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26/2018 «Ich war ein Sammler, kein Jäger»

Von adminZoZuBo ‒ 28. Juni 2018

«Ich war ein Sammler, kein Jäger»

Er traf Stars und Sternchen der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Jack Stark war nicht nur der erste Gesellschaftsjournalist der Schweiz, sondern schuf auch Promis zum «Anfassen», möbelte so das Image des «Blicks» auf, war Mitgründer der «Tele», führte dafür die Homestory ein und begleitete während sieben Jahren Udo Jürgens als Pressesprecher. Dazwischen war er am liebsten zuhause in Zumikon.

«Im grünen Schrank ist mein ganzes Leben», lacht Jack Stark. Dort hat der erste People-­Journalist der Schweiz sämtliche Manuskripte, Notizen, Briefe und Fotos seiner 40-jährigen Tätigkeit in der Medienbranche archiviert. Dort sind auch seine Agenden abgelegt, die er seit 1967 stets nachgeführt hat. Ein Blick auf einen Eintrag und auf eines der Hunderten von Fotos reicht und die dazugehörige Geschichte sprudelt aus dem 82-Jährigen heraus: Unvergessen bleibt ihm beispielsweise die Begegnung mit Alfred Hitchcock im Hotel Baur au Lac am 28. September 1972. Der Redeschwall des Meisterregisseurs zur ersten – eher als Auflockerung gedachten – Frage, wie ihm die Schweiz gefalle, war nicht zu bremsen, sodass die 30-minütige Interviewzeit schon beinahe aufgebraucht war. Dann war Jack Stark beim Zwischenfall mit Uschi Glas dabei, als sich zwei Playboys vor einem Münchner Lokal um die charmante Langbeinige prügelten und der eine dem anderen die Hälfte des Ohrs abbiss. Jack Stark erzählt weiter, wie er für die damals 18-jährige Nachwuchssängerin ­Paola del Medico aus St. Gallen den Text zu einem Lied für die Schweizer Ausscheidung zum Grand Prix Eurovision 1969 schrieb, wie der entstandene Popsong erstmals in der Geschichte des helvetischen Showbusiness professionell promotet wurde und wie er Kurt Felix bewunderte, weil er die von der italienischen Mama so gut behütete Paola für sich gewinnen konnte.

Der Kurzstreckenläufer

Kurt Felix war es denn auch, der Jack Stark vor über zwölf Jahren dazu motivierte, all diese Geschichten in einem Buch zusammenzufassen. Und so wählte Jack Stark dreissig besonders signifikante Fotos aus und schrieb zu jedem Bild etwa 1000 Worte, ganz nach dem Sprichwort «Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte». Entstanden sind 30 Kurzgeschichten mit dem Titel «Starks Blick. Stargeflüster aus dreissig Jahren Showbusiness». «Ich bin ein Kurzstreckenläufer in jeder Beziehung – beim Sport, als ich beispielsweise als Junior den sechsten Rang im Hundertmeterlauf an der Schweizermeisterschaft erzielte, sowie eben beim Schreiben. Ich bewundere Schriftsteller, die Sitzleder haben und ganze Welten erfinden», lacht Jack Stark, dessen Leidenschaft neben dem Schreiben das Lesen ist.

Die Liebe zu Buchstaben

So liest der 82-Jährige auch heute vier bis fünf Stunden pro Tag. Am Morgen beginnt er mit der Lektüre von Zeitungen und Magazinen, danach folgt eines seiner Bücher aus der gigantischen Bibliothek in seinem Wohnzimmer, wo seine Lieblinge von Stefan Zweig, Joseph Roth und Thomas Mann stehen, die er monatlich mit neuen Bestsellern – beispielsweise von Sahra Wagenknecht, Daniel Kehlmann oder ­Eveline Hasler – ergänzt. Die Liebe zu Buchstaben ist ihm in die Wiege gelegt worden: Der Vater war entweder am Lesen oder sass an der Schreibmaschine, in die der Sozialist unter den faszinierten Blicken seines Sohnes die Sätze für die sozialdemokratische Zeitung «Volksrecht» hineinhämmerte. «Das wollte ich auch!», erinnert sich Jack Stark. So begann er bereits im Kindergartenalter Zeitung zu lesen, schrieb als Primarschüler seine ersten Kurzgeschichten und mit zwölf Jahren den ersten Zeitungsartikel. Als «Gerechtigkeitsfanatiker» – ebenfalls ein Erbgut seines Vaters – studierte er nach der Matur nicht Germanistik, sondern Jus. Taschengeld verdiente er sich jedoch auch in der Studienzeit mit Schreiben: Zusammen mit einem befreundeten Pressefotografen erarbeitete er Reportagen über unterschiedliche Themen, «beispielsweise über den verrückten Innerschweizer, der ein UFO gesehen hat», so Jack Stark.

