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25/2018 Die Ausdruckskraft neuer Musik

Von adminZoZuBo ‒ 21. Juni 2018

Die Ausdruckskraft neuer Musik

Den diesjährigen Kunstpreis hat die Gemeinde Zollikon in der Sparte Komposition verliehen: Der Hauptpreis ging an die Winterthurerin Regina Irman, der Förderpreis an den Zürcher Micha Seidenberg.

Es war eine andersartige Welt, in welche das Publikum am vergangenen Sonntag im Gemeindesaal Zollikon eintauchte. In diejenige der Neuen Musik. Denn der Abend, zu dem Gemeinderat und Kulturkommission eingeladen hatten, stand ganz im Zeichen der Komposition, der künstlerischen Sparte, an die der diesjährige Kulturpreis Zollikon vergeben wurde. «Komponieren findet im Verborgenen statt. Dank der Interpreten ist es uns jedoch möglich, das künstlerische Schaffen der heutigen Preisträger zu hören und zu erleben», freut sich Hans Gremli, Mitglied der Kulturkommission, der als Moderator durch die Preisverleihung leitete.

Sinnlich ergreifende Komplexität

Sogleich widmete sich ein Streichquartett mit voller Konzentration und Körpereinsatz dem Werk «replicare» von Micha Seidenberg, der den diesjährigen Förderpreis im Wert von 5000 Franken entgegennehmen durfte. Wie viele seiner Werke basiert auch dieses, 2016 entstanden, auf einer spezifischen Idee. Hier fand die Betrachtung einer filigranen Pflanze, die sich ihren Weg durch hartes Gestein bahnt, ein musikalisches Abbild aus verschiedenen Tonhöhen, Klängen und Geschwindigkeiten. «Wie ein Forscher nimmt Micha Seidenberg Indizien auf und setzt seine Erkenntnisse zu einer neuen Wahrnehmung zusammen. Es sind isolierte Phänomene, die sein Werk kunstvoll durchziehen und Spuren hinterlassen», fasst Isabel Mundry in ihrer Laudatio zusammen. Die Komponistin unterrichtet an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) Komposition und kennt Micha Seidenberg und sein Schaffen seit vielen Jahren.
Micha Seidenberg ist 1984 in Zürich geboren, studierte Klavier und Musiktheorie in Genf und absolvierte den Masterstudiengang Komposition in Zürich. Er unterrichtet Komposition und Musiktheorie und ist als künstlerischer Co-Leiter des ­Vidya Ensembles tätig. «Ich bin seit jeher von der Kunst allgemein, von deren Ausdruckskraft fasziniert. Auch ich möchte mit meiner eigenen Kunst etwas ausdrücken. Mit Hilfe der Interpreten möchte ich dem Publikum eine neue Wahrnehmung auf die Welt ermöglichen», erklärt der sichtlich gerührte Preisträger.

Theatralisch-experimentelle Kunstwerke

Auch auf Regina Irman, welcher der Hauptpreis in der Höhe von 10 000 Franken zugesprochen wurde, übten die Künste seit Kindheit eine besondere Faszination aus. Die Komponistin wollte ursprünglich Kunstmalerin werden. Die Musik zog die 1957 in Winterthur geborene Künstlerin jedoch immer mehr in ihren Bann. Sie absolvierte das Lehrdiplom für Gitarre, erwarb danach das Konzertdiplom für Schlagzeug und begann mit ersten Kompositionen. Ihr vielschichtiges und eigenständiges Werk umfasst unter anderem Kammer- und Vokalmusik, elektronische Arbeiten, Theatermusik und Opern. Dabei handelt es sich fast ausschliesslich um ­Auftragsarbeiten von Ensembles, Chören, Festivals oder Kulturför­derungsstellen. Es sind oft Umwelteindrücke und Erlebnisse mit anderen künstlerischen Werken, die Regina Irman zu neuen Kompositionen inspirieren. So auch bei den «Songs», die 2009 nach einem zweijährigen Stipendienaufenthalt in London entstanden sind und das Publikum an dieser Preisverleihung auf das Schaffen der Komponistin einstimmten. In den «Songs» verarbeitete Regina Irman Klänge der Londoner Glocken sowie Gedichte und Malerei des englischen Künstlers William Blake (1757–1827) und schaffte so eine Musik, die immer wieder auch an Theaterszenen erinnert. Nicht zuletzt wegen der einfühlsamen Umsetzung durch die Sopranistin und ihre ­Kollegen an der Bassklarinette,
am Flügel und am Violoncello. «Menschliche und instrumentale Stimmungen kommen zum Ausdruck. Regina Irman lässt sich inspirieren durch visuelle und kul­turelle Quellen. Bewusstes und Unbewusstes, Traum und Wirklichkeit fliessen ineinander. Ihre Werke sind Resultat präziser Analyse und eigener Vision – bei aller organisierten Strenge interessiert sie das Experimentelle. Eine neue Musik entsteht, die eigenständig, furchtlos und witzig ist», betont Laudatorin Nicole Hess, Kulturmanagerin MAS, welche die Preisträgerin in London kennenlernte, als sie dort, ebenfalls unterstützt durch ein Stipendium, arbeitete, und welche die enorme Schaffenslust der Künstlerin, die sich in einer Männerdomäne behauptet, bewundert. «Obwohl ich zu einem gewissen Grad strenge Musik mache, möchte ich bei den Zuhörern Emotionen wecken. Neue Musik soll nicht als Elfenbeinturm daherkommen, sondern Freude bereiten», betont Regina Irman, die heute neben ihrer Tätigkeit als Komponistin und Schlagzeugerin als Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Thurgau arbeitet.

Ziel des Kunstpreises Zollikon

Die Gemeinde Zollikon verleiht seit 1987 jährlich aus der Dr.-K.-&-H.-Hintermeister-Gyger-Stiftung den Kunstpreis Zollikon sowie einen Förderpreis. Initiant ist das verstorbene Ehepaar Hintermeister-Gyger. Nach seinem Willen soll der Kunstpreis jedes Jahr abwechslungsweise in den Sparten, Musik, Komposition, Bildende Kunst und Literatur vergeben werden. Dies mit dem Ziel, bewährtes künstlerisches Schaffen zu anerkennen. Gleichzeitig soll der Förderpreis weiteren vielversprechenden Kunstschaffenden als Aufmunterung dienen. Ausgezeichnet werden Schweizer Künstler (Einzelpersonen oder Gruppen) mit Wohnsitz im Kanton Zürich. (mpe)

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