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46/2017 Das Publikum macht die Playlist

Von adminZoZuBo ‒ 16. November 2017

Das Publikum macht die Playlist

In Kooperation mit der Musikschule coacht Jürg Bruhin diverse Schülerbands. Bei ihm fing auch Singer-Song-Writer Nickless an.

Schnell werden noch ein paar Brotkrumen vom Tisch gefegt. Die Probe gestern Abend war wieder lang, dann kam der kleine Hunger, anschliessend die grosse Müdigkeit. Wer hat da noch Lust aufs Aufräumen? Doch am nächsten Morgen ist Jürg Bruhin wieder frisch und gut gelaunt. Wer den Musiker besucht, trifft auf eine Grundversorgung und jede Menge Technik. Zur Grundversorgung zählen eine kleine Küchenzeile, Tisch, Stühle. Fertig. Die Technik, das sind Keyboards, ein Klavier, Verstärker, Boxen, Gitarren, Kabel und diverse Computer. Jürg Bruhin ist die Verkörperung des Sprichworts «Aller guten Dinge sind drei»: Er ist Musiker, er ist Musiklehrer und Produzent. Müsste er sich entscheiden, dann für den Musiker. Angefangen hat es mit acht Jahren. Zuhause – in Küsnacht – stand ein Klavier. Er begann, sich das Spiel autodidaktisch beizubringen. Da das Interesse schon mal da war, gönnten die Eltern ihrem Sohn Klavierstunden. Zwölf Franken kosteten die damals. «Mein Vater rechnete mir vor, dass es also 20 Rappen pro Minute koste und der gesamte Unterricht somit einen Vierzigstel seines Monatslohns», erinnert sich Jürg Bruhin. Das bedeutete: Es musste auch eifrig geübt werden, damit sich die Investition auch lohnt. Einmal in der Woche ging es mit dem Velo ans andere Ende des Dorfes in den Unterricht. «Das war jedes Mal ein Abenteuer für mich.» Doch bald schon lockten andere Abenteuer, es gab noch Wichtigeres als am Klavier zu sitzen. Die Motivation fehlte einfach. Der Unterricht wurde eingestellt. Das Klavier verstummte wieder. Doch es kam die zweite Chance. Jürg Bruhins Vater spielte in einem Freizeitorchester gemeinsam mit Ernst Brunner, dem Vater des Volksmusikers Carlo Brunner. Als ein Auftritt des Orchesters im damaligen Gemeindesaal am Farlifang anstand, durften die beiden Söhne mit auf die Bühne. «Und da habe ich mich wieder mit dem Virus Musik infiziert», weiss Jürg Bruhin noch genau.

Brief von Exxon

Die erste Schülerband folgte. Vollmundig nannte man sich «Exodus». Das gefiel dem Konzern Exxon allerdings gar nicht. Brieflich meldete man sich bei den Schülern und forderte allen Ernstes eine Umbenennung. Also trat die Band danach als «Tomorrow» auf. «Wir haben uns natürlich vorgestellt, wie wir weltberühmt werden und Exxon sich so richtig ärgern würde.» Jürg Bruhin war aber nicht nur an den Tasten sehr engagiert. Er bastelte und tüftelte und schraubte mit Leidenschaft. Vernünftige Verstärker konnten sich die Jungs nicht leisten, und so funktionierte der Pianist halt ein altes Radio um. Diese Liebe zum Tüfteln hat ihm mittlerweile das Standbein des Lautsprecher-Produzenten eingebracht. Unter dem Label «Rundklang» vertreibt er Boxen, die den Sound gleichmässig in alle Richtungen verteilen. «Es ist oft so, dass die Musiker sich auf der Bühne nicht hören, also spielen sie noch lauter. Und schon wird es zu laut für das Publikum», erklärt er das Problem. Die Rundklang-Boxen verteilen die Schallwellen gleichmässig. Was eigentlich für die Bühne und für grosse Säle gedacht war, gibt es mittlerweile auch abgespeckt für den privaten Bereich. Die Liebe zur Technik führte den Zumiker aber auch vorübergehend in eine Sackgasse. Er eröffnete nämlich sein eigenes Radio- und Fernsehgeschäft an der Dorfstrasse. Und plötzlich sei er nicht mehr Musiker, sondern Techniker, Buchhalter und Kaufmann gewesen. Er zog die Reissleine, aber richtig kräftig. Er verkaufte das Geschäft und flog nach Australien. «Ich wollte einfach etwas anderes sehen, neue Erfahrungen machen.» Zehn Jahre lang machte er die. Er jobbte als Reiseleiter, Chauffeur, Koch und machte wieder jede Menge Musik. Zum Jahrtausendwechsel kam er zurück nach Zumikon mit dem Plan, endgültig alles einzupacken und in Australien einen Einwanderungsantrag zu stellen. «Doch ich hatte es nicht eilig, liess mir Zeit. Und plötzlich sind 17 Jahre um», lacht ein Jürg Bruhin, den wohl noch nie jemand anders als gelassen und gut gelaunt erlebt hat.

Eine lebende Jukebox

Diese 17 Jahre waren geprägt von seiner Band, der «Live Jukebox», und von seinem Engagement als Coach für Schülerbands. Wer in Zumikon – und Umgebung – in einer Band spielen will, landet bei ihm und ist da gut aufgehoben. In einer Kooperation mit der heimischen Musikschule übernimmt er die Betreuung. «Eine Band funktioniert anders als ein normales ­Musikschulangebot. Da muss die Chemie stimmen und es kann nicht nach einer Dreiviertelstunde Schluss ein. Manchmal quatschen die zuerst lange, ehe sie zu den Instrumenten greifen», erklärt er. Er könne sich nicht einfach ein paar Schüler herauspicken und bestimmen: «Ihr seid jetzt eine Band.» Vielmehr gehe es ja auch darum, vielleicht eigene Songs zu entwickeln, als Einheit auf der Bühne zu stehen. Gerne erinnert sich Jürg Bruhin an die einstige Schülerband «Klirrfaktor» – aus der übrigens Nickless hervorging. Ihren ersten Auftritt hatten die damaligen Viertklässler auf dem Zumi-Fest vor neun Jahren. Ein Film zeigt die Jungs, die am Morgen vielleicht noch Kakao tranken, aber im Rampenlicht eine tolle Show ablieferten. Bei ihrem zweiten Gig bereits legt der Gitarrist ein Solo hin, bei dem er das Instrument auf dem Rücken hat. Der Lehrer schmunzelt bei den alten Aufnahmen. «Mir war immer wichtig, dass die Jungs mit dem Herzen lernen. Dazu gehört auch, Respekt voreinander zu haben und sich aufeinander verlassen zu können. Als Musiklehrer will ich zeigen, was mit Musik alles möglich ist.» Und das will er auch am Donnerstag, 23. November im Café Fischvogel tun, wenn er mit der «Live Jukebox» auftritt. Der Name ist dann Programm: Das Publikum kann aus einer langen Liste von Songs auswählen und die Jukebox spielt diese dann. In Zukunft soll das noch einfacher gehen. «Wir entwickeln gerade eine Playlist, die sich jeder aufs Handy laden und so auswählen kann», erklärt Jürg Bruhin. Zur Wahl stehen dann auch aktuelle Songs. Er wolle es nicht so handhaben wie sein Vater, der mit seinem Orchester als aktuellsten Hit «Rock Around the Clock» anbot – und das über Jahre. (bms)

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