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20/2018 Weiterplanen oder neu beginnen

Von adminZoZuBo ‒ 18. Mai 2018

Weiterplanen oder neu beginnen

Am 10. Juni entscheidet sich an der Urne, wie es mit dem Areal Beugi weitergeht. Am Dienstagabend war die Initiative Widmer Thema im Gemeindesaal.

Der Beginn des Abends versprach nichts Gutes. Zuerst streikte die Technik und just als es losgehen sollte, zogen düstere Gewitterwolken über den Zolliker Gemeindesaal, lautstarker Regen entlud sich. Damit hatte es sich dann aber bereits mit den Turbulenzen. Gehässigkeiten, wie man sie angesichts der teilweise heftig geführten Debatte rund um das Beugi-Areal mitbekommt, so auch in den zahlreich gefüllten Leserbriefspalten dieser Zeitung, blieben weitestgehend aus. Die Gemeinde hatte eingeladen, um über die Initiative Widmer zu informieren, über die am 10. Juni an der Urne abgestimmt wird. Obschon die Ausgangslage bekannt ist, zog es um die 150 Interessierte am Dienstagabend in den Gemeindesaal.

Gemeindepräsidentin Katharina Kull-Benz eröffnete den Informationsanlass mit einem kurzen Blick zurück: Seit 2013 läuft der Planungsprozess für die Neugestaltung des Zolliker Dorfzentrums und mit diesem die Umnutzung des Beugi-Areals. «Nach fünf Jahren Arbeit, anspruchsvollen Verhandlungen und intensiven Diskussionen stehen wir kurz vor der Ziellinie», sagte sie und rief in Erinnerung, was vom Gemeinderat geplant ist: die Abgabe des Areals im Baurecht an die Zürcher Baugenossenschaft Zurlinden, die Wohnungen für Haushalte aller Konstellationen und Altersklassen vorsieht. Im Erdgeschoss sollen Läden und Dienstleistungen einziehen, im Untergeschoss der Grossverteiler Coop sowie eine Tiefgarage. Die Einzelinitiative von Jürg Widmer stelle nun dieses Ergebnis in Frage, sagte die Gemeindepräsidentin und gab bereits eine grobe Einordnung, bevor sie dem Initianten das Wort gab: So würde die Initiative, die in Form einer Anregung verfasst ist, sich nicht konkret mit der Ortskernplanung befassen, genauso wenig wie mit der Verkehrsplanung oder den Gemeindefinanzen. «Sie befasst sich nicht damit, sie beeinflusst aber alle diese Punkte wesentlich», warnte Katharina Kull-Benz. Was einfach töne, ziehe viele Risiken und Folgekosten nach sich. Der Gemeinderat stuft diese als hoch ein und empfiehlt deshalb die Initiative zur Ablehnung.

Grossverteiler stand im Zentrum

Damit ergriff Jürg Widmer das Wort, der seine Initiative zusammen mit den fünf Zolliker Baugenossenschaften eingereicht hatte. Auch er blickte zurück, rief in Erinnerung, wie das Zolliker Stimmvolk an der Gemeindeversammlung im März vergangenen Jahres Ja zur seiner Initiative gesagt hatte. Die Planung des Gemeinderates bezeichnete er als «Chronologie einer Fehlkonzeption», so habe dieser das Projekt aus rein finanzpolitischen Überlegungen um einen unterirdischen Grossverteiler herum konzipiert. Die öffentliche Ausschreibung sei so gestaltet gewesen, dass ortsansässige Baugenossenschaften nicht mitbieten konnten, da der Grossverteiler im Untergeschoss Bestandteil der Ausschreibung war und es sich bei den Zolliker Baugenossenschaften um reine Wohnbaugenossenschaften handelt, die ihre Statuten hätten ändern müssen, um die Bedingungen zu erfüllen. Jürg Widmer warnte vor dem «Eingriff ins offene Herz des Dorfkerns» mit dem 12 Meter tiefen Loch, dem riesigen Aushub, der für den Grossverteiler und die Tiefgarage im Untergeschoss vorgesehen ist, er erwähnte das veränderte Konsumverhalten und die vielen Grossverteiler, die es heute bereits im Umkreis des Zolliker Dorfzentrums gebe. Dem Vorwurf der fehlenden Verkehrsplanung entgegnete er, dass seine Mitstreiter und er in der Zwischenzeit ein Verkehrsgutachten durch ein Mobilitätsinstitut hätten erstellen lassen. Diese zeige, dass die schmale Zollikerstrasse mit täglich 5700 Fahrzeugen schon heute ein Risiko für Fussgänger und Velofahrer sei. «Würde der Coop wie geplant realisiert, kommen nochmals mindestens 2600 Fahrzeuge dazu, und nicht bloss 800, wie das der Gemeinderat behauptet», führte er aus und zeigte sich überzeugt, dass die Fahrten der LKW und Personenwagen unweigerlich zu einem Verkehrskollaps führen würden.

