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04/2016 «Wir sind beide sehr motiviert!»

Von adminZoZuBo ‒ 28. Januar 2016

«Wir sind beide sehr motiviert!»

Am 28. Februar stehen nicht nur zahlreiche eidgenössische und kantonale Abstimmungen an, sondern auch die Pfarrwahlen der reformierten Kirche. Pfarrerin Anne-Käthi Rüegg-Schweizer vom Zollikerberg und Pfarrer Simon Gebs aus Zollikon stellen sich zur Wiederwahl.

Sie sind beide schon sehr lange im Amt, verleidet Ihnen die Gemeinde Zollikon nach all diesen Jahren nicht langsam?

Simon Gebs: Das ist eine gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich bin seit 1996 Pfarrer in der Gemeinde, es war meine erste Pfarrstelle. Von 2011 bis 2015 war ich dazu zu 50 Prozent als Seelsorger für die Rettungskräfte von «Schutz&Rettung Zürich» angestellt. Beim Stellenantritt in Zollikon hatte ich nicht unbedingt geplant, 20 Jahre zu bleiben – ich habe es aber auch nicht ausgeschlossen (lacht). Die Grundthemen der Menschen sind ähnlich, ja oft die gleichen, ob in Zollikon oder in anderen Gemeinden. Die konkreten Geschichten jedoch sind immer einmalig, immer wieder anders, das fasziniert mich sehr. Die Verankerung in der Gemeinde, die Zusammenarbeit in unserem Team und mit der Kirchenpflege funktioniert wunderbar, es gäbe für mich keinen Grund für einen Wechsel.

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Dies ist meine dritte Pfarrstelle, ich bin nun näher an der Pensionsgrenze als auch schon (lacht). Ich habe mir einen Wechsel auch schon überlegt, aber die Bedingungen hier sind sehr gut, ich schätze die gute Zusammenarbeit enorm und bin inzwischen verwurzelt in der Gemeinde. Es ist schön, wenn man die Menschen und auch die Abläufe kennt, das öffnet einem auch Türen. Zudem arbeite ich noch 20 Prozent als Dekanin des Bezirks Meilen, da habe ich also auch Abwechslung.

Simon Gebs: Es ist ja nicht so, dass wir nur kommunal arbeiten. Anne-Käthi Rüegg-Schweizer hat ihr Dekanatsamt, ich arbeite in verschiedenen Careteams im Kanton mit.

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Die Kirche befindet sich in einem grossen Veränderungsprozess, gerade deshalb ist es auch wichtig, dass wir Kontinuität einbringen können.

Wie empfinden Sie die Arbeit im Projekt «KirchGemeindePlus»?

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Im Jahr 2012 hat die Synode beschlossen, auf diesen Dampfer aufzusteigen. Die Arbeit ist spannend, herausfordernd, manchmal tut es auch weh, gewisse Sachen aufgeben zu müssen. Für mich stellt dieses Projekt aber auch eine Chance dar, es macht mir Freude und ich arbeite gerne daran mit, denn ich bin überzeugt, dass die Kirche eine sehr wichtige Komponente unserer Gesellschaft ist.

Simon Gebs: Seit letztem Jahr läuft dieses Projekt sehr intensiv. Wir Theologen sind in dieser Frage besonders gefordert. Jede Gemeinde ist ein eigenes System, hat ihre eigene Kirchgemeinde, nun stehen wir vor diesem Veränderungsprozess, der, wie Anne-Käthi Rüegg-Schweizer bereits gesagt hat, auch schmerzhaft sein kann. Diese Änderungen bringen auch Ängste in der Bevölkerung mit sich. Fragen wie «Traut uns nun ein Pfarrer einer anderen Gemeinde?» oder «Finden die Seniorennachmittage nicht mehr in unserem Kirchgemeindesaal statt?» werden gestellt. Wir sind gefordert herauszuarbeiten, was auf lokaler Ebene und was auf regionaler Ebene Sinn macht. Hier stellt sich die Frage, wie wir die Aufgaben sinnvoll und nach Kompetenzen aufteilen.

Was sind für Sie die wichtigsten Aufgaben im Pfarramt?

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Für mich ist es die Konfrontation mit den Texten aus der Bibel. Das Verknüpfen dieser Texte mit dem Alltag, dafür einen Raum zu schaffen und eine Sprache zu finden, die der Mensch versteht. Das Zusammenleben mit den Menschen; Zeit zu haben für die Menschen und zusammen mit ihnen Lösungen für ihre Probleme zu finden. Eine wichtige Aufgabe besteht zudem darin, eine kritische Stimme zu sein. Zu hinterfragen, was in unserer Gesellschaft läuft, die Geschehnisse in unserer Gesellschaft im Verhältnis zur Bibel zu analysieren und auch Kritik zu äussern.

