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40/2018 Zollinger Stiftung Abschied von Defizitgarantie

Von adminZoZuBo ‒ 4. Oktober 2018

Abschied von der Defizitgarantie

Nach der kompletten Sanierung des Pflegezentrums Forch, dem Bau der Altersresidenz und den daraus resultierenden Mehrkosten in Millionenhöhe setzt innerhalb der Zollinger Stiftung ein Veränderungsprozess ein: Die Stiftung soll gemäss den Gemeindebehörden von Zumikon und Maur in eine grössere Selbstständigkeit geführt werden.

Der Gemeinderat Maur gab in seinem Verhandlungsbericht von Ende August bekannt, dass für den abtretenden Stephan Netzle, der den Stiftungsrat zwölf Jahre geleitet hat, neu Lothar Raif zum Präsidenten der Zollinger Stiftung gewählt wurde. Ebenfalls neu im Gremium ist Stephan Pahls, Ex-Gemeinderat in Maur und Gesundheitsspezialist. Die Maurmer Gemeindebehörde hat ihre Vierer-Delegation anstatt für die üblichen vier Jahre nur für deren zwei gewählt. Nach ihren eigenen Worten soll der in der Stiftung angestossene «Veränderungsprozess» nach der Definition des Sollzustandes möglichst rasch in eine allfällige Reorganisation umgesetzt werden und für mögliche Neubesetzungen im Rat bereit sein. Christian Dietsche, Gemeinderat und Vertreter Zumikons im Stiftungsrat, sagt dazu: «Wir haben uns für unsere drei Zumiker Stiftungsräte für die normale vierjährige Amtszeit entschieden, sind aber, sollte es zu Reorganisationen im Stiftungsrat kommen, jederzeit bereit, auch bereits vorher zurückzutreten.»

Angestossen hat diesen Veränderungsprozess innerhalb der Stiftung der zurücktretende Präsident Stephan Netzle: «Ich habe rund um den Umbau des Pflegeheims gemerkt, dass dem Stiftungsrat gerade im Bereich Bau und Unterhalt zusätzliche Kompetenz helfen würde.» Damit die Stiftung inskünftig fit sei, sei es unabdingbar, dass sich der Stiftungsrat den wachsenden Anforderungen an das Pflegeheim entsprechend aufstelle – deshalb dieser Veränderungsprozess. Zu diesen Anforderungen gehören gemäss Stephan Netzle neben den Kernkompetenzen in der Pflege/Medizin auch die Hotellerie, das Facility Management und Baufachwissen, das Personalmanagement mit Arbeits- und Vorsorgerecht, vertiefte Spitex-Kenntnisse und Marketing. Als eine der wichtigsten Kompetenzen erachtet er das Know-how in den Finanzen, im Speziellen im tariflichen Gesundheitsrechnungswesen, welches immer anspruchsvoller werde. Christian Dietsche sieht das genauso und fordert, dass starre Delegationen im Stiftungsrat aus den Gemeinden Zumikon und Maur in Form von Gemeinderäten, Parteimitgliedern oder sonstigen Interessensvertretern der Vergangenheit angehören und im Stiftungsrat nur noch Personen mit den genannten und geforderten Kompetenzen Einsitz nehmen sollen.

Leistungsvereinbarungen statt Defizitgarantien

Maurs Gemeindepräsident Roland Humm unterstreicht für seine Gemeinde, dass es letztlich das Ziel sein müsse, die Stiftung in die wirtschaftliche Selbstständigkeit zu führen, und zukünftig nur noch Leistungsvereinbarungen mit Zumikon und Maur ausgehandelt, anstatt Defizitgarantien ausgesprochen werden. Das geht in die gleiche Richtung, wie Zumikon die Zukunft des Pflegezentrums sieht, wie Christian Dietsche bestätigt. Die Reise der Zollinger Stiftung geht also in eine explizite Entpolitisierung und Professionalisierung des Kontrollgremiums Stiftungsrat, mit dem Ziel einer Verselbstständigung und langsamen Loslösung von der Gemeindeabhängigkeit. Die Aufgaben für das Führen eines Heimes werden deswegen nicht ­weniger – sie bleiben schwierig, ­gerade was die Finanzen und das Abrechnungswesen betrifft, wie aktuelle Fälle aufzeigen.

