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42/2019 Persönlich Roman Ribi

Von adminZoZuBo ‒ 17. Oktober 2019

«Sicherheitsvorschriften bei der Arbeit sind keine Schikane»

«Stopp zu sagen, ist kein Recht, es ist eine verdammte Pflicht.» Der Zolliker Bauleiter Roman Ribi besucht für die neuste Präventionsaktion der Suva Baustellen und will herausfinden, warum es dort immer wieder zu schlimmen Unfällen kommt. Wichtig dabei sei unter anderem, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

Nicht selten ist von tragischen Unfällen auf Baustellen zu hören und zu lesen. Arbeiter, die in eine Grube fallen, die verschüttet oder von einer Last erschlagen werden, sind nur einige der Vorfälle, die von einer Sekunde auf die nächste ein Leben verändern oder gar beenden. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt Suva setzt sich seit mehr als 100 Jahren für die Sicherheit der Arbeitnehmenden ein – einerseits mit Schutzvorrichtungen an Maschinen, aber auch mit Aufrufen, die sich direkt an die Angestellten richten. «Ribi on Tour» heisst ihre jüngste Präventionsmassnahme, in welcher der in Zollikon tätige Bauleiter Roman Ribi mit einem Kameramann Baustellen besucht. Weshalb es trotz allseits bekannten lebenswichtigen Regeln noch immer so viele Tote und Schwerverletzte gibt und was er dabei selber gelernt hat, erzählt der Bauleiter im Interview.

Herr Ribi, Sie sind selbstständiger Bauleiter mit jahrelanger Erfahrung. Haben Sie selbst schon einen schlimmen Arbeitsunfall auf einer Baustelle gehabt oder miterleben müssen?

Selber habe ich zum Glück nie ­einen schlimmen Unfall erlebt. Als ich als Selbstständiger angefangen habe, kam es aber gleich auf einer grossen Baustelle in Küsnacht zu einem Unfall. Beim Bau einer Rolltreppe stürzte ein Arbeiter in die Tiefe – trotz Absperrzaun. Er erlitt dabei mehrere Knochenbrüche. Auf derselben Baustelle kam es wenig später nochmals zu einem Unfall, als ein anderer Arbeiter am Kopf von einer Last getroffen wurde und ebenfalls ins Spital musste. Eine Baustelle, zwei Krankenwagen, das hatte ich bisher noch nie erlebt. 

Für die Suva machen Sie sich in kleinen Filmbeiträgen auf deren Webseite für das Thema Sicherheit stark. Wie ist es dazu gekommen? 

Ich spiele in meiner Freizeit gerne Theater und bin daher auf verschiedenen Castingseiten angemeldet. Meine Freundin hat mich auf das Projekt der Suva aufmerksam gemacht, die jemanden aus der ­Baubranche suchte als Botschafter für die Prävention. Gesucht hatten sie eigentlich einen Neubau-Baustellenleiter, was ich ja gar nicht bin. Dass sie sich dann doch für mich entschieden haben, hat mich natürlich umso mehr gefreut. 

Sind denn Neubauten und Umbauten so unterschiedlich?

Total – es sind zwei komplett unterschiedliche Paar Schuhe. Beim Neubau gibt es zig Sachen, mit denen ich bisher noch nie in Berührung kam. Das ist für mich aber umso spannender, weil ich so selber sehr vieles dazulerne. Natürlich gibt es aber auch viele Gemeinsamkeiten bei Neu-­ und Umbau. Und beiden ebenfalls gemeinsam ist natürlich der Aspekt der Sicherheit: Hier heisst es hinschauen und die lebenswichtigen Regeln, welche die Suva für verschiedenste Berufe entwickelt hat, stets zu beachten. Sicherheitsvorschriften bei der ­Arbeit sind keine Schikane – sie helfen, die Gesundheit und das ­Leben aller auf der Baustelle tätigen Personen zu schützen. 

Können Sie die Frage der Präventionskampagne denn nun beantworten: Warum passieren immer noch so viele Unfälle auf Baustellen?

