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Mit der Gemeindepolizei auf Nachtpatrouille

Von Melanie Marday-Wettstein ‒ 9. Januar 2020

Vom Einbruchalarm bis zum «entenähnlichen Vogel»: Während der Nachtpatrouille erleben die Gemeindepolizisten so einiges. Was, das durften wir in einer Nachtschicht, Seite an Seite mit den Gesetzeshütern erfahren.

Warm eingepackt in der dunkelblauen Polizeiuniform, schwarzen Stiefeln und ausgerüstet mit dem Gurt mit allerlei Equipment wie Handschellen, Pfefferspray und Waffe steht Manuela Sereinig auf dem Zolliker Polizeiposten bereit. Es ist Montagabend kurz vor 19 Uhr, die zweitletzte Nacht des Jahres 2019 beginnt. Sie ist klar und kalt. Ob sie auch ruhig wird? Erste Feuer­werkskörper am Himmel, die verbotenerweise bereits am Vorabend des Silvesters gezündet worden sind, lassen es bezweifeln.

Es sei im Voraus kaum abzuschätzen, wie die Schicht verlaufen werde, sagt die Zolliker Gemeindepolizistin: «Am zweiten Weihnachtstag hatten wir zum Beispiel keine ruhige Minute.» Sogar zu einem First-Responder-Einsatz seien sie gerufen worden. Für Gemeindepolizisten ist die Rolle als Ersthelfer bei Notfällen immer noch neu. Erst seit einem Jahr sind ihre Polizeiposten an die Notrufzentrale angehängt und ihre Autos mit Defibrillatoren ausgestattet.

Ein weisser Kastenwagen fährt beim Zolliker Posten an der Bergstrasse vor. Am Steuer sitzt der Küsnachter Gemeindepolizist Harry Wirz, der seine Kollegin abholt. Auf Nachtpatrouille geht es immer zu zweit in stets wechselnden Kombinationen. Während am Tag die Zolliker Polizei mit jener aus Küsnacht und Zumikon im Verbund zusammenarbeitet, spannen in der Nacht sämtliche Gemeindepolizeien des Bezirks Meilen sowie jene von Egg zusammen.

Mit Blaulicht, aber ohne Horn

Manuela Sereinig und Harry Wirz treffen an diesem Montag nicht zum ersten Mal aufeinander – die Nachtdiensthabenden sind jeweils auch schon am Morgen von 7 bis 12 Uhr zusammen unterwegs. Der Nachmittag ist zur Erholung da, bevor es dann um 19 Uhr wieder losgeht. «Mit dem Fahren wechseln wir uns ab», sagt Harry Wirz. Am Morgen sass seine Kollegin am Steuer, während er die Meldungen der Einsatzzentrale entgegennahm, nun nimmt Manuela Sereinig auf dem Beifahrersitz Platz. Der Kontakt zur Einsatzzentrale ist dann auch der erste, den sie herstellt, bevor die Fahrt losgeht: «Patrouille 9371 im Einsatz.» So melden sich die beiden Polizisten, die während dieser Nacht für Sicherheit und Ordnung im Bezirk Meilen zuständig sind, zum Dienst.

Als erstes steuert Harry Wirz das Polizeiauto zum privaten Wohnsitz einer ausländischen Diplomatin in Zollikon. Es soll überprüft werden, ob alles in Ordnung ist, was reine Routine sei. Kaum sind sie am Ziel angekommen und haben das Haus überprüft, meldet sich aber die Einsatzzentrale: «Alarm in einem Wohnhaus an der Schlossbergstrasse.» «Verstanden!» Die Patrouille 9371 fährt mit Blaulicht, aber ohne Horn los. «Wir wollen die Einbrecher ja überraschen», erklärt der Küsnachter Polizist, den der Alarm nicht aus der Ruhe bringt. Kurze Zeit später preschen die beiden aus dem Kastenwagen. Zeit, zusätzliche Sicherheitskleidung zu montieren oder weiteres Material mitzunehmen, bleibt keine. Aus diesem Grund sind die Polizisten von Beginn der Patrouille an komplett ausgerüstet. Während die Reporterin aus Sicherheitsgründen im Auto wartet, suchen die beiden Polizisten von aussen das Haus ab. «Jede Situation hat ihr Standardverhalten», wird Harry Wirz später erzählen. Im Falle eines möglichen Einbruchs ist vorgesehen, das Haus von aussen nach Einbruchspuren zu überprüfen. Sind solche erkennbar, wird zusätzlich ein Hundeführer aufgeboten für den Fall, dass der Einbrecher noch im Haus ist.

