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48/2015 Das «Girl von Ipanema» tanzte sich nach Zumikon

Von adminZoZuBo ‒ 27. November 2015

Das «Girl von Ipanema» tanzte sich nach Zumikon

Fabiana Maltarolli kam mit Engagement und Ehrgeiz von Rio de Janeiro nach Europa – einen Plan B gab es nie. Heute widmet sich die Tänzerin dem Nachwuchs.

Eigentlich ist ein Arzt daran «schuld», dass aus Fabiana Maltarolli eine professionelle Ballett-Tänzerin wurde. Eine Tänzerin mit einer eindrucksvollen Karriere, die es von Rio de Janeiro nach Zumikon verschlagen hat. Als sie ein kleines Mädchen war, wurde bei ihr Skoliose – eine Wirbelsäulenverkrümmung – diagnostiziert. Als Therapie schlug der Arzt Schwimmen oder Ballett vor. «Ich habe mich spontan für den Tanz entschieden, aber eigentlich eher wegen der schönen Kleidchen», erinnert sich die 40-Jährige und lächelt. Diese Entscheidung prägte ihr Leben. Aufgewachsen ist die Tänzerin in Leblon, direkt neben dem Strand von Ipanema, also da, wo andere Urlaub machen oder gar das Paradies vermuten. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr lebte sie in der turbulenten Stadt – mit den Eltern und dem jüngeren Bruder. «Ich habe Rio nicht als hektisch oder ausserordentlich pulsierend in Erinnerung. Jetzt erlebe ich die Stadt ganz anders. Schneller und lauter. Aber das würde mir wohl mit jeder Grossstadt so gehen», erinnert sie sich.

Mit 16 nach Wien

Mit sechs Jahren durfte sie zum ersten Mal zum Ballett-Unterricht. «Ich hatte eine sehr gute Lehrerin. Sie kam aus England und hatte dem Londoner Royal Ballet angehört», erklärt Fabiana Maltarolli. Und vielleicht weil sie selber so eine gute Lehrerin hatte und weiss, wie wichtig die Ausbildung ist, hat sie vor ein paar Jahren ihre eigene Ballett-Schule in Zollikon eröffnet. Drei Jahre hatte sie sich dafür als Tanzpädagogin ausbilden lassen – in London an der Royal Academy of Dance und an der Zürcher Hochschule der Künste. «Es gibt so viele Lehrer ohne jegliche pädagogische Ausbildung und gerade in jungen Jahren kann man so viel kaputt machen», unterstreicht sie vehement.

Schon mit zwölf Jahren begann sie ihre professionelle Ausbildung. Das hiess: Vormittags Schule. Nachmittags Tanzunterricht. Nicht selten auch am Samstag. Mit zarten 14 Jahren gewann sie den lateinamerikanischen Wettbewerb, zwei Jahre später ein Stipendium der Ballettakademie der Wiener Staatsoper. Hatte sie keine Angst, ganz alleine nach Europa zu fliegen? Dort für zwei Jahre zu leben? Fabiana Maltarolli schüttelt spontan den Kopf. «Ich habe nicht eine Milli-Sekunde gezögert. Natürlich hatte ich auch Heimweh, aber ich konnte meine Ausbildung in einer renommierten Akademie abschliessen. Das alleine zählte», erklärt sie. «Ausserdem habe ich in einem Internat gelebt und fühlte mich da sicher», ergänzt sie. An den Wochenenden, wenn die anderen nach Hause fahren konnten, begleitete sie oft Freundinnen. Damals war sie die allererste Brasilianerin an der Staatsoper. Mittlerweile sind ihr viele gefolgt. «Es war damals eine tolle Erfahrung für mich und nebenbei konnte ich auch Deutsch lernen», so die Tänzerin. Dafür hat sie irgendwann sogar ihren Freunden verboten, mit ihr Englisch zu reden. «Ich habe diese zwei Jahre auch ausgehalten, weil es ja danach wieder nach Hause, nach Rio, gehen sollte. Ich hatte diesen Ausgang immer vor Augen.» Aber es kam anders. Mit 18 Jahren wurde ihr von der Wiener Staatsoper ein Vertrag angeboten. Fabiana Maltarolli war im siebten Himmel und die Rückreise wurde verschoben. Immer wieder.

Zürich war Wunschziel

Hatte sie einen Plan B für den Fall, dass sie nicht engagiert worden wäre? «Nein. Den gab es nicht. Ich war einfach zuversichtlich und habe nicht an morgen gedacht.» Ihr Glück auch: Sie wurde von Verletzungen und Krankheiten verschont. «Ich habe einige Freunde, deren Körper irgendwann nicht mehr mitmachte. Die aufhören mussten. Ich habe mit 23 Jahren mit Pilates angefangen, ich denke, das hat mir geholfen», so die Brasilianerin. Fünf Jahre tanzte sie in Wien. Sie lernte viele Kollegen kennen. Darunter auch den ungarischen Spitzentänzer Akos Sebestyén. Sechs Monate dauerte es, dann waren die beiden ein Paar. Ehrgeizig wie sie waren, entschieden sie, dass sie zum Zürcher Ballett wollten. «Das war damals eine der besten Kompanien der Welt», betont die Tänzerin. Sie tanzten bei Heinz Spörli, dem Ballett-Choreographen schlechthin, vor und beide erhielten einen Solo-Vertrag. «Was wir damals noch nicht wussten: Wie herrlich man in dieser Stadt leben kann», erinnert sie sich. Von 1998 bis 2006 gehörten beide zum Ensemble. «Eine wunderbare Zeit mit tollen Erinnerungen», schwärmt die Zumikerin. Dann kam Daniel, der gemeinsame Sohn. «Ich habe mich ganz bewusst für das Ende meiner professionellen Tanz-Karriere entschieden. Als Daniel drei Jahre alt war, haben wir ein Jahr Auszeit genommen», erinnert sie sich. Sie zogen nach Spanien an die Costa Brava. Viele Freunde waren damals irritiert, verstanden den Schritt nicht. «Für uns war dieser Abstand wichtig. Wir mussten die kreative Arbeit vermissen lernen und entschieden uns neu für das Tanzen, aber eben als Pädagogen.»

Unterrichten ist ihre Mission

Akos Sebestyén arbeitet nun als Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste, wo auch Fabiana Maltarolli tätig war, ehe sie 2010 ihre eigene Schule «Ballett & Balance» gründete. «Ich habe gespürt, dass meine Karriere ein Weg war, der mich genau ans Ziel führen würde. Der Unterricht ist meine Mission», unterstreicht sie. Gerne möchte sie auch das Image des Balletts korrigieren. Oft sehe es einfach nur süss aus. Dabei sei Ballett eine Mischung aus Kunst, Technik und Sport – und: harte Arbeit. Schade findet sie auch, dass von ihren 200 Schülern und Schülerinnen gerade mal zehn Prozent männlich sind. «Vielen Jungs wird so ein falsches Männerbild vorgelebt. Warum sollen sie immer hart sein? Da wird viel Kreativität im Keim erstickt.»

Wieviel die Kinder bei ihr lernen, konnten die Zolliker schon vergangenes Jahr bewundern, als im Gemeindesaal «Hänsel und Gretel» aufgeführt wurde. Auch für das kommende Jahr plant Fabiana Maltarolli wieder eine grosse Inszenierung. Vorher geht es aber erst nochmals nach Rio. «Einmal im Jahr fliege ich hin. Im vergangenen Jahr sogar als Jurorin für den Wettbewerb, bei dem ich damals das Wien-Stipendium erhalten habe. Damit schliesst sich der Kreis wieder.» (bms)

 

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