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18/2016 Jugendheim öffnet – Buechholz schliesst

Von adminZoZuBo ‒ 4. Mai 2016

Jugendheim öffnet, Buechholz schliesst

Ins ehemalige Pflegeheim Am See ziehen 90 minderjährige Asylsuchende, wie die Gemeinde kürzlich bekanntgab. Das Haus wurde aber bereits Tage zuvor zum Thema gemacht: vom ehemaligen SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, der eine alte Geschichte neu aufzubereiten versuchte und falsche Fährten legte. Die SP Zollikon ist empört. Klar wird nun auch, dass das Durchgangszentrum Buechholz wieder geschlossen wird.

Zu Beginn der letzten Woche war es Nationalrat Roger Köppel, gegen Ende der ehemalige Nationalrat Christoph Mörgeli: Die beiden SVPler sorgten für mediale Aufmerksamkeit – der eine in Bern, der andere in Zollikon. «Was ist bloss mit dieser SP los?», fragte der Verleger und Chefredaktor Roger Köppel in seinem Editorial der Weltwoche, zwei Tage nachdem Bundesrätin Simonetta Sommaruga und mit ihr die gesamte SP-Fraktion den Nationalratssaal während einer Rede des SVP-Nationalrats zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien verlassen und damit für einen Eklat gesorgt hatten. Er sei mehr als erstaunt über die Reaktion der Bundesrätin auf seinen Vorwurf, sie würde im Asylbereich statt von «Enteignungen» lieber von «Plangenehmigungsverfahren» reden. Neun Seiten weiter hinten wärmt der seit seiner Abwahl in Bern von der Weltwoche als Redaktor beschäftigte Christoph Mörgeli ein lokales Asylthema auf; er schreibt vom «Asylhotel au Lac», das bereits auf der Titelseite als «Luxus-Asyl: Zollikon räumt Altersheim für Migranten» angepriesen wird. Der ehemalige Nationalrat berichtet, dass betagte Schweizer aus dem Alters- und Pflegeheim «Am See» Asylbewerbern Platz machen müssten. Das Haus beschreibt er mit «seiner einmaligen Aussicht, dem direkten Zugang zum See und dem wunderschön am Ufer gelegenen Park», unterstützt von zwei Bildern, welche die Terrasse und den Park zeigen, die dazwischenliegende Seestrasse hingegen nicht. Die Bildlegende lautet: «Wunsch der SP: zukünftiges Asyl-Provisorium im zürcherischen Zollikon». Nicht nur ob dieser, auch ob anderer Aussagen wundert sich Esther Meier, Präsidentin der SP Zollikon, und scheint sich ebenfalls zu fragen: Was ist bloss los?

Auf Befehl der Linken?

Den Zollikern dürfte die Geschichte längst bekannt sein: Im Herbst letzten Jahres entschied sich die Gemeindeversammlung mit einer Stimme Unterschied zum Verkauf des über vierzigjährigen Alters- und Pflegeheims Am See, dessen Bewohnerinnen und Bewohner wie jene des Beugi in der nächsten Woche ins eben fertig gebaute Wohn- und Pflegezentrum Blumenrain übersiedeln. Gegen den Verkaufsentscheid rekurrierten zwei SP-Mitglieder, da er ihrer Meinung nach gegen Rechtsgrundsätze verstösst. Der soziale Zweck der Liegenschaft, die Heinrich Ernst vor 92 Jahren der Gemeinde mit der Auflage hinterliess, sein Vermächtnis als Heim für alte, erholungsbedürftige oder kranke Personen einzurichten, sei mit dem freihändigen Verkauf nicht mehr gegeben. Ausführen tut das Christoph Mörgeli indes nicht, er schreibt bloss, dass zwei anonym gebliebene SP-Mitglieder aufgrund eines Rechtsgutachtens beim Bezirksrat gegen den Verkauf rekurrierten.

