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23/2015 Tanzend durchs Leben

Von adminZoZuBo ‒ 5. Juni 2015

Tanzend durchs Leben

In der Zolliker Bewegungs- und Ballettschule, welche die Profiballetttänzerin Daisy Olgiati 1967 eröffnete, haben Generationen von Zolliker Kindern gelernt, wie man sich eine gute Haltung aufbaut. Nun hat die Schule wegen Kündigung infolge Renovation der Liegenschaft ihre Türen geschlossen.

«Eigentlich hätte ich die Ballettschule mit den Kindern gerne noch weitergeführt, sie schenkte mir Tag für Tag ein erfülltes Leben», sagt Daisy Olgiati. «Zum Glück muss ich nicht ganz aufhören und kann im Studio von Sibyl Imboden in Küsnacht weiterhin Bewegungsunterricht und klassischen Tanz für Erwachsene erteilen.» Der Unterricht ist ihr nämlich, beinahe noch mehr als der Tanz, zum Lebenselixier geworden.

Wohlbehütet in Wollishofen aufgewachsen, wurde sie schon als Vierjährige in den Rhythmik- und später in den Ballettunterricht geschickt. «Anders als heute zählten Ballett- und Klavierstunden für Mädchen damals zur gutbürgerlichen Erziehung», sagt sie und ergänzt schmunzelnd: «Mir aber sollte der Ballettunterricht in erster Linie zu einer guten Figur verhelfen. Ich war meiner Mutter mit vier Jahren ganz einfach zu pummelig.»

Tatsächlich war Ballettunterricht in vielerlei Hinsicht genau das Richtige für die kleine Daisy. Sie musste später nicht nur nie gegen Gewichtsprobleme ankämpfen, sie fand übers Ballett ihre Berufung. Auch wenn sie sich als Kind erst gewünscht hatte, später Pianistin zu werden, entschloss sie sich mit sechzehn, all ihre freie Zeit dem Tanz zu widmen. Ganz ging es nicht, denn ihre Eltern verlangten von ihr, die Mittelschule abzuschliessen und einen Zusatzkurs als Sekretärin zu absolvieren. Ein Glück, denn auch dieser elterliche Entscheid war wegweisend: Dank ihrer Zusatzausbildung bekam sie beim damaligen Schweizerischen Bankverein in New York eine Stelle und konnte sich dort an der «American Ballet Theatre School» einschreiben.

«Dort», erzählt sie, «sagte mir ein Lehrer: ‚Either you stop or you start.‘ (‚Entweder du hörst auf oder fängst an.‘) – und mir wurde blitzartig klar, worauf ich mich einlasse, wenn ich wirklich Profitänzerin werden wollte.»

Der Traum wird wahr

Es hielt sie nicht ab. Im Gegenteil, es motivierte sie, aufs Ganze zu gehen. Zurück aus den Staaten meldete sie sich bei der Schweizerischen Theatertanzschule in Zürich und wurde aufgenommen. Sie machte ihren Traum wahr. Noch in der Ausbildung wurde sie ausgewählt, eine erkrankte Tänzerin zu ersetzen, und durfte im Opernhaus bei der Aufführung des Balletts «Schwanensee» von Peter Tschaikowsky tanzen und auch in «Der Dreispitz», einem Ballett von Manuel de Falla. Letzteres wurde später ihr Lieblingsstück, besonders die Aufführungen mit dem legendär gewordenen Flamenco-Solistenpaar «Susana y José».

Nach der Heirat zog sie mit ihrem Mann nach Zollikon, was dem Tanz keinen Abbruch tat. Sie tanzte auch weiter, als nach sieben Jahren ihre Tochter zur Welt kam. Und doch zögert sie keine Sekunde auf die Frage, ob Tänzerin nicht einer der härtesten Berufe sei, mit «Doch, ja» zu antworten.

Erst nach der Geburt ihres Sohnes, nach neun Jahren Karriere als Balletttänzerin, war Schluss mit dem Bühnenleben. Sie wollte sich nun dem Unterrichten widmen. Denn eins war ihr klar: Ballett würde für immer zu ihrem Leben gehören. Da sie aus eigener Erfahrung wusste, dass es nicht genügte, eine gute Tänzerin zu sein, um auch gut Tanz zu unterrichten, fing sie nicht gleich damit an, sondern sah sich erst nach der besten Lehrerausbildung um. Sie wollte keinem Kind den Dilettantismus, den sie selbst in jungen Jahren im Ballettunterricht erlebt hatte, zumuten. Sie wusste nämlich zu gut, dass Fehlhaltungen zu körperlichen Schäden führen können.

Der ideale Ballettunterricht

Sie fand, was sie suchte, an der Royal Academy of Dance in London. Hier, im von Margot Fonteyn erarbeiteten Lehrgang, lernte sie, die Grundlagen des klassischen Balletts so zu vermitteln, wie es ihr richtig erschien: weg von quälenden Spitzenschuhen, dem Alter und den Möglichkeiten des Kindes angepasst und mit besonderem Augenmerk auf die Förderung von Phantasie, Musikalität, Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit.

Über einige Jahre besuchte sie die Lehrerkurse der Royal Academy of Dance in London und erwarb alle erforderlichen Diplome bis zum Advanced Teacher’s Certificate. Später wurde sie dadurch als Lehrerin für den Unterricht an der Stipendiatenklasse des Schweizerischen Ballettlehrerverbandes, die für alle besonders begabten Schülerinnen und Schüler geschaffen worden war, ausgewählt. Als Präsidentin des Verbandes engagierte sie sich darauf stets speziell für eine adäquate Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen.

In ihrer 1967 eröffneten eigenen Ballettschule war ihr die Musikbegleitung wichtig. In der Zolliker Pianistin Maria Keller fand sie die ideale Begleiterin. Mit deren Spiel und ihren Improvisationen gelang es ihnen beiden gemeinsam, den Kindern den Zugang zur Musik zu eröffnen. Zusammen gestalteten sie viele kleinere und grössere Aufführungen. Höhepunkt war die festliche Einweihung des Gemeindesaales 1988, bei dem die Kinder zum Spiel des Jugendorchesters unter der Leitung von Raffaele Altwegg ihr Können zeigten.

Ein Überraschungsfest

Die Ballettschule nun aufzugeben, fiel Daisy Olgiati unendlich schwer. Umso dankbarer war sie für das Überraschungsfest, das ihr Julia Hancock und Patricia von Schulthess gemeinsam mit Eltern von verschiedenen Generationen von Ballettschülerinnen und -schülern zum Muttertag organisiert hatten. Es war eine gelungene Abschiedsfeier, in der bei selbstgebackenem Kuchen und Kaffee Erinnerungen an Aufführungen und Erlebnisse wach wurden. Obwohl sie eine strenge Lehrerin war, liebten Eltern und Kinder sie. Als Zeichen der grossen Dankbarkeit wurde ihr ein immenser Rosenstrauss überreicht, wovon sie den Festteilnehmern zum Abschied glücklich je eine Rose weiter schenkte.

Doch eben: Ganz Abschied genommen hat sie nicht. Zu viel bedeutet ihr das Unterrichten. Es füllt ihr Leben mit Sinn und Leidenschaft. Und so kann sie auch heute noch beim Hundespaziergang mit Faye, ihrer Norwich-Terrier-Hündin, unversehens ein paar beschwingte Tanzschritte machen, weil sie gerade an einer neuen Schrittkombination herumstudiert.

In ihren Stunden, welche sie nun mittwochs und donnerstags hält, sind des Umzugs wegen im Moment noch ein paar Plätze frei. (db)

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