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39/2015 Immer in Bewegung

Von adminZoZuBo ‒ 25. September 2015

Immer in Bewegung

Fast 40 Jahre lang engagierte sich Esther Knutti im Schuldienst, mehr als 27 davon in Zollikon. Erst als Primarlehrerin, später als schulische Heilpädagogin und zum Schluss als Schulleiterin. Nun geht sie in Pension. Zeit innezuhalten und zurückzuschauen.

Im Jahre 1977, als Esther Knutti als frischgebackene Primarlehrerin mit ihrer Freundesclique in der Küsnachter Forsthütte ob dem Goldbacherquartier feierte, hatte dachte sie erstmals daran, dass Zollikon für sie eigentlich ein guter Arbeitsort wäre. Als typische Küsnachterin wollte sie nämlich niemals wegziehen. Zu schön war es da. Doch ein klein wenig Distanz zum Arbeitsort wäre wohl ganz gut. Was erst nur eine nächtliche Idee war, blieb stets in ihrem Hinterkopf, auch wenn es elf Jahre dauerte, bis sie Wirklichkeit wurde. Nach einem ersten Unterrichtsjahr an einer sechsten Klasse in Mönchaltorf, kehrte sie frohen Herzens an die Gestade des Zürichsees zurück, heim nach Küsnacht, wo sie zehn Jahre an der Mittelstufe unterrichtete. Sie tat es mit Herzblut. Bereits während der Mittelschulzeit, als sie Nachhilfeunterricht erteilte, um ihr Taschengeld aufzubessern, hatte sie erlebt, wie viel Erfüllung ihr die Arbeit mit Kindern schenkte. Und so hatte sie, die das mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium mit der Absicht besucht hatte, dereinst Architektin zu werden, die ETH links liegen lassen, um das Primarlehrerpatent zu erwerben. Sie hat es nie bereut. «Nie war mir langweilig», sagt sie, «jeder Tag lief anders. Und dann kam dazu, dass die Schule gerade im Umbruch war, all die Reformen interessierten mich brennend.» Als Lehrerin konnte sie ausleben, was ihr entsprach: Sich selbst in Bewegung halten, allzeit geistig wach, die Schülerschar dazu zu bewegen sich anzustrengen und gemeinsam mit ihnen die Freude zu erleben, die stets neu entsteht, wenn die persönlichen Anstrengungen Erfolge zeigen. «In Küsnacht lag mein Schulzimmer neben dem Klassenzimmer der damaligen Kleinklasse für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwierigkeiten», erzählt sie, «ich sah, wie anders die Aufgabe der Lehrerin in einer solchen Klasse war, wie schwierig zuweilen. Und da ich mich nach einer neuen Herausforderung sehnte, begann es mich zu reizen, mich als Heilpädagogin zu versuchen.»

Herausforderung Kleinklasse

Als eine der drei damaligen Kleinklassenlehrerstellen im Bezirk frei wurde, packte sie die Chance. «Ich hatte nicht nur Lust, die Ausbildung berufsbegleitend nachzuholen und etwas Neues zu lernen», sagt sie, «die Stelle war auch in Zollikon!» Esther Knutti bekam die Stelle und damit eine grössere Herausforderung, als sie sich hätte erträumen lassen. «Nie hätte ich mir vorgestellt, dass der Unterschied zur Regelklasse so massiv sein würde», sagt sie: «Ich musste meine ganze Energie erst in den Aufbau einer vertrauensvollen stabilen Beziehung zu jedem einzelnen Kind stecken – ohne diese ging im Unterricht gar nichts!» Nicht dass es ihr an Motivation gemangelt hätte. Aber dieser Umstand hatte zur Folge, dass sie die Ausbildung an der Heilpädagogischen Hochschule gleich doppelt ernst nahm und es ihr vollends «den Ärmel reinzog», wie sie es ausdrückt. Dann aber, inmitten der arbeitsintensiven Schlussphase der berufsbegleitenden Ausbildung, platzte der Zolliker Kleinklassenlehrerinnentraum vorerst: Es wurden zu wenige Kinder angemeldet, die Stelle wurde aufs neue Schuljahr hin gestrichen. Es war der Lauf der Zeit: Kleinklassen waren je länger desto umstrittener. Eltern beharrten auf einer integrativen Förderung und so wurde ihre Klasse geschlossen, bevor sie ihr Diplom in der Hand hielt! Nichtsdestotrotz blieb Esther Knutti in Zollikon und ihren schwierigeren Schützlingen treu. Zwar kehrte sie erst an die Regelschule zurück. Gleichzeitig aber durfte sie gemeinsam mit der Schulpflege die Einführung der Integrativen Förderung in Zollikon vorbereiten und als Pionierin erster Stunde miterleben. Was für ein Glück – nicht nur für sie, auch für die Zolliker Schule – dass sie bereits ein Jahr vorher, 1990, beschlossen hatte, ihre Abschlussarbeit an der Heilpädagogischen Hochschule genau dieser Unterrichtsform zu widmen!