Die beiden Rekursführer sind die frühere SP-Bundesrichterin Vera Rottenberg sowie Ueli Kieser, Rechtsanwalt und Titularprofessor an der Universität St. Gallen. Gemäss dem Weltwoche-Redaktor forderte die ehemalige Bundesrichterin Ende letzten Jahres eine soziale Lösung, angesichts der Flüchtlingsströme lägen beispielsweise Asylwohnungen auf der Hand. Und weiter: «Der Wunsch der Linken war dem bürgerlichen Gemeinderat offenbar Befehl», schlussfolgert Christoph Mörgeli, als die Gemeinde Ende Jahr bekanntgab, die Liegenschaft dem Kanton zwischenzeitlich als Asylunterkunft anzubieten. Dass der Zolliker Gemeinderat vor der SP quasi «eingeknickt» sei, findet Esther Meier beinahe zum Lachen und fragt: «Seit wann hat denn die SP, die ja nicht mal im Gemeinderat vertreten ist, diesem etwas zu sagen?» Christoph Mörgeli würde die Vorgänge in grotesker Weise vermischen, über den Gemeinderat herfahren, die Architektur verspotten und demokratische Rechte lächerlich machen, sagt sie. Die getroffene Zwischenlösung mit der Asylunterkunft findet die SP-Präsidentin sinnvoll und gut, «sie ist ein Imagegewinn für Zollikon und tut auch den Finanzen gut.» Vera Rottenburg sagte gegenüber dem «Blick», der sich des Themas ebenfalls annahm, dass sie von Flüchtlingen erst gesprochen habe, als man ihr nach der Gemeindeversammlung vorwarf, sie habe keinen Vorschlag für eine Zwischennutzung gemacht. Erstaunt über den Beitrag in der Weltwoche zeigt sich auch Ueli Kieser: «Es geht um eine rein juristische Angelegenheit», sagt er, der Rekurs sei ein demokratisch legitimes Mittel.

Minderjährige Flüchtlinge

Auf die Flüchtlinge geht Christoph Mörgeli in seinem Artikel ebenfalls ein. Er fragt sich, wie attraktiv dieser Park am See für die Öffentlichkeit noch sei, wenn ihn erst einmal 120 Asylbewerber «in Beschlag genommen» hätten. In zynischer Manier sieht er staatlich bezahlte Arbeitsplätze für Schwimmlehrer entstehen, die dem Übel der latenten Ertrinkungsgefahr zweifellos abhelfen werden. Dass es nicht 120, sondern 90 Asylsuchende sein werden, schreibt die Gemeinde in einer Mitteilung, die sie einen Tag nach Christoph Mörgelis Artikel verschickt. Das ehemalige Pflegeheim wird zu einer sozialpädagogischen Einrichtung für unbegleitete minderjährige Asylsuchende, sogenannte MNA – Mineurs non accompagnés, im Alter von 12 bis 17 Jahren. Betrieben wird das Zentrum im Auftrag des kantonalen Sozialamts durch die Stadtzürcher Fachorganisation AOZ, die bereits für die bisherigen kantonalen Zentren für Minderjährige zuständig ist und auch das bestehende Durchgangszentrum beim Schulhaus Buechholz in Zollikon führt. Die Kinder und Jugendlichen werden von Sozialpädagoginnen und -pädagogen im Bezugspersonensystem rund um die Uhr betreut werden. Geplant ist das Zusammenwohnen von zwei bis vier Personen pro Zimmer. Die Minderjährigen sollen gemeinsam kochen und in den Betrieb des Zentrums eingebunden sein, unterrichtet werden sie in sogenannten Aufnahmeklassen, wofür im Zentrum fünf Klassenräume eingerichtet werden. Aktivitäten von Zolliker Organisationen, wie sie bereits mit den Bewohnern des Durchgangszentrums Buechholz stattgefunden haben, begrüsst die AOZ. Sie sieht auch selbst Freizeitaktivitäten und Projekte vor. Die Kosten für die Umbauten und die Verantwortung für die Organisation des Schulunterrichts trägt der Kanton.

Durchgangszentrum Buechholz schliesst

Wie auf Anfrage beim Sozialamt des Kantons Zürich zu erfahren war, wird das im letzten Herbst wieder in Betrieb genommene Durchgangszentrum Buechholz bis Ende Juni geschlossen. Mit dem Jugendheim habe dieser Entschluss aber nichts zu tun, erklärt Urs Grob, Kommunikationsbeauftragter der Sicherheitsdirektion: «Bei der Unterkunft Buechholz handelt es sich um ein Reservedurchgangszentrum, das je nach Bedarf geöffnet  und wieder geschlossen wird.» Im Moment sei dieser Bedarf nicht mehr gegeben, und so wird das 80 Plätze umfassende Zolliker Durchgangszentrum seine Türen nach zehn Monaten wieder schliessen. In der Vergangenheit wurde das Zentrum in der Regel nach rund sechs Monaten wieder geschlossen, die Aufenthaltsdauer der Asylsuchenden in Durchgangszentren dauert durchschnittlich vier bis sechs Monate. (mmw)

 

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