Beim Haus an der Schlossbergstrasse sind keine Spuren sichtbar. Die beiden Gemeindepolizisten sind mittlerweile nicht mehr alleine vor Ort – nur sechs Minuten nach ihrem Eintreffen ist auch eine Patrouille der Kantonspolizei da. Zu viert nun suchen sie das Haus ab und bieten den Schlüsselträger – einen Mitarbeiter der Securitas – auf, der ihnen Zugang zum Objekt verschafft, da die Bewohner nicht anwesend sind. Gemeinsam sehen sie sich nun im Hausinnern um – einen Einbruch können sie aber nicht feststellen. «Wohl ein falscher Alarm», bilanziert Manuela Sereinig. Warum der Alarm von der Anlage ausgelöst wurde, weiss niemand. «Vielleicht war der Wind schuld». Dem Hauseigentümer wird der Einsatz der Polizei in Rechnung gestellt werden, da es sich um einen falschen Alarm handelte.

Als nächstes geht es ein paar Häuser weiter. Als die Polizisten im Einsatz waren, hat eine Anwohnerin die Gelegenheit genutzt, um eine offenstehende Balkontür beim Nachbarshaus zu melden. «Vielleicht können Sie dort mal nachschauen», hat sie zu ihnen gesagt. Dass sie während eines Einsatzes aufgesucht und angesprochen werden, sei kein Einzelfall, sagt Manuela Sereinig. «Einigen kommt etwas in den Sinn, das sie der Polizei einmal mitteilen wollten, und sie packen die Möglichkeit beim Schopf.»
Die beiden Gesetzeshüter gehen der Bitte nach und überprüfen das Mehrfamilienhaus. Anwesend ist niemand, doch wird klar, dass in der Wohnung mit der offenen Balkontüre zurzeit umgebaut wird. «Wahrscheinlich hat ein Handwerker vergessen, die Türe zu schliessen», mutmasst Harry Wirz. Der Zugang zur Wohnung bleibt den Polizisten verwehrt, den Vorfall melden sie aber der Einsatzzentrale, damit diese im Bild ist. In der Fachsprache handelt es sich dabei um einen «verdächtigen Vorfall».

Kontrolle von Brennpunkten

Die nächsten Brennpunkte – so werden die Orte genannt, an denen es oft Vorkommnisse gibt – befinden sich in Küsnacht. Auf dem Gemeindegebiet kommt es immer wieder zu Vandalenakten wie Sprayereien oder Sachbeschädigungen bei WC­Anlagen. Es sei wichtig, dass entsprechende Beobachtungen ausnahmslos und unverzüglich dem Polizeinotruf Nr. 117 gemeldet werden, erklärt Harry Wirz: «Das erhöht die Chancen markant, dass die Täter überführt werden können».

Nach diesen ersten zwei Stunden Dienst gönnen sich die beiden Polizisten eine Stärkung in einer Pizzeria in Herrliberg. Dort treffen sie auf zwei Kantonspolizisten, die ebenfalls im Einsatz sind. Die beiden strahlen bis über beide Ohren: «Uns wurde gerade das Nachtessen von zwei Gästen bezahlt», erzählen sie erfreut. «Das haben wir noch nie erlebt.» Die Polizei, dein Freund und Helfer – offensichtlich gelingt es, dieses Image zumindest bei einem Teil der Bevölkerung zu bewahren.

Manuela Sereinig und Harry Wirz hingegen sind froh, dass sie ihr Essen überhaupt in Ruhe geniessen können, auch wenn sie dafür selbst in die Tasche greifen müssen. Denn gerade als die mit Schinken belegte Pizza und die überbackenen ­Auberginen aufgetischt werden, meldet sich erneut die Einsatzzentrale: In Oetwil am See randalieren Jugendliche. Glücklicherweise sind aber die beiden Kantonspolizisten gerade unterwegs und können aufgeboten werden. So bleibt den beiden Gemeindepolizisten Zeit fürs Abendessen.

Im Anschluss geht die Fahrt weiter durch die Gemeinden des Bezirks, Präsenz wird markiert. Der nächste Einsatz kommt just, als die Gemeindegrenze von Uetikon am See passiert wird. Nur wenige Meter weiter brennt es – die beiden Polizisten sind noch vor der Feuerwehr vor Ort. «Auch wir sind froh, dass die Feuerwehr immer so blitzschnell da ist», sagt Manuela Sereinig, «denn Brände löschen können wir nicht.» Die Aufgabe der Polizei ist es herauszufinden, was passiert ist.