Starke Beziehung als Grundlage

Und so wäre Esther Knutti wahrscheinlich auch bis heute IF-Lehrerin geblieben, wenn sich ihr nicht plötzlich eine noch grössere Herausforderung eröffnet hätte: die Rolle der Schulleiterin. 2005 forderte das neue Volksschulgesetz Schulleitungen in allen Schulen. An Respekt vor der Aufgabe fehlte es ihr nicht. Als dann aber der erste Schulleiter der Schule Oescher bereits nach zwei Jahren den Bettel hinwarf, konnte sie nicht widerstehen: Einmal mehr stellte sie sich trotz fehlender Ausbildung einer neuen Herausforderung und führte die Schule Oescher ein Jahr lang interimistisch, bis eine neue Schulleitung gefunden wurde.  Und ja: Es war eine Herausforderung, die ihr gefiel. Ein neues Lernfeld in vielen Belangen. Eine Möglichkeit, vieles zu bewegen. Und so machte sie – kaum war eine neue Schulleiterin eingesetzt – berufsbegleitend die Schulleitungsausbildung. Es war dann wohl Zufall, dass die zweite Schulleiterin bald eine neue Aufgabe in einem anderen Kanton übernahm und so die Stelle für Esther Knutti frei wurde.  Ein schöner Zufall. Aber kein einfacher. Es war nicht leicht, einmal mehr den Hut zu wechseln und in eine neue Rolle zu schlüpfen, doch leichte Wege haben Esther Knutti auch niemals interessiert. Wichtig war: Es war ein Weg, selbst stets in Bewegung zu bleiben und das eigene Leben sorgfältig mitzugestalten, so weit es in ihren eigenen Händen lag. Es war ein lustvoller und erfolgreicher Weg, etwas zu bewegen und für einen entspannten und erfolgreichen Alltag in der Schule zu sorgen.  Genauso wie es ihr stets gefallen hat, Kinder zu fördern und zu fordern, gefiel es ihr auch als Schulleiterin den Rollenwandel aller Lehrpersonen von Einzelkämpfern zu Teamplayern aktiv zu unterstützen, die Mauern der Klassenzimmer zu sprengen und ihr Wirken auf die ganze Schule auszudehnen. Auch hier funktioniert eine gute Zusammenarbeit einzig über eine starke Beziehung, ein gegenseitiges Vertrauen zwischen Lehrerschaft und Leitung. Erst dadurch entsteht aus vielen einzelnen Personen ein echtes Team, aus vielen einzelnen Klassen eine Schule. Gemeinsam wird heute das Schulprogramm erarbeitet und der Schulpflege vorgelegt, gemeinsam die erreichten Ziele gefeiert. Die Schulhausordnung ist keine Verbotsliste mehr von oben, sondern ein von Schülern selbst festgelegter Verhaltenskodex. Der Pausenkiosk, an dem man sich Spiele ausleihen darf, wird von Schülern selbst organisiert und funktioniert einwandfrei. Das Schülerparlament tagt regelmässig. Die Atmosphäre stimmt. Schüler und Lehrer können sich aufs Lernen und Lehren konzentrieren. Nun ist für Esther Knutti die Zeit gekommen, private Herausforderungen anzunehmen. Dem Leben zuliebe, und der Gesundheit. Auf Bewegung wird sie deshalb nicht verzichten, sie ist fester Bestandteil ihres Lebens. Als Erstes wird sie sich nach einem lauffreudigen Weggefährten umsehen. Sie wird sich einen Hund kaufen, einen Mittelschnauzer pfeffer-salz. Mit ihm wird sie zwischen Küsnacht und ihrem geliebten Oberengadin, das ihr längst eine zweite Heimat ist, hin- und herpendeln. Sie wird endlich ausgedehnte Kunst- und Architekturausflüge unternehmen und vor allem, wie einst in der Küsnachter Forsthütte, im grossen Freundeskreis die Schönheiten des Lebens feiern ohne auf die Uhr zu blicken. (db)

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