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37/2019 Interkulturelles Malatelier

Von adminZoZuBo ‒ 13. September 2019

Wenn der Kollege zum Pinsel greift

Auch Benjamin Belser und Haynal Miklos, die die Jugendlichen während der Zeit in Zollikon begleitet haben, griffen gerne zum Pinsel. (Bilder: bms)

Im interkulturellen Malatelier wird nichts bewertet oder beurteilt: Die Kinder aus Syrien und Zollikon lassen einfach die Farben sprechen.

Der Anblick ist überraschend und berührend gleichermassen. Da stehen vier Jungs. Die Haare sind gestylt, die Klamotten cool. Flaum bringt ein bisschen Schatten auf die Wangen. Man kennt sich mit Namen, spricht sich aber mit «Alter» oder «Kollege» an. Sie stehen im Malatelier des Familienclubs, tauchen die Pinsel in kunterbunte Farben und wenden sich dann ihren weissen Blättern zu, die an die Wand gepinnt sind. Es fallen kurze Sätze auf Arabisch, dann ermahnen sich die Jungs selber: «Wir müssen deutsch reden.»

Das Quartett war an die Auftaktveranstaltung der interkulturellen Malnachmittage nach Zollikon gekommen. Zollikon war einst ihre Wohngemeinde, hier sind die jungen Syrer neun Monate zur Schule gegangen, haben die Sprache so gut, wie es ging, erlernt, haben eine neue Kultur erfahren. Mittlerweile leben sie über den Kanton verteilt und vermissen sich offenbar.

Schön, aber anstrengend

Möglich wurde das Malatelier durch eine Zusammenarbeit zwischen dem Zolliker Kulturkreis und dem Ortsmuseum. Die Einnahmen aus einer Verkaufsausstellung mit ­Werken von René Scheidegger in der Villa Meier-Severini waren in das Integrationsprojekt geflossen. Auch Brigit Belser, Leiterin der Oescher-­Schule, kommt ins erste Malatelier, um nach «ihren» Jungs zu schauen. «Ich habe damals gerne den Auftrag des Kantons entgegengenommen, diese Flüchtlingskinder in der Schule aufzunehmen. Es war eine schöne, aber auch eine sehr anstrengende Zeit», erinnert sie sich. Die Kinder hatten ihr erzählt, was Schule für sie in den libanesischen Auffanglagern bedeutet hatte: eingesperrt in einem Raum zu sein mit einem Lehrer, der Tee trinkt oder schlägt. Auch die Sprachbarriere habe immer wieder zu Problemen geführt. Dabei sei es vielleicht auch nicht richtig gewesen, die Kinder in eigenen, separierten Klassen zu unterrichten. 

Gute Erinnerungen an Schulzeit

Auch ein Mädchen aus Zollikon ist heute gekommen, um künstlerisch tätig zu werden. Zugegeben: Die Gruppe ist klein, dafür ist das Wetter aber auch einfach zu gut. Es ist vielleicht der letzte Badi-Tag der Saison. «Vielleicht kommen ja das nächste Mal auch die Schwestern der Jungs mit», hofft Mirjam Bernegger, Leiterin des Ortsmuseums. Vielleicht mussten die Brüder erst einmal die Seriosität des Angebots prüfen. «Eventuell müssen wir noch besser kommunizieren, dass wir die Kinder auch abholen und wieder nach Hause bringen würden», überlegt Mirjam Bernegger. Genau wie Brigit Belser hält sie sich ganz diskret im Hintergrund. Die Besucher sollen sich nicht beobachtet fühlen, werden nicht mit Fragen überschüttet.

Als Haynal Miklos erscheint, wird sie spontan vom jüngsten Teilnehmer umarmt. Sie war damals die Lehrerin der Kinder und wird herzlich willkommen geheissen. Offenbar steht sie für gute Erinnerungen. Auf den Blättern sind mittlerweile die unterschiedlichsten Werke entstanden. Mal wird ganz konkret gemalt, dann wieder figürlich. Gegensätze prallen aufeinander. Das dort könnte ein Fussballstadion sein, das ein Riegelhaus. Alexandra Gysling geht herum, hilft, wäscht Pinsel aus. Die Kunsttherapeutin weiss, wie sehr Malen helfen kann, sich selber und seine Gefühle auszudrücken. Hier wird nichts beurteilt oder bewertet, auch nicht interpretiert. Die Bilder entspringen spontan der Fantasie. In der geborgenen Atmosphäre des Ateliers sollen sich die Kinder frei ausdrücken können – die Sprache der Farben ist international. Dabei wird heute auch viel gesprochen. Die ehemaligen Mitschüler haben sich lange nicht gesehen. «Spielst du noch Fussball?», will einer wissen. «Nee. Ich mach jetzt Kickboxen», lautet die Antwort. «Wow. Ich Kung-Fu», geht der Dialog weiter. Dann wird wieder getupft, gestrichelt, getropft und ausgemalt.

An sechs weiteren Nachmittagen wird beim Familienclub gemalt. 
Es hat noch jede Menge weisses Papier. (bms)

Anmeldungen unter 079 625 59 61, 
www.malspielraum.ch/kurse/interkulturelles-malen.

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