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19/2015 Zolliker schreibt Marathon-Geschichte

Von adminZoZuBo ‒ 7. Mai 2015

Zolliker schreibt Marathon-Geschichte

Mike Bär ist der erste Schweizer, der den Marathon GrandSlam geschafft hat. Auf allen sieben Kontinenten und am Nordpol schnürte er seine Laufschuhe und absolvierte den Langstreckenlauf. In den hohen Norden wurde der Zolliker von einem Fernsehteam begleitet.

«Jeder Lauf ist ein Event.» Diese Aussage machte Mike Bär im Juni 2013 in dieser Zeitung, als wir den sportlichen Zolliker anlässlich seines Ziels, auf allen sieben Kontinenten einen Marathon zu laufen, porträtierten. Damals berichtete er davon, wie er die längste olympische Laufdistanz mit 48 Jahren für sich entdeckt hatte, wie er in Dubai seinen ersten Marathon gelaufen ist, obwohl er eigentlich nur für einen Zehn-Kilometer-Lauf trainiert hatte, wie weitere 42,195-Kilometerläufe folgten und wie das Projekt seinen Weg nahm. Heute, zwei Jahre und fünf Marathons später, ist der Zolliker nicht nur der erste Schweizer im Sieben-Kontinenten-Club, er hat die Serie auch noch ausgebaut und ist der erste Schweizer, der den Grand-Slam der Marathons schaffte: Neben den sieben Kontinenten nahm der Zolliker auch am nördlichsten Ort der Welt den Langstreckenlauf unter seine Füsse. «Über Eis und Schnee rannte ich zwar bereits am Union Gletscher, im Vergleich zum Antarktis-Eis-Marathon war der Nordpol-Marathon aber nochmals ein ganz besonderer Event.» Ein Ereignis, das sich auch Tele Züri nicht entgehen lassen wollte und den Zolliker auf seiner Reise ins Camp Barneo begleitete.

Von Zollikon reiste Mike Bär anfangs April nach Longyearbyen, die Hauptstadt der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen und Treffpunkt der 45 Athleten aus 22 Ländern für den kältesten Marathon der Welt. Nach drei Vorbereitungstagen ging es von der grössten nördlichen Siedlung der Welt an die nördlichste Forschungsstation der Welt: ins nochmals 1300 Kilometer nördlich gelegene Camp Barneo, das sich so nahe am Nordpol wie möglich befindet.

Weil das vorgesehene Flugzeug bei einer Landung am Nordpol kaputt ging, verzögerte sich die Reise der zwölf Athletinnen und 33 Athleten zur russischen Forschungsstation um 40 Stunden. Diese Zeit nutzten Mike Bär und seine Frau Susan, um die Gegend des 2100-Seelen-Dorfes Longyearbyen am Arktischen Meer mit dem Schneemobil und Schlittenhunden zu entdecken – stets begleitet vom Videojournalisten, der die Reise des Zolliker Ehepaars in der letzte Woche ausgestrahlten vierteiligen Serie «Bär am Nordpol» festhielt. In den ersten drei Beiträgen des Lokalfernsehsenders ist denn auch nicht der Marathon das dominierende Thema, sondern wird den Zuschauern ein Einblick in das Leben im hohen Norden gewährt, wo mehr Eisbären als Menschen zu Hause sind. Das Tagesgeschäft des ehemaligen Bergarbeiterstädtchens wird heute von Forschung und Tourismus dominiert, rund 70’000 Touristen besuchen das auf Norwegisch genannte Svalbard jährlich.

Frieren und warten

Das Zeltcamp Barneo wird im April jeweils für drei bis vier Wochen auf dem Treibeis aufgebaut, dieses Jahr befand es sich bei der Austragung des Marathons zirka 40 Kilometer vom geografischen Nordpol entfernt. Neben Forschern und Marathonläufern wird es auch für Skiexpeditionen sowie von Fallschirmspringern und Eistauchern benützt. Mike Bär und seine Frau verbrachten zwei Nächte im kleinen Zeltdorf – einige Stunden länger als ursprünglich geplant, weil die Athleten in zwei Etappen mit dem Flugzeug zum Austragungsort des kältesten Marathons gebracht wurden und sich der zweite Flug aufgrund des schlechten Wetters verzögerte. «Auf solche Umstände war ich bereits vorbereitet», meint der Zolliker lachend. «Was es heisst, zu frieren und zu warten, weiss ich, denn auch am Südpol waren wir länger im Camp als geplant.»
Als der grosse Tag des Nordpol-Marathons dann doch noch kam, waren nicht nur die Minustemperaturen um die 40 Grad eine Herausforderung für die Sportler. Auch die Überhitzung könne für sie zum Problem werden, wie der amerikanische Arzt Dennis Andrade im Interview mit Tele Züri erzählte. «Unter den vielen Kleiderschichten schwitzen die Läufer häufig so sehr, dass sie überhitzen könnten.»