Mehr Transparenz gefordert

Neben dem oft diskutierten Grossverteiler und dem Verkehr waren es die Zolliker Baugenossenschaften, die im Verlauf des Abends mehrfach angesprochen wurden. Jürg Widmer wies in seiner Präsentation auf die Falschaussage des Gemeinderates und der Rechnungsprüfungskommission hin, die im Weisungsheft zur Urnenabstimmung nach seiner Intervention korrigiert worden ist. Es geht um die Gemeinnützigkeit, dieser Vorzug ist gemäss Gemeinderat mit der aus der öffentlichen Ausschreibung hervorgegangenen Vergabe an die Baugenossenschaft Zurlinden verbunden, da sie statutarisch dieser verpflichtet ist. Die Zolliker Baugenossenschaften dagegen seien nach dem Wortlaut ihrer Statuten nicht alle der Gemeinnützigkeit oder der Kostenmiete verpflichtet. Dies stellte Jürg Widmer in Abrede und versuchte, anhand der aktuellen Mietzinsen der von den Zolliker Baugenossenschaften erstellten 360 Wohnungen in der Gemeinde, dem Projekt Beugi und dem Gemeinde-Projekt Zurlinden aufzuzeigen, dass auch die Zolliker Baugenossenschaften in der Lage sind, Wohnungen zu langfristig preiswerten Mietzinsen, der sogenannten Kostenmiete, anzubieten. Er hielt fest, dass bei Annahme der Initiative mit der Gemeinde als Baurechtsgeber ebenfalls ein Baurechtsvertrag abgeschlossen wird, der von der Gemeindeversammlung abgesegnet werden müsse und der die Kostenmiete genau umschreibe. Eine Votantin forderte mehr Transparenz zu den Finanzen und der Gemeinnützigkeit der Baugenossenschaften.

Ein Verzicht auf einen Grossverteiler, mahnten Gemeinderat Sascha Ullmann und Finanzvorstand Urs Fellmann später, führe auf Seiten des Baurechtsnehmers zu Mindereinahmen, was auf den erzielbaren Baurechtszins drücken werde. Wie hoch dieser ohne den sogenannten Ankermieter Coop noch angesetzt werden kann, lasse sich aus heutiger Sicht nicht abschliessend beurteilen, warnten sie. Der Initiant spreche von jährlich wiederkehrenden Mindereinnahmen zulasten der Gemeinde von 700 000 Franken oder etwas über einem halben Steuerprozent, was bedeute, dass die Steuerzahler bei Annahme der Einzelinitiative jede Wohneinheit im Beugi mit jährlich rund 10 000 Franken subventionieren würden.

Zurück auf Feld eins

Es seien zu viele Punkte offen und unklar bei der Initiative Widmer, so die Konklusion des zukünftigen Gemeindepräsidenten Sascha Ullmann. Das Ziel der Stärkung und Belegung des Dorfzentrums zusammen mit der Verschmelzung des Beugi-Areals werde mit einem Verzicht auf einen Grossverteiler klar verfehlt. Der mit der partizipativen Planungswerkstätte, Testplanungen und Machbarkeitsstudien angelegte Planungsprozess, der seriöse Eckwerte für das zukünftige Beugi-Areal entwickelt habe und aus welchem Gestaltungsplan und Ausschreibungen entstanden sind, werde bei der Annahme der Initiative gestoppt, wertvolle Arbeit über Bord geworfen und praktisch wieder von vorne begonnen. «Wo viele Fragen offen sind, liegt viel Konfliktpotenzial brach», mahnte er.

Offene Punkte machte auch Jürg Widmer geltend, mit seiner Initiative werde nicht «die Katze im Sack» gekauft, da die Gemeindeversammlung beim Baurechtsvertrag und der Zonenplanänderung auf Wunsch des Gemeinderates auch beim Gestaltungsplan das letzte Wort habe.

Beide Seiten und auch die Wortmeldungen aus dem Publikum verwiesen auf nicht nachvollziehbare Zahlen und Behauptungen, auf Un­geklärtes, beanstandeten Unwahres. Eine erste Klarheit gibt’s am 10. Juni, wenn die Stimmbürger entscheiden, ob sie die Initiative Widmer annehmen möchten oder nicht und somit die bisherige Planung des Gemeinderates abgebrochen oder weitergeführt wird. (mmw)

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