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17/2016 Lautmalerei im Kirchgemeindesaal

Von adminZoZuBo ‒ 29. April 2016

Lautmalerei im Kirchgemeindesaal

Sie waren vor einigen Jahren schon hier. Und haben jetzt wieder ein Konzert der besonderen Art gegeben: Thomas Achermann und Oskar Boldre begeisterten mit ihren Stimmen das Publikum restlos.

Sie sitzen auf ihren Stühlen vor dem Publikum, nur getrennt durch ein kleines Tischchen, auf dem eine altmodische Ständerlampe die Szene in warmes Licht taucht. Thomas Achermann, ein Mann wie ein Bär, gibt Rhythmus und Grundtöne vor, Oskar Boldre, der agile südländische Typ, improvisiert im Tempo von Speedy Gonzales darüber. Sie malen mit ihren Stimmen ein Gemälde, ohne Text, vermitteln Gefühle und Stimmungen. Und nehmen das Publikum auf eine Reise durch Raum und Zeit mit. Das Erstaunliche dabei ist, dass alles frei improvisiert ist – ein Stand-up Musikerlebnis, sozusagen. Und so schweben mystische, gregorianische Klänge durch den Kirchgemeindesaal und der Zuhörer glaubt, den Weihrauchduft im mittelalterlichen Kloster riechen zu können. Um sich kurz darauf akustisch in der afrikanischen Savanne zu finden, wo sich der Leopard im Affenbrotbaum dem Verdauungsnickerchen hingibt.

Das Duo kreiert immer neue, lautmalerische Bilder, die vom hochalpinen Tibet bis zum gutschweizerischen Jodel der hehren Alpenwelt reichen. Grossartig, als Boldre einen Text in einem Kauderwelsch singt, das niemand versteht. Allein mit dem Ausdruck seiner Stimme vermittelt er das ganze Spektrum der Gefühle, für das «normale» Sänger viele Worte brauchen. Da folgt die Trauer nach der Liebesszene, die Freude nach dem Schmerz. Diese Einlage erinnert an den großen Charlie Chaplin im Film «Der Große Diktator», in dem Chaplin mit einer Rede Adolf Hitler imitierte, mit unverständlichen Worten aber perfektem, abgehacktem Tonfall.

Improvisation ohne Misstöne

Nach einer kurzen Pause kehrt das Duo zurück. Und Thomas Achermann begleitet nun Oskar Boldre mit dem Saxophon. Das funktioniert so gut wie mit der Stimme, weil er das Instrument perfekt beherrscht. Ob mit Saxophon oder ohne – das Duo harmoniert mit traumwandlerischer Sicherheit. Der Funke überträgt sich aufs Publikum, als die beiden die Besucher einladen, mit zu machen. Zwei Zuschauer stellen sich zwischen Thomas Achermann und Oskar Boldre. Und siehe da, nach etwas zaghaftem Beginn funktioniert auch das Quartett ganz gut. In einem zweiten Anlauf stehen dann sechs Leute auf der Bühne und improvisieren, was das Zeug hält. Unter ihnen ist auch Véronique Dutli, die den Anlass organisiert hat. Das tönt so gut, dass man annehmen muss, dass alle aus dem Chor der Zuschauer wohl irgendwo aktiv mitsingen. Apropos Chor, Thomas Achermann und Oskar Boldre haben sich als Mitglieder eines Background-Chores bei Plattenaufnahmen kennen gelernt. Die Beziehung hat sich, wie die begeisterten Zuhörer im Kirchgemeindesaal feststellen durften, sehr gut entwickelt. (wn)

 

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