Der Nordpol-Marathon wurde in zwölf Runden à dreieinhalb Kilometern rund um das Camp ausgetragen, wo sich die Läufer ausruhen und aufwärmen konnten. Mike Bär kam auf seinem Lauf zweimal im Zelt vorbei, um sich komplett neu einzukleiden. «Ich bin ehrgeizig, aber nicht lebensmüde», erzählt er schmunzelnd, auf die Signale seines Körpers achte er genau. «Zwar möchte ich an meine Grenzen gehen, diese jedoch nicht überschreiten.» Eine Einstellung, die nicht alle Athleten an den Tag legten, wusste Dennis Andrade zu berichten. Besonders Marathonläufer seien gut darin, den Schmerz zu ignorieren. «Sie hören nicht auf ihren Körper, wenn sie sollten.» Auch von den 45 am Nordpol gestarteten Athleten mussten sich einige wegen Erfrierungen, Kälteverbrennungen und Dehydrierung ärztlich behandeln lassen oder aufgeben. Unter ihnen auch die jüngste Teilnehmerin. Die Körpertemperatur der 18-jährigen Frau sank auf unter 35 Grad, ans Weiterlaufen war nicht mehr zu denken.

Laufen und geniessen

Der Zolliker überquerte die Ziellinie nach 7:7:25 Stunden und erreichte den zehnten Schlussrang. «Es ging mir nicht darum, möglichst schnell zu laufen», sagt Mike Bär zufrieden, «vielmehr ging es mir darum, überhaupt zu laufen.» Es sei ein einmaliges Erlebnis gewesen, ohne seine Leidenschaft zum Laufen wäre er wohl nie an den Nordpol gereist. Kritik am Unterfangen der Sportler sieht er keine, vielmehr verweist er auf die Zertifizierung des Carbon-Free-Labels des Wettkampfs und auf die Investition der Veranstalter in Forstprojekte im brasilianischen Amazonas, um die verursachten CO2-Emmissionen zu kompensieren.

Zwölf Marathons ist der heute 53-jährige Zolliker in den letzten fünf Jahren gerannt, seit er zum ersten Mal vor fünf Jahren die Laufschuhe schnürte. Ob der Nordpol-Marathon sein bisher härtester Lauf gewesen sei, beantwortet er mit einem Schulterzucken. Hart sei der Lauf aufgrund der Kälte und des unebenen Terrains auf jeden Fall gewesen, teils sei er knöchel- oder gar knietief im Schnee eingesackt, die Anstrengung und körperliche Belastung während des Laufs seien enorm gewesen. Im Gegensatz zu einem Rennen auf dem Asphalt sei der Schmerz nach dem Lauf aber weniger schlimm, meint er, die Regeneration des Körpers dauere weniger lang. «Während des Laufs leidet man mehr, die Nachwehen danach bleiben aber grösstenteils aus.»

Kein Ost und kein West

Den Abschluss des Abenteuers am Nordpol bildete ein Helikopterflug an den nördlichsten Punkt der Welt, wo alle Zeitzonen zusammenkommen, wo es kein Ost und West mehr gibt, zuoberst auf dem Planet Erde. Ob der ambitionierte Zolliker Marathonläufer damit auch auf seinem Höhepunkt des Extremsports angekommen ist? Er lacht verschmitzt und erzählt vom Ultramarathon in Südafrika, von den 56 Kilometern vom Indischen an den Atlantischen Ozean, dem  «Two Oceans Marathon». Diesen hat er sich für den nächsten Frühling vorgenommen. Wenn ihm die Kälte nichts anhaben kann, warum sollte es die Wärme tun? (mmw)

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