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49/2017 Miss Kerzenziehen

Von adminZoZuBo ‒ 7. Dezember 2017

Miss Kerzenziehen

Seit Jahren leitet Gigi Jacquier die schöne Tradition des Kerzen­ziehens im Zumiker Velohüsli. Und dieses Jahr passierte das, was nicht passieren darf: Sie fiel aus.

Wenn Gigi Jacquier morgen um fünf Uhr nachmittags das Velohüsli in Zumikon abschliesst, liegt eine anstrengende Zeit hinter ihr – und endlich kann sie selber mal die Adventszeit geniessen. Gigi Jacquier ist «Miss Kerzenziehen». Sie selber weiss gar nicht, wann es angefangen hat. Seit wann sie die Wächterin über das Wachs ist. «Ich mache das einfach schon seit Urzeiten», lacht sie und muss schnell los. Ein kleiner Junge steht bedenklich nah an einem Wachsfass. Die Mama schwatzt derweil mit einer anderen Mutter. Freundlich, aber auch sehr eindeutig macht Gigi Jacquier der Mama klar, dass heisses Wachs eben auch gefährlich sein kann. Nebenan stehen drei Mädchen um die sechs und tunken zügig ihre Dochte in die bunten Farben. Die Kerzenzieherin macht es nochmals vor: Schnell geht es nicht. Ganz bedächtig muss der Docht eingetaucht werden, dann geht es ins Wasserbad und der dritte Schritt ist das Abtrocknen. Dann geht es wieder von vorne los.

Sie selber ist vor Jahrzehnten als Helferin zum Kerzenziehen gekommen. Und als der damalige Leiter des Freizeitzentrums ging, fiel ihr das Projekt in die Hände. Beworben hatte sie sich dafür eigentlich nicht. Sie sei so da rein gerutscht. Die Lehrerin für Tanz und Bewegung hat mittlerweile viele Kniffe drauf, wie die bunten Kerzen am Ende noch verhübscht werden können. Mit Guetsli-Ausstechformen werden Motive ausgestochen und mit dem Föhn zum Aufkleben weich gemacht. Wunderschöne Kunstwerke, die eigentlich viel zu schade zum Anzünden sind, entstehen da. Und manchmal – gar nicht so selten – muss eine Rettungsaktion her. Wenn zum Beispiel die ganze Kerze vom Docht rutscht. Das passiert, wenn zu schnell gearbeitet wird und das Wachs nicht richtig auskühlt. «Dann können wir die Kerze aufschneiden, den Docht wieder reinlegen und die Kerze verdrehen. Das sieht eigentlich noch ganz hübsch aus.» Manchmal aber macht es auch einfach nur «glugg, glugg» und das ganze Werk verschwindet auf Nimmerwiedersehen im Wachs. «Da gibt es nichts mehr zu retten und das Kind muss von vorne anfangen.» Da kann dann selbst Kerzen-Gigi nicht mehr helfen.

Flach mit Fieber

Sie selber hustet immer noch ein bisschen. Denn dieses Jahr ist das eingetreten, was eigentlich nicht eintreten darf: Sie war krank. Lag mit Fieber flach und fiel zwei ganze Tage aus. «Aber ich habe ein tolles Team aus Helferinnen», ergänzt sie gleich. Mit wieviel Liebe und Engagement sie es auch macht, ohne die freiwilligen Helfer ginge nichts. Direkt nach den Sommerferien schreibt sie die «üblichen Verdächtigen» an und erstellt dann den aufwendigen Arbeitsplan. 31 Helferinnen hat sie in diesem Jahr im unermüdlichen Einsatz. Das ist nicht selten stressig. Oft stehen die Kerzenzieher Schlange, um ihre selbst hergestellten Kerzen – die ja nicht selten ein Geschenk für Oma, Opa oder Götti zu Weihnachten sind – fertigstellen zu lassen. Dann kommt der Moment der Wahrheit: An der Kasse wird das gute Stück gewogen. Bezahlt wird nämlich nach Gewicht. Und da ist schon so manche Mama, so mancher Papa aus allen Wolken gefallen. Sieht es am Anfang noch so aus, als würde aus dem dünnen Docht niemals eine ansehnliche Kerze, steht am Ende nicht selten ein Prunkstück für viele Stunden Licht da. Gigi Jacquier rückt eine der elektrischen Heizungen zurecht, sodass auch die Helferin an der Kasse noch ein bisschen  von der warmen Luft bekommt. Der Eingang ist mit einer Holztür, einem dicken Vorhang und einer Stahltür eine Kältebremse. Aber es hilft alles nichts: Das Kerzenziehen findet im Velohüsli statt, da zieht es an allen Ecken und Kanten. Gigi Jacquier behält deswegen lieber ihre Mütze auf und die dicke Jacke an.

Komplizierte Konstruktion

Das Velohüsli wird seit Jahren in der Vorweihnachtszeit zu einem geschlossenen Kerzenhüsli umgebaut. Diese Konstruktion stammt von René Krüsi, der den ganzen Event in dieser Form ins Leben gerufen hat. Nun ist der Holziwerkstatt-Chef jeweils für den Auf- und Abbau zuständig.

Sobald das Hüsli steht, kommt Gigi Jacquier ins Spiel. Alle Scheinwerfer werden montiert und verkabelt, die Wachsfässer werden platziert, die Deko montiert, die Arbeitstische müssen überzogen werden, die Heizöfen mit Petrol gefüllt und anschliessend werden mit einem Gemeindemitarbeiter alle Wachsschmelzgeräte gefüllt und die Wasserfässer mit Wasser vom Hydranten. Während der Kerzenziehstunden sei das Nachfüllen des Wachses eine grosse Herausforderung. «Es geht manchmal ganz schnell und die Rohre sind nur noch zwei Drittel voll. Sind jedoch dicke Kerzen im Umlauf, kann man nicht nachfüllen, da die Rohre sonst beim Eintauchen überlaufen.» Natürlich sieht sie sofort, wenn eines der älteren Kinder mit Wonne die Finger in das bunte Wachs steckt, um ihn dann auf den Kuppen hart werden zu lassen. Oft reicht da schon ein mahnender Blick aus den grossen Augen.

Sie selber ist nicht mit der Schweizer Tradition gross geworden. «Ich weiss gar nicht, ob es das damals bei uns nicht gab oder meine Eltern einfach nicht mit mir hingegangen sind», überlegt sie laut. Ihre eigenen Söhne durften auf jeden Fall zum Kerzenziehen, auch wenn es damals nur Bienenwachskerzen gab, für die man noch mehr Geduld aufbringen muss. «Aber das ist ja auch schon über 30 Jahre her», lacht die ehemalige Zumikerin, die mittlerweile in Erlenbach lebt. Trotz des Wohnortwechsels wird sie den Zumiker Kindern beim Kerzenziehen weiter zur Seite stehen. Mit viel Liebe und Können und warnenden Augen. «Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass Kinder zwischen vier und sechs nur unter Anleitung Kerzen ziehen dürfen.» Und damit sei nicht gemeint, dass Mama oder Papa in einer anderen Ecke stünden und quatschten. Gigi Jacquier ist streng. Sie möchte einfach, dass jeder Bub, jedes Mädchen mit einer wunderschönen Kerze nach Hause geht. Ganz fertig ist Gigi Jacqier aber morgen dann doch noch nicht. «Alles muss zurückgebaut werden: Die mühsamste Arbeit ist das Leeren der ganzen Wasserfässer. Ende der Woche ist dann jeweils alles wieder, wie wenn nichts gewesen wäre!» (bms)

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