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18/2019 Eine zweite Werkstatt in Havanna

Von adminZoZuBo ‒ 2. Mai 2019

Eine zweite Werkstatt in Havanna

Ferdinand Stemmer in seiner heimischen Werkstatt in Zumikon. Von hier aus hat er das notwendige Werkzeug mitgenommen. (Bild: bms)

Der Zumiker Orgelbaumeister Ferdinand Stemmer hat auf Kuba eine Orgel aus dem Jahr 1856 wieder zum Klingen gebracht.

Ein bisschen verzückt sieht Ferdinand Stemmer immer noch aus, wenn er von «seiner» ­Orgel in Havanna erzählt. Er ist gerade zurück aus Kuba, wo er in den vergangenen Jahren eine alte Orgel restauriert hat, von der niemand wusste, wie sie klingt. Um es vorwegzunehmen: «Sie hat jetzt einen wunderschönen und ganz vollen, warmen Klang», schwärmt der Zumiker Orgelbauer. Gleich mit drei Konzerten wurde die Merklin-­Schütze-Orgel aus dem Jahr 1856 feierlich eingeweiht. Fast immer schon hat sich Ferdinand Stemmer um Sorgenkinder gekümmert. Um kaputte und vergessene Orgeln. Als «Pfeifen-Doktor» war er in der ganzen Welt unterwegs und gründete nebenbei die Schweizerische Stiftung für Orgeln in Rumänien. Noch immer werden dort Lehrlinge ausgebildet, die finanzielle Unterstützung aus der Schweiz ist mittlerweile nicht mehr nötig. Durch diese Arbeit hatte er auch den Konzertorganisten und Orgelsachverständigen Martin Rost kennengelernt, der in Havanna Organistenschüler ausbildete. Als Ferdinand Stemmer aus Luzern die Nachricht erhielt, dass das dortige St. Anna Spital eine Orgel ausgemustert habe, die gratis zu bekommen sei, dachte er sofort an Martin Rost. «Eine zweimanualige, spielbare Pfeifen-Orgel gab es in ganz Havanna, ganz Kuba nicht», erinnert sich der Zumiker.

Treffen mit Ortega

Er traf sich mit dem damaligen Erzbischof Ortega, der Kuba ja öffnen wollte, und dieser sagte spontan zu, die Transportkosten zu übernehmen. Im November 2014 kam die Orgel im Hafen von Havanna an und der Container lag zwei Monate dort in brütender Hitze. «Eigentlich hatte ich auch noch Schokolade mit in den Container packen wollen. Das habe ich wohlweislich nicht gemacht», schmunzelt Ferdinand Stemmer. Zum Schmunzeln war ihm allerdings gar nicht zumute, als die Orgel aufgebaut wurde. «Das Leder zerfiel wie Papier.» Es gab also viel zu tun für den Doktor. Doch die grössere Herausforderung kam erst noch: eben die Restaurierung der Merklin-Schütze-Orgel. Der Orgelbauer erhielt vom deutschen Kulturministerium den Auftrag im Rahmen des Kulturerhaltprogramms und übernahm die für Kuba erste Restaurierung einer Orgel überhaupt. Im November 2017 nahm Ferdinand Stemmer mit drei kubanischen Helfern die Arbeit auf. Die gesamte Orgel musste abgebaut und in einer anderen Kirche aufgebaut werden. Tausende von Teilen galt es zu beschriften. Alle drei Monate musste der Schweizer das Land verlassen, weil er nur ein Touristenvisum hatte. «Aber ich wusste genau, welches Werkzeug und Material ich für die nächste Reise einpacken musste», erinnert er sich noch. Mittlerweile habe er schon eine komplette zweite Werkstatt in der kubanischen Hauptstadt. «Man bekommt zweifelsohne tollen Rum und tolle Zigarren. Wer einen ­Hobel haben will, hat Pech», umschreibt er die Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort. Es sei traurig, die Armut zu beobachten. Die Bestechungen zu registrieren. Aber Ferdinand Stemmer glaubt auch, dass es irgendwann eine Revolution von unten geben wird. Er wünscht es dem Land und den Leuten, in dem er schon ein bisschen heimisch ist. «Obwohl einem die zehn Stunden Flug – vor allem der Rückflug – schon ganz schön zu schaffen machen», räumt er ein.

Nachtarbeit am Wochenende

Zu schaffen machte ihm auch das sogenannte «Trompeten-Register». Das war einfach total kaputt. Unrettbar. «Wir haben es im Februar verpackt, und im November wurde es dann endlich zur Reparatur abgeholt.» Erst acht Tage vor der Einweihung kam das Paket zurück. «Das hiess Nachtarbeit, auch am allerletzten Wochenende», erinnert sich der 71-Jährige. Schon in den 70er Jahren war die 11-Register-Orgel vollständig verstummt. Der Grund: fehlende Pflege und Störungen in der Technik. Im Oktober wird Ferdinand Stemmer das nächste Mal in Havanna sein und sich davon überzeugen, dass das historische Instrument wieder gehegt wird. (bms)

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