Keinen Fall Urdorf

Da ist der Fall Urdorf. Das dortige Pflegeheim hat während Jahren mit zu hohen Pensionsbeiträgen die Pflege quersubventioniert und ist jetzt vom Regierungsrat und dem Preisüberwacher dazu verknurrt worden, diese Beträge rückwirkend zurückzuerstatten und anzupassen. Offensichtlich sind, neben Urdorf, auch andere Heime mitbetroffen. Stephan Netzle und der neue Präsident Lothar Raif erklären aber, dass sie von einem solchen Fehlverhalten im Pflegezentrum der Zollinger Stiftung keine Kenntnis hätten und auch keine Nachzahlungen erwarten. «Im Gegenteil, wir haben ja während der Bauphase, in welcher die Bewohner Einschränkungen erleben mussten, die Tarife gesenkt und unsere Pensionsansätze liegen im kantonalen Durchschnitt», sagt Stephan Netzle.

Auch die aktuelle Diskussion über Krankenkassen, die von gegen 900 Schweizer Heimen Rückzahlungen für zu viel bezahlte Beträge fordern, ist bisher gemäss den Verantwortlichen für das Pflegeheim kein Thema. Lothar Raif: «Wir haben bis jetzt, bis auf eine Kasse, welche viele Heime angeschrieben hat, noch kein Ersuchen von einer Krankenkasse erhalten. Und in Übereinstimmung mit unserem Fachverband Curaviva gehen wir auf diese Forderung nicht ein.» Das sei genauso ein Thema, findet Christian Dietsche, wo aufgezeigt werde, dass auf ein Heim wie das «Pflegezentrum» komplexe Themen zukämen, welche nur von einem kompetenten Stiftungsrat reflektiert werden könnten. Nach dem Zumiker Gemeinderat soll künftig der Stiftungsrat sein Verhältnis mit den Gemeinden regeln und nicht umgekehrt.

Beziehungskrise?

Die Zollinger Stiftung, als Joint Venture von Maur und Zumikon (60%: 40%), hat über 30 Millionen investiert und steht der Bevölkerung beider Gemeinden zur Verfügung. «Aus der Stiftergemeinde Zumikon aber», so bedauert der scheidende Präsident Stephan Netzle, «würden wir aber durchaus gerne mehr ­Bewohnerinnen und Bewohner begrüssen.» Ein Unterton von Verstimmung ist darin zu hören. Differenzen zwischen Zumikon und Maur will Roland Humm aber diplomatisch ausschliessen. Im Gespräch, auch mit Aussenstehenden, wird indessen klar, dass sich Zumikon mehr zu den Seegemeinden hin orientiert und das Pflegeheim «hinter dem Hügel» nicht so wie die ­Bevölkerung in Maur wahrnimmt. Lothar Raif sagt dazu: «Das Pflegezentrum steht auf Maurmer Boden und hat wohl deshalb alleine durch die örtliche Nähe eine integrativere Wahrnehmung in Maur als in Zumikon.»

Zwischen den Zeilen hört man in Gesprächen heraus, dass in Zumikon das Zentrum eher als Kostenfaktor, denn als ein Standortvorteil gesehen wird. Dass Zumikon mehr auf Zürich und die Seegemeinden fokussiert ist, belegt auch sein Pflegekonzept mit Küsnacht und Zolli­kon zusammen. Ein solches Pflegekonzept mit anderen Gemeinden kann sich auch Lothar Raif vorstellen, dies müsse allerdings zunächst die Politik regeln. Er fügt hinzu, dass man immer im Gespräch sei und auch solche gemeindeübergreifenden Konzepte in die Diskussion gehörten. Der Wettbewerb fördere solche Allianzen, erwähnenswert sei das das Beispiel des gelungenen Zusammenschlusses der lokalen Spitex von Egg, Fällanden, Zumikon und Maur im Pflegezentrum. Dieser nutze nicht zuletzt bei der Administration und damit auch bei den Finanzen hilfreiche Synergien.