Simon Gebs: 2016 hat happig angefangen. Die Aufgabe der Kirche ist es auch, die Bedrohungen und die daraus resultierenden Fragen einzuordnen und zu deuten. Eine Glaubenssprache zu finden, die authentisch ist, eine Hilfe sein kann, auf individueller und auf gesellschaftlicher Ebene. Die Freiheit in unserer Gesellschaft ist ein hohes Gut, das Rollenverständnis beispielsweise ist aber nicht selbstverständlich gesichert, darüber muss immer wieder diskutiert werden und hier sind wir gefragt, unsere Stimme bei diesen Diskussionen einzubringen.

Wie gehen Sie mit den schwindenden Besucherzahlen in Ihren Kirchen um?

Simon Gebs: Die Zahl der traditionellen Kirchenbesuchenden wird kleiner, das ist unbestritten. In den Weihnachtsgottesdiensten oder auch bei Taufen haben die Besucherzahlen wieder zugenommen. Ich stelle beispielsweise fest, dass es für viele wieder selbstverständlich ist, ihr Kind taufen zu lassen – das war nicht immer so (lacht).

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Wenn Menschen in der Gottesdienstgestaltung engagiert sind, sind die Besucherzahlen stets höher. Auch bei Gottesdiensten mit Kindern, das ist sehr schön.

Simon Gebs: Ja, sobald es partizipativ wird, kommen mehr Menschen in die Kirche.

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Nach der Konfirmation bricht bei vielen jungen Menschen der Kontakt zur Kirche ab. Irgendwie gehört dies auch zur Entwicklung. Die Beziehung zur Kirche ist mit der Beziehung in der Familie vergleichbar. Sobald man von zu Hause auszieht, die erste Stelle antritt, verbringt man weniger Zeit mit der Familie und plötzlich, insbesondere dann, wenn man eine eigene Familie gründet, wird sie wieder wichtiger. So beobachte ich es auch in der Kirche. Wenn wir die Jugendlichen und Jungen gezielt ansprechen, sie fragen, ob sie mitwirken möchten, dann sind sie meist voller Engagement dabei.

Simon Gebs: Selbstkritisch müssen wir sagen, dass uns beschäftigt, wie wir die «Performer» zwischen 30 und 40 für unsere Kirchengemeinde begeistern können. Das ist auch etwas, was man mit dem Projekt «KirchGemeindePlus» fokussierter angehen kann. Es ist ausserdem wichtig, dass wir das Profil unserer reformierten Kirche wieder stärken. Die Reformierten haben viel Verantwortung für die Gesellschaft übernommen, zum Beispiel im Bereich Bildung, um nur etwas zu nennen. Die «Leserlichkeit» der reformierten Kirche ist zu gering. Wofür steht sie genau? Hier müssen wir an Deutlichkeit gewinnen.

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Leserinnen und Leserinnen sagen möchten?

Simon Gebs: Wir sind beide sehr motiviert und es ist uns sehr wohl in Zollikon, das ist ungemein wichtig.

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: (nickt zustimmend) Ich verstehe mein Pfarramt als eine Lebensaufgabe, es ist nicht einfach «ein Job».

Simon Gebs: Ja, das sehe ich auch so. Es ist integrales Arbeiten: Ob in der Migros oder am HB, wir sind immer auch Pfarrpersonen. Das Telefon klingelt manchmal auch um Mitternacht. Das ist auch das Spannende an unserer Arbeit: Einerseits haben wir den Routineteil, andererseits kommt auch immer etwas Neues, Innovatives, Unplanbares. Wir haben auch keine Arbeitszeiterfassung, das ist ein Privileg. Es ist ein Privileg, Zeit für die Menschen zu haben, ohne Rechnung stellen zu müssen, das ist ja ein Widerspruch in sich.

Anne-Käthi Rüegg-Schweizer: Ja, die Arbeitszeiterfassung ist immer wieder ein Thema, es wird immer wieder gefragt, weshalb wir das nicht einführen. Wir diskutieren auch, ob und wo noch effizienter gearbeitet werden kann. Es gibt zum Beispiel Vorschläge, dass man anstelle der persönlichen Besuche die Gespräche via Skype führen soll, um Geld zu sparen. Doch die persönlichen Gespräche sind unersetzlich – dafür kämpfe ich!

 

Frau Rüegg, Herr Gebs, wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Wahl.

 

(Mit Anne-Käthi Rüegg-Schweizer und Simon Gebs sprach Fiona Trachsel)

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