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33/2015 Mit viel Fingerspitzengefühl

Von adminZoZuBo ‒ 14. August 2015

Mit viel Fingerspitzengefühl

Janine Haerle ist seit 1992 Psychomotorik-Therapeutin an der Zolliker Schule. Nun gibt es ihre Anleitungen zur Förderung von feinmotorischen Fähigkeiten auch für ein breiteres Publikum. Gemeinsam mit Berufskollegin und Mitautorin Ursula Scheuzger hat sie ein praktisches Werkstattbuch für Eltern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen geschrieben, welche die Finger ihrer Kinder in spielerischer Art trainieren und in Topform bringen wollen.

«Fingerspitzengefühle» ist der Titel des Eltern-, Lehrer- und Therapeuten- Werkstatthandbuches, das Janine Haerle eben mit ihrer Kollegin Ursula Scheuzger herausgegeben hat. Im Buch finden Interessierte in Text und Bild perfekt erklärte Spiele zur lustvollen Förderung der Feinmotorik, welche sich alle gut in den Familien- und Schulalltag einbauen lassen.

Fingerspitzengefühl hat Janine Haerle schon immer fasziniert, psychomotorisch wie psychologisch. Als Kind hatte sie Pianistin, Diplomatin, Schauspielerin, Pionierin, Eventmanagerin, Autorin, Erfinderin oder Forscherin werden wollen. Als ältestes von fünf Kindern wohlbehütet in Feldmeilen aufgewachsen, startete sie frohen Mutes ihren Weg, spielte täglich mehrere Stunden Klavier, bis ihr ein überbeanspruchtes Handgelenk den Traum der Konzertpianistin aus dem Kopf schlug, spielte im Gymnasium erfolgreich Theater, lebte und litt aufs Tiefste mit Helena aus dem Sommernachtstraum von Shakespeare, brannte vor Wut, als der Leiter der Schauspielschule ihr Talent nicht erkannte, zweifelte dabei aber dank guter Seelen im Hintergrund keinen Moment an ihrer Stärke. «Könnte sein, ich wüsste was für dich», sagte da die Mutter ihrer besten Freundin und vermittelte ihr einen Platz in einem Sommerkurs der Schweizer Psychomotorik- Pionierin Suzanne Naville in der Lenk. Und das war’s! Durch Naville ging für Janine Haerle eine neue Welt auf. Plötzlich machte es Sinn, dem Wunsch ihrer Eltern, doch das Primarlehrerdiplom zu erwerben, nachzukommen, weil das Diplom damals noch Voraussetzung für den Besuch des Heilpädagogischen Seminars war.

Auf dem richtigen Weg

Voller Elan liess sich Janine Haerle nun auf die Ausbildungen ein, absolvierte das Oberseminar, belegte die Kurse zur frühmusikalischen Erziehung, besuchte das Heilpädagogische Seminar und las alles über Psychomotorik, was ihr in die Finger kam.

Sie heiratete und zog nach Dielsdorf, wo sie, nun ihrerseits ganz Pionierin, die Psychomotorik-Therapiestelle aufbaute und gleichzeitig an der Oberstufe Singen unterrichtete. «Ich motivierte die Jugendlichen, in dem ich ihnen sagte, sie müssten mindestens ein paar Schlaflieder perfekt singen können, falls sie mal Kinder haben wollten», erinnert sie sich schmunzelnd, «das hat ihnen eingeleuchtet – wir hatten es gut zusammen!»

