koelliker gerne noch ein persönliches Wort auf den neuen Weg geben, ihm die Hand schütteln, ihn umarmen, ihm versichern, dass sie ihn vermissen, oft an ihn denken und ihn niemals vergessen werden, auch wenn er ihnen, als emeritierter Pfarrer von beruflichen Alltagspflichten befreit, nun leider nicht mehr täglich zur Verfügung stünde. (db)

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