Die gerade erwähnten lebenswichtigen Regeln sind das Hauptthema. Die Suva hat sie für ganz unterschiedliche Berufe entwickelt, denn ein Dachdecker hat andere zu befolgen als beispielsweise ein Tiefbauarbeiter. Diese Regeln gibt es zwar, ihnen wird aber oftmals zu wenig Beachtung geschenkt. Genau darum geht es in der Kampagne: Wir wollen auf diese aufmerksam machen, und zwar so, dass sie auf allen Hierarchiestufen bekannt sind und natürlich auch umgesetzt werden.

Hierfür führen Sie in den Kurzbeiträgen Interviews mit ganz unterschiedlichen Personen auf der Baustelle, die selber schon Unfälle erlebt oder miterlebt haben. Ging Ihnen ein Schicksal besonders nah?

Da könnte ich mehrere aufzählen. Besonders tragisch fand ich die Geschichte eines Geschäftsführers ­eines Unternehmens von Indus­triekletterprofis, die sich für Bauunternehmen und Private in unwegsame Höhen – und auch Tiefen – begeben. Er erlitt einen schweren Arbeitsunfall, als er mit einer ­Maschine acht Meter durchs Dach stürzte und sich dabei schwer am Fuss verletzte, den er später amputieren musste. Auch unter die Haut ging mir die Geschichte eines Baufachmanns, der mir erzählte, wie er bei einer Familie klingeln musste, um mitzuteilen, dass der geliebte Vater und Mann tödlich verunfallt ist. Als die Frau die Türe öffnete und den Chef ihres Mannes vor sich stehen sah, wusste sie sofort, was passiert war. Unvorstellbar, wie schlimm das für alle Beteiligten sein muss. 

In den Beiträgen erwähnen Sie immer wieder, wie wichtig es ist, Stopp zu sagen auf einer Baustelle. Es sei keine Mutprobe, kein Recht, sondern eine Pflicht. Erzählen Sie. 

Gerade bei einem Neubau arbeiten die unterschiedlichsten Firmen zusammen. Da sind Elektriker vor Ort, Plattenleger, Sanitäre. Da getraut sich kaum einer, es einem anderen zu sagen, wenn er sieht, dass dieser nicht genügend gesichert ist oder keine Schutzkleider trägt. Auch innerhalb derselben Firma geschieht dies teils wegen interner Hierarchiestufen kaum. Das darf aber nicht sein: Wem etwas auffällt, der muss «Stopp» rufen – ganz egal, welche Position er hat. Es geht hier um Menschenleben und um nichts Anderes. Was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit enorm schwierig. 

Was haben Sie sonst gelernt bei Ihren Aufnahmen? 

Wie viele der tödlichen Sturzunfälle aus einer vermeintlich nicht sehr spektakulären Höhe von zwei bis vier Metern Höhe passieren: Es sind über 50 Prozent, das fuhr mir sehr ein. Eine Höhe also, die man auch schnell einmal im Alltag erreicht, beispielsweise beim Montieren ­einer Lampe. Dessen sollte man sich immer wieder bewusst sein. Und ganz generell ist mir wieder einmal klar geworden, wie wichtig der gesunde Menschenverstand ist. All die Gefahren sind mir viel bewusster geworden. Schwarzmalen will ich nicht. Aber es kann wirklich so schnell etwas passieren. Und für dieses Sensibilisieren bin ich dankbar.

Für die Suva stehen Sie vor der Kamera, für die Theatergruppe Zollikon auf der Bühne – erst gerade kürzlich mit dem Stück «Die zwölf Geschworenen». Wie sehr brauchen Sie das Scheinwerferlicht? 

(Überlegt und lacht dann herzhaft) Ich brauche es schon! Ich stehe gerne vor Leuten, rede gerne, teile mich gerne mit. Allgemein bin ich einer, der gerne anpackt und etwas bewegt – das bin ich.

In welche Rolle würden Sie besonders gerne einmal schlüpfen? 

Ein Kommissar in einem «Tatort» würde mich reizen. Auch habe ich noch ein weiteres Projekt angedacht, spruchreif ist dieses aber noch nicht. (Interview: mmw)

www.suva.ch/ribi

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