Herausforderung Finanzen

Die Finanzen seien und blieben eine grosse Herausforderung. Deshalb, so Lothar Raif, selber ein ­Finanzfachmann, seien beispielsweise auch die Vermietungen in der noch nicht vollständig belegten Altersresidenz ein wichtiger Faktor. Wenn auch strikt genommen in der Residenz nur Alterswohnungen zugelassen sind, so zeigt man sich überall bei den Verantwortlichen überzeugt, dass eine Vollauslastung allenfalls auch mit Vermietungen über diesen Zweck hinaus sinnvoll ist. Natürlich, wie betont wird, immer unter der Berücksichtigung der prioritären Behandlung von Nachfragen aus den beiden Trägergemeinden. Der neue Präsident zeigt sich jedoch optimistisch, dass das Zentrum in diesem Jahr eine schwarze Null schreiben und die Altersresidenz im nächsten Jahr voll vermietet sein wird.

Aussenstehende Immobilienvermarkter sind hier aber nicht so euphorisch und betonen, dass sich das Wohnen im Alter ganz grundlegend verändert hat und Senioren eher in urbanen Zentren wohnen möchten als mit Sicht auf ihre mögliche Endstation. Stephan Netzle verneint dies auch nicht und glaubt, dass man in der damaligen Planung und aufgrund der langen Listen von Interessierten diese Entwicklung zu wenig vorausgesehen hat.

Die Weichen werden gestellt

So oder so, die Residenz bleibt für die Zollinger Stiftung ein Klumpenrisiko, weil die Alterswohnungen aufgrund von Todesfällen oder Verlegungen ins Pflegeheim naturgemäss weniger lang vermietet werden als normale Wohnungen und sich in diesem Markt weltweit immer mehr Anbieter tummeln. Es gibt – wie Lothar Raif darauf hinweist – einige Firmen, welche solche Alterswohnungen betreiben, und die Zollinger Stiftung hat auch schon von solchen Firmen entsprechende Anfragen erhalten. Dies ergebe für die zukünftige Ausrichtung  Optionen. Der neue Präsident hat sich für den Stiftungsrat auf jeden Fall ins Pflichtenheft geschrieben, die Marktentwicklungen im Auge zu behalten und zu analysieren, Die Weichen in die Zukunft werden also gerade gestellt und die Stiftung in eine neue Verantwortung geschickt. Eine Verantwortung, welche auch die erlebte massive Kostenüberschreitung der Sanierung wohl bei zukünftigen Bauvorhaben eher verunmöglichen wird, wie man glaubt. Über dieses vergangene Kapitel hält man sich überall bedeckt und verweist darauf, dass man gar keine andere Möglichkeit gehabt habe. Nur Christian Dietsche redet Klartext: «Das war eine politische Farce und eigentlich hätte die Kostenüberschreitung mittels eines Nachtragskredites bei den Bürgern abgeholt werden müssen.» Die Baukostenabrechnung ist an der damaligen Zumiker Gemeindeversammlung abgelehnt und in Maur nur mit ­vielen Gegenstimmen genehmigt worden.

Die Wege in eine eigenständige Zukunft der Stiftung sind aber mit der nun abgeschlossenen Bautätigkeit freigegeben und damit ist auch die Eigenwirtschaftlichkeit der Stiftung eingeleitet. Dessen ungeachtet wird das Pflegezentrum sich jedoch nicht gänzlich von den beiden Gemeinden lösen können; darin sind sich alle einig und auch darin, dass es neben den Finanzen die grösste Herausforderung sein wird, die richtige Balance einer humanen und professionellen Pflege mit den gegebenen ökonomischen Rahmenbedingungen zu finden. Die Bewohnenden des Zentrums sind auch die Kunden und deren Zufriedenheit mit dem Zentrum wird, so Lothar Raif, in den nächsten Tagen wieder einmal ausgewertet. (chl)

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