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4/2019 Coworking: Ja. Aber…

Von adminZoZuBo ‒ 24. Januar 2019

Coworking: Ja. Aber …

Marc Bohnenblust schrieb die vielfältigen Ideen der Workshops nieder. (Bild: bms)

Auf Initiative des Gemeinderats wird die Nachfrage nach Gemeinschaftsbüros in Zumikon ausgelotet.

Coworking Spaces boomen. Allerorten werden Gemeinschaftsbüros eröffnet, in denen Selbstständige und/oder Arbeitnehmer die notwendige Infrastruktur wie WLAN, Konferenzraum oder Kopierer finden. Ab Ende des Monats fährt sogar die MS Limmat als Coworking-­Ship auf dem Zürichsee. In vier Stunden können 24 Coworker von Zürich nach Rapperswil und retour fahren und schaukelnd in der Zeit in aller Ruhe arbeiten.

Auch Zumikon möchte diesen Trend nicht verpassen. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte der Gemeinderat mit der Genossenschaft VillageOffice das grösste Schweizer Beratungsunternehmen der Branche beauftragt, um zunächst einmal den Bedarf in Zumikon auszuloten. Insgesamt 80 Persönlichkeiten der Gemeinde waren daraufhin mit einem Online-­Fragebogen interviewt worden. 65 Antworten waren eingegangen, was einer Rücklaufquote von mehr als 80 Prozent entspricht – ein sehr hoher Wert. Im zweiten Schritt wurden nun vergangene Woche alle Interviewpartner eingeladen, um weitere Schritte auf dem Weg zum Coworking in Zumikon zu gehen. Dabei machte Gemeindepräsident Jürg Eberhard in seiner Begrüssung klar: «Die Gemeinde wird nicht als Anbieter fungieren. Wir können Räume zur Verfügung stellen und eine Anschubfinanzierung in Aussicht stellen. Die Idee muss sich aber irgendwann selber tragen.»

Belebung des Dorfes

Wie so eine Idee umgesetzt werden kann, demonstrierte der Imagefilm, den Remo Rusca von VillageOffice den rund 50 Interessenten zeigte: Ein Mitarbeiter einer grossen Firma schwärmt davon, nicht mehr jeden Tag mehr als zwei Stunden mit Fahrzeit zu verbringen. Sein Unternehmen hat ihm ein Coworking-­Arbeitsplatz gemietet, den er innert 15 Minuten mit dem Velo erreicht. So bleibe ihm mehr Zeit für Sport und Familie, überdies würde er in seinem Dorf einkaufen, zum Coiffeur gehen oder den Optiker auf­suchen. All das habe er vorher an seinem Arbeitsort fern seines Wohnorts erledigt.

Das entspricht genau der Idee von VillageOffice: Gemeinden profitieren von der Digitalisierung der Arbeitswelt. Ein Gemeinschaftsbüro belebt den Ortskern, generiert lokale Wertschöpfung, reduziert Pendlerströme und bringt mehr Lebensqualität. Die Genossenschaft arbeitet am Erstellen eines Netzwerks an Coworking Spaces im Franchise-­System, das in Zukunft 1000 Standorte aufweisen soll. «Das heisst, ich finde unterwegs allerorten einen Coworking-­Arbeitsplatz, den ich benutzen kann?», wollte Gemeinderat Marc Bohnenblust genau wissen. «Jein», so die Antwort von Remo Rusca. Das hänge vom Abo ab, das bei VillageOffice gelöst ­werden muss. Zwischen 400 und 700 Franken kostet das im Monat. Im Kirchgemeindesaal machte sich Skepsis breit. Braucht man eine ­Genossenschaft? Ein Franchise-Unternehmen?

Pendeln verursacht Stress

Auf der anderen Seite beeindruckten die Zahlen von Remo Rusca auch: 7 von 10 Pendlern verlassen ihre Wohngemeinde, um zur Arbeit zu gelangen. Pendeln verursacht erwiesenermassen Stress. Und allein die Zumiker legen für ihren Arbeitsweg fast 30 000 Kilometer zurück. Jeden Tag. Das ist viel Energie, das ist viel CO2. Dabei müsse die Mobilität bei den Daten liegen – nicht bei den Menschen. Es gibt also gute Gründe für Coworking Spaces. Die Faszination der Idee griff um sich, umso mehr als bei vier Workshops die Teilnehmer ihre Visionen, Ideen, Vorstellungen zu Papier bringen konnten. Dabei wurde nicht transparent gemacht, dass bei diesen vier Gruppen auch jeweils Mitarbeiter von VillageOffice fleissig Ideen generierten, was einigen der Teilnehmer aus Zumikon sauer aufstiess.

Die Ideen, die von Thomas Epprecht, Marc Bohnenblust, Jürg Eberhard und Remo Rusca niedergeschrieben wurden, waren vielfältig. Coworking Spaces könnten mit Kinderbetreuung angeboten oder generationenübergreifend geplant werden, ganz flexible Arbeitszeiten seien möglich, Selbstständige könnten Synergien finden. Und genau auf diese Selbstständigen fokussierte sich die Diskussion. «Wenn ich eine Firma habe, will ich, dass meine Angestellten bei mir arbeiten. Da richte ich nicht noch einen weiteren Arbeitsplatz ein», kritisierte Schulpflegerin Doris Graf.  Aber genau die Selbstständigen, die vom Coworking profitieren können, die gibt es in Zumikon. Wer stets im Homeoffice arbeitet, hat dabei oft zwei Probleme: Vereinsamung und mangelnde Selbstdisziplin. Es fehlen also auf der einen Seite soziale Kontakte, auf der anderen Seite gibt es immer noch Dinge, die so rasch dazwischen gemacht werden müssen. Wer auch nur einen kurzen Weg zur Arbeit gehen muss, definiert damit eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit. «Obwohl ich zu Hause arbeite, gehe ich morgens kurz durch die Nachbarschaft und simuliere so einen Arbeitsweg», berichtete etwa ein Zumiker. Von ihm gab es ein klares Plädoyer für ein Coworking-­Angebot.

Gründung einer Spurengruppe

In einem zweiten Schritt geht es nun darum, eine sogenannte Spurengruppe zu gründen, die das Ziel näher umreissen kann. Zu ihren Aufgaben gehört auch, passende Räumlichkeiten zu finden. Und mit dem alten Pfarrhaus, für das aktuell ein Mieter gesucht wird, drängt sich da eine Option fast auf: Ist es doch perfekt mit dem ÖV zu erreichen, mit dem Chinderhuus ist die Kinderbetreuung möglich, zudem sind Parkplätze vorhanden und Einkaufsmöglichkeiten für die Verpflegung ebenfalls. So wie es bei der Diskussion auch immer wieder um die Belebung des Dorfplatzes ging, ist ein Coworking-­Angebot nicht die einzige Möglichkeit, sondern eine von mehreren. Wie sich dieser entwickeln könnte, darüber diskutiert die Gemeinde anfangs März. (bms)

 

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