Als eines ihrer Adoptivkinder später an Leukämie erkrankte, wechselte sie die Arbeitsstelle, um näher am Kinderspital zu sein. Dank Heidi und Elsbeth Gertsch kam sie nach Zollikon. Die beiden Lehrerinnen kannten ihren Elan und ihre Berufsfreude privat und hatten sie früher bereits immer wieder in ihre Schulgemeinde locken wollen. Nun unterrichtet sie bereits über 23 Jahre hier. Und tatsächlich war ihr Elan auch in schwierigen Zeiten ungebrochen. Neben all den Standortbestimmungen im Kindergarten, den Abklärungen und Therapiestunden, setzte sie sich auch im Kinderspital voll und ganz ein: Sie wurde zur Erfinderin und Eventmanagerin. Gemeinsam mit andern war sie Gründungsmitglied der «Vereinigung zur Unterstützung krebskranker Kinder», führte den monatlichen Kafitreff für Eltern ein, organisierte Sponsorenläufe, damit eigene teure Geräte wichtige Untersuchungen im Haus möglich machten, und sorgte sogar dafür, dass das Spital eine Wohnung mietete, um diese betroffenen Eltern mit langen Zufahrtswegen jeweils für eine beschränkte Zeit zur Verfügung zu stellen. Die Wohnung gibt’s noch heute. Im Schulalltag ging es unterdessen wacker weiter. Ein besonderes Augenmerk schenkte Janine Haerle da stets der Zusammenarbeit mit den Familien. «Gerade Eltern und Geschwister sind die besten Helfer eines Kindes, wenn es gilt, Feinmotorik zu trainieren», sagt sie, «gemeinsames Üben fördert es am besten – wenn das spielerisch gelingt, ist der Fortschritt garantiert.»

Auf Wunsch der Unterstufenlehrerinnen entwickelte Janine Haerle zudem einen Schnüerlischrift-Lehrgang und brachte mit ihrer Begeisterung auch die Schulpflege dazu, diesen in allen zweiten Klassen einzuführen. Schüler und Lehrerschaft haben davon profitiert.

In Zollikon und Südafrika

Doch nicht nur sie. Auch die Lehrpersonen und Kinder in den Townships Südafrikas kamen in den Genuss feinmotorischer Förderung. Über ihre Freundin Katharina Kull, die Zolliker Gemeindepräsidentin, konnte Janine Haerle in einem Projekt des Rotary-Clubs zur Förderung der Lehrerbildung und -weiterbildung nahe Kapstadt mitwirken. Ein weiteres Projekt, in das sie ihre ganze Kraft steckte, um allen Beteiligten den höchstmöglichen Profit zu garantieren. Sie brachte ihre Förderideen aus ihrer langjährigen Praxis mit, dazu zwei Koffer voller Blei- und Farbstifte, Scheren, Klebstreifen und anderem Material und vor allem ein offenes Herz und einen wachen Geist. Schnell merkten die Menschen, wie gut sie beobachtete, wie ernst sie ihre Arbeit nahm, wie hilfreich ihre Anmerkungen waren. Ein Gegenbesuch der Township-Lehrpersonen an der Zolliker Schule und ein noch immer reger SMS-Ideen-Austausch sind die Folge.

Bereits mit dem Schnüerlischrift-Lehrgang ist Janine Haerle auch Autorin geworden. In «Fingerspitzengefühle» vermittelt sie nun gemeinsam mit ihrer Kollegin Ursula Scheuzger ihr immenses Wissen zur psychomotorischen Förderung auch einem breiteren Publikum: Eltern, Krippen- und Spielgruppenleiterinnen, Kindergärtnerinnen und Lehrpersonen. Und die beiden kennen ihr Zielpublikum genau, gehören sie doch selbst dazu und kennen ihren eigenen Anspruch: Wer auch immer das Buch zur Hand nehmen würde, sollte sofort Lust bekommen, mit den Übungen zu beginnen, und diese dank den genauen Beschreibungen, den praktischen Tipps und dem unkomplizierten Material auch gleich tun können ohne lange lesen zu müssen. Wer aber später doch gerne mehr über den theoretischen Hintergrund erfahren möchte, findet diesen gleichwohl vor. «Es gab mehr Arbeit als angenommen», sagt Janine Haerle, «doch wir sind unserem Anspruch gerecht geworden.» Wen erstaunt’s? Mit ihrem Enthusiasmus ist Janine Haerle nämlich vieles von dem geworden, was sie sich als Kind gewünscht hat: Ist sie doch als Psychomotorik-Therapeutin oftmals Klavierspielerin, Diplomatin, Schauspielerin, Pionierin, Forscherin, Erfinderin und Autorin in einem. (db)

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