In diesem Fall hat ein Bewohner den Herd beim Putzen versehentlich und unbemerkt eingeschaltet, worauf der Untersatz eines Teekruges zu brennen begann, der zufällig dort stand. «Ein unglücklicher Umstand, aber keine Grobfahrlässigkeit», notiert Manuela Sereinig für den Brandermittler, dem sie am späteren Abend noch rapportieren wird. Wäre die Brandursache unklar gewesen, hätte dieser noch ausrücken müssen.

«Lieber einmal zu viel anrufen»

In der Zwischenzeit schlägt beinahe die Geisterstunde. Die Nacht, die klar begann, ist mittlerweile von dickem Nebel durchtränkt, der die Sicht der beiden Gesetzeshüter beim weiteren Patrouillieren einschränkt. Auch den Freunden der Pyrotechnik scheint er die Lust am Böllern genommen zu haben, denn von der Knallerei ist jetzt nichts mehr zu hören.

In Egg kontrollieren die beiden verschiedene Parkhäuser, in denen sich Jugendliche oft aufhalten. Die Nacht scheint aber zu kalt zum Rumhängen zu sein, die Parkhäuser sind ebenso leer wie die Strassen. Zu einem Zwischenfall ist es jedoch in einem Zugabteil gekommen, wie die Einsatzzentrale kurz nach Mitternacht meldet.

Ein älterer Mann habe im Zug rauchende Jugendliche zurechtgewiesen, worauf diese ihm sein Mobiltelefon entwendet hätten. Dank der Unterstützung einer weiteren Zugreisenden konnte er die Polizei verständigen. Als diese aber dann beim vereinbarten Treffpunkt am Bahnhof Herrliberg-­Feldmeilen eintrifft, ist niemand vor Ort. Wie sich bei der telefonischen Nachfrage ­herausstellt, haben sich die Streithähne wieder vertragen, aber vergessen, die aufgebotene Polizei darüber zu informieren. «Die einen rufen die Polizei wegen jeder Kleinigkeit an, andere hingegen trauen sich fast gar nicht», erzählt Harry Wirz bei der Weiterfahrt. Ihm sei es lieber, jemand rufe einmal zu viel als zu wenig an.

Auf gute Nachbarschaft

Kurz nach Mitternacht meldet sich der nächste Anrufer, der mitteilt, dass sich in Oetwil am See ein ­«entenähnlicher Vogel» mitten auf der Strasse aufhalte. Er sei wohl verletzt, denn er könne offensichtlich nicht fliegen. Der unbekannte Vogel stellt sich vor Ort als Blässhuhn heraus. Da der Tierrettungsdienst bei Wildtieren nicht ausrückt, bietet Manuela Sereinig die Jagdaufseherin auf. Mit vereinten Kräften versuchen die Einsatzkräfte nun, den Wasservogel einzufangen. Das Vorhaben misslingt: Der Vogel fliegt zwar tatsächlich nicht, aber schnell rennen kann er sehr wohl.

Den beiden Polizisten ist das Lachen deswegen nicht vergangen. Wegen ausgebüxter oder umherirrender Tiere seien sie zwar schon oft ausgerückt, noch nie aber wegen eines Blässhuhns, erzählen die beiden gut gelaunt. «Ich mag solche Überraschungen», sagt Manuela ­Sereinig, der die Müdigkeit nach diesem mittlerweile langen Arbeitstag kein bisschen anzusehen ist.

Bevor für sie und ihren Kollegen dann endlich auch die Nachtruhe ansteht, brechen sie noch nach Küsnacht auf, wo sich ein Ehepaar in ebendieser gestört fühlt. Frisch eingezogene Nachbarn feiern ihren Einstand nicht nur laut, sondern auch mit viel Alkohol, den sie in Nachbars Garten wieder hergeben. Die Polizisten suchen das Gespräch mit den 20­jährigen Partymachern, weisen sie freundlich, aber bestimmt auf ihr Fehlverhalten hin und verabschieden sich mit den Worten, dass sie nun nicht jedes Wochenende vorbeikommen möchten.

Dass Manuela Sereinig und Harry Wirz aber auch in Zukunft wegen Lärmklagen ausrücken werden, ist den beiden klar – gehören diese doch zu den häufigsten Gründen für Polizeieinsätze. Für diese Nacht hat die Patrouille 9371 für Ruhe und Ordnung im Bezirk Meilen gesorgt. Der letzte Tag des Jahres kann kommen – leise wird er wohl kaum werden.

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