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37/2017 Kunst und Klage

Von adminZoZuBo ‒ 14. September 2017

Kunst und Klage

Grosser Andrang bei der Vernissage von Harald Naegeli in der Galerie Milchhütte. Bald steht er allerdings auch wieder vor Gericht.

Es ist immer gut, wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt. Und wie gute Beziehungen Beatrice Herzog in die Kunstszene hat, zeigte sich jetzt: Die Zumiker Galerieleiterin holte Harald Naegeli für eine Ausstellung in die «Milchhütte». Genau: DEN Harald Naegeli. Der in den 70er Jahren als Sprayer von Zürich bekannt wurde, auf den die Stadt ein Kopfgeld von 3000 Franken ausgesetzt hatte und der doch erst spät geschnappt wurde. Der Naegeli, der zu einer Haftstrafe von neun Monaten und einer hohen Geldstrafe verurteilt wurde, der nach Deutschland floh – nach Düsseldorf, in die Nähe von Joseph Beuys – und doch wieder in die Schweiz aus­geliefert wurde. Sechs Monate sass er im Gefängnis und nahm dann wieder seinen Kunstweg auf. Die Ausstellung, die noch bis zum 24. September in Zumikon zu sehen ist, hat der Künstler seiner Mutter gewidmet. Mit sehr persönlichen Worten skizzierte er die Beziehung zu ihr. Sie war Norwegerin und Malerin. «Sie war einfach die wichtigste Person in meinem Künstlerdasein», führte er aus, um nach einem Moment anzufügen: «In meinem ganzen Dasein.» In den beiden Räumen ist eine Zeichnung seiner Mutter zu sehen und auch ein gemaltes Selbstbildnis. Mit Blick darauf räumte Harald Naegeli ein: «Malen konnte ich eigentlich nie.» Die Ausstellung zeigt aber die ganze Bandbreite, neben der Malerei. Da sind natürlich gesprayte Bilder. Doch da sind auch Kohlezeichnungen und Collagen. Wie die, auf der nur mit schwarzen Klebestreifen gearbeitet wurde. Diese Reduktion auf die Linie war die Geburt seiner Strichmännchen. «Ausserdem habe ich im Dadaismus gelernt, dass schon genug Bilder in Essig und Öl gemalt worden sind», schmunzelte der 78-Jährige.

Kunst lebt auf der Strasse

So sehr er sich über den Ansturm in der Galerie freute, die wahre Kunst lebt für ihn auf der Strasse. Und so wurden die Häuser und Fassaden für ihn früh zur Leinwand. Mit seinen Figuren und Parolen formulierte er seinen Protest gegen die Urbanisierung der Stadt, gegen das dominierende Grau. Die Schweiz wusste das nicht zu würdigen. Während sie hier als Schmierereien galten und immer wieder entfernt wurden, wurden sie in Deutschland positiver aufgenommen. So setzten sich Willy Brandt und ­Joseph Beuys für ihn ein. Mittlerweile hat auch Zürich den Wert seines Sohnes erkannt. Wenn sie genehmigt sind. Eines seiner letzten Strichmännchen, den weiblichen Wassergeist Undine an der Fassade des Deutschen Seminars, liess die Stadt 2004 restaurieren und konservieren. Mittlerweile lebt der Künstler sein langem in Düsseldorf. Mit fast verzeihendem Humor erinnerte er sich  während der Vernissage an die Zeit und die Zeiten, gab unermüdlich Autogramme, liess Fans sogar ­Selfies mit sich machen. Aber auch wenn der Künstler selber nicht mehr vor Ort ist, die Vielfältigkeit seiner Werke lässt einen Einblick in sein Leben zu. Doch die Schweiz hat für Harald Naegeli nicht nur erfreuliche Anlässe parat: Im Oktober muss sich der Sprayer einmal mehr vor Gericht in Zürich verantworten. Der Anklagepunkt: unbewilligte Graffitis bei der Quaibrücke, beim Treppenaufgang zum Grossmünster, an der Ufermauer bei der Rathaus­brücke, bei der Kornhausbrücke und am Gebäude der Kantonsverwaltung am Walcheplatz. In den Jahren 2012 und 2013 soll Harald ­Naegeli mit seinen Spraydosen in Zürich unterwegs gewesen sein. Der Schaden wird von der Staatsanwaltschaft auf knapp 10000 Franken geschätzt. Mit Busse und Geldstrafe geht es bei dem an­stehenden Verfahren um 200 000 Franken. (bms)

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