Als «Chasseur» dabei

Derselbe Fotograf war denn auch «schuld» am weiteren Verlauf von Jack Starks Karriere: 1963 als «Blick»-Korrespondent im Tessin arbeitend, bat jener seinen schreibgewandten Freund, seine People-Fotos, die er am Filmfestival von Locarno geschossen hatte, mit kurzen Texten zu ergänzen. Der damals zuständige «Blick»-Redaktor engagierte den jungen Schreiberling sofort, der in der Folge noch während seiner Tätigkeit am Gericht in Horgen und auch nach bestandenem Anwaltsexamen Artikel für die Boulevardzeitung schrieb, zwei Jahre später als hauptberuf­licher Gesellschaftsjournalist. «So wurde ich zum People-Journalisten, ohne dass ich diesen Begriff gekannt hatte. Den Beruf gab es damals in der Schweiz noch nicht», schmunzelt Jack Stark. Es störte ihn auch nicht, dass der «Blick» damals ein verpöntes Blatt war. Und diejenigen, die das Boulevardblatt dennoch lesen wollten, verlangten am Kiosk eine NZZ mit darin verstecktem «Blick». «Ich wollte das Zeitungsmachen – vom Text, über das Layout bis hin zum Druck – lernen. Bei welcher Zeitung spielte keine Rolle», erklärt Jack Stark. Er bekam seine eigene Kolumne «Mit Chasseur dabei», was so viel bedeutete wie «Mit dem Promijäger ­mitten drin». Analog zu den bekanntesten beiden Gesellschaftsreportern im deutschsprachigen Raum, dem «Hunter» der «Abendzeitung» in München und dem «Adabei» der «Kronen Zeitung» in Wien. «Das Wort Jäger mag ich nicht. Adabei ist die einzige richtige Bezeichnung. Ich war kein Promijäger, sondern eher ein Sammler. Denn ich habe die Promis nie in die Pfanne gehauen, sondern stets einen behutsamen und respektvollen Umgang mit ihnen gepflegt», betont Jack Stark. So erstaunt nicht, dass er das Vertrauen aller Stars und Sternchen der damaligen Zeit gewinnen konnte und es schaffte, während seiner lediglich zweijährigen Tätigkeit als vollamtlicher «Blick»-People-Journalist das Image der Boulevardzeitung aufzubessern. Es erstaunt ebenso wenig, dass Mäni Weber, der damals beliebteste Fernsehmann der Schweiz, es zuliess, dass Jack Stark die erste grosse Homestory bei ihm machte. Ein Format, das Jack Stark für die Fernsehzeitschrift «Tele», die er 1967 mitgründete und bis 1977 als deren Chefredaktor leitete, einführte. So besuchte er auch ­Peter Ustinov in seinem Zuhause in Bursins am Genfersee, Audrey Hepburn und ihren damaligen Ehemann Mel Ferrer in der Hotelsuite auf dem Bürgenstock und Charlie Chaplin im Garten seiner Villa in Corsier-sur-Vevey. «Da sass der 80-Jährige, der von mir so sehr bewunderte und verehrte geniale Filme­macher, in einem weissen Korbsessel und schlief. Eine Zeitlang genoss ich das stille Glück, das ich empfand, und verliess leise Garten und Haus. Was hätte ich den grossen alten Mann denn schon fragen können? Er hatte ja mit seinen Filmen längst alle Fragen dieser Welt beantwortet», sinniert Jack Stark.

Rollenwechsel für Udo Jürgens

Jack Stark besuchte auch Rudi ­Carrell in dessen Ferienhaus im spanischen Marbella, Maria Schell in Wasserburg am Inn, Romy Schneider in ihrer heimlichen Wohnung in ­Zürich-Höngg und Udo Jürgens bei dessen Familie in München. Dieser wurde zu einem langjährigen Freund und holte ihn nach einem Managerwechsel 1978 als Pressesprecher zu Freddy Burger Management. Bis 1985 war Jack Stark für die gesamte Kommunikation des Musikers zuständig, begleitete ihn zu Presseterminen, Plattenaufnahmen, Fernsehauftritten, Konzerttourneen und besuchte ihn erneut regelmässig bei seiner Familie, als der Künstler in Zumikon sesshaft wurde. Sozusagen als Nachbar, denn Jack Stark lebt selbst seit 1978 in Zumikon.

Nach sieben Jahren Tätigkeit als Pressesprecher hatte Jack Stark so viele Medienmitteilungen für seinen Freund Udo geschrieben, dass es ihn zurück zur Zeitung lockte: Nach ­einer einjährigen Zwischenstation beim «Brückenbauer», wo er von der Schreibmaschine auf den Computer umstellen musste, wurde er Ressortleiter Unterhaltung beim «Blick für die Frau» und arbeitete während seiner letzten sieben Jahre vor der Pensionierung beim «Sonntagsblick».

Stets ein «Normalbürger»

Trotz der regelmässigen Treffen mit Reichen und Schönen, trotz langer Nächte in Clubs mit Interviewpartnern, trotz Alkohol, der damals zu jedem Gespräch und zu jeder Feierlichkeit reichlich dazugehörte, hat Jack Stark den Realitätssinn nie verloren, ist nie «abgehoben». «Im Gegenteil. Ich war am liebsten zuhause – anfänglich in Zürich-Alt­stetten bei meiner Mutter, später in Zumikon bei meiner Frau und den drei Töchtern», betont Jack Stark, der seit 1982 keinen Tropfen Alkohol mehr trinkt. «Dass mich das Leben nie verändert hat, habe ich sicherlich auch meiner Erziehung zu verdanken. Natürlich ist es schön, eine Villa am See und ein Motorboot zu haben. Ich selbst brauchte diesen Luxus jedoch nie; ich durfte ja schöne Häuser besuchen und mit auf den See fahren.» (mp)

 

Das Buch von Jack Stark «Starks Blick – Stargeflüster aus dreissig Jahren Showbusiness» ist 2006 im Rüffer&Rub Sachbuchverlag Zürich erschienen.
Nationale und internationale Showgrössen von Hermann/Mäni Weber über Udo Jürgens und Maximilian Schell bis hin zu Céline Dion und Sean Connery gewährten dem Journalisten und Freund Einblicke in ihr Leben im selbstgewählten Rampenlicht. Einblicke, an die sich Jack Stark dank eines Griffs in die Fotokiste mit viel Witz und Charme erinnert.

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