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Freiwillig in die Schule

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 24. Januar 2020

Nach Zumikon bietet neu auch die Jugendarbeit Zollikon das Konzept der «offenen Turnhalle» an. Vergangenen Samstag standen die Türen der Turnhalle Buechholz zum ersten Mal offen.

Einfach auf der dicken Matte abhängen: In der «offenen Turnhalle» ist alles möglich. (Bild: bms)
Einfach auf der dicken Matte abhängen: In der «offenen Turnhalle» ist alles möglich. (Bild: bms)

Wer mit Jugendlichen arbeitet, weiss: Das sichere Pferd gibt es nicht. ­Jugendliche agieren spontan, oft unvorhersehbar. Was gestern noch in war, ist heute so etwas von out. Wo gestern noch «the place to be» war, liegt heute verwaist da. Wegen dieser Sprunghaftigkeit der jungen Menschen überlegen sich auch die Jugendarbeitenden immer wieder neue Angebote. «Alle erreichen wir eh nie», sagt Alexandra Matulla von der Offenen Jugendarbeit Zollikon, versuchen würden sie es natürlich aber trotzdem.

Ein neues Angebot wurde mit der «offenen Turnhalle» in der Buchholz-Schule aufgenommen. «Während der Wintermonate hatten wir sonst das Jugi einmal im Monat geöffnet», so Alexandra Matulla weiter. Weil die Jungen und Mädchen aber dort einen ziemlichen Bewegungsdrang gezeigt hätten, sei man auf das Angebot in der Sporthalle gekommen.

Trampolin tabu

«Auch in anderen Gemeinden bieten wir das an und machen damit gute Erfahrungen.» Angesprochen in Zollikon sind Schüler und Schülerinnen ab der ersten Sek – oder dem ersten Gymi-Jahr. «Das entspricht dem Leistungsauftrag der Gemeinde», erklärt die Jugendarbeiterin. Eine zusätzliche Gefahr von Verletzungen in der Turnhalle sieht sie nicht. «Die bewegen sich eh. Ausserdem stehen natürlich ­einige Stationen wie Trampolin, Ringe oder die Kletterwand nicht zur Verfügung.» Teamsport wie Fuss- oder Basketball soll im Vordergrund stehen.

Doch wer will, kann einfach nur abhängen. Sport kann – muss aber nicht. Raul und Sofia sind die ersten, die pünktlich um 19 Uhr vor der Tür stehen. Raul weiss genau, was er will. Gemeinsam mit Michael Germann baut er den Kasten und eine dicke Matte auf und übt einen Salto rückwärts. Der Jugendarbeiter gibt Hilfestellung und wertvolle Tipps und Raul wird von Sprung zu Sprung besser. Sofia sitzt direkt neben der Tür – da ist die Steckdose, an der sie ihr Smartphone auflädt. Immer wieder chattet und telefoniert sie mit Freundinnen und gibt durch, wer noch kommen wird an dem Abend und wer etwas anderes vorhat. Zwei weitere Mädchen erscheinen. Erst etwas schüchtern, schnell mutiger schnappen sie sich auch eine dicke Matte, platzieren sie mittig in der Halle und lassen sich einfach rücklings fallen. «In anderen Gemeinden haben wir es erlebt, dass die Jugendlichen die ganze Zeit zusammen auf der Matte chillten und das ist völlig in Ordnung», erklärt Alexandra Matulla. Die Tür öffnet sich wieder – aber nur kurz. Weitere Jugendliche verkünden, dass sie sich eben noch mit Verpflegung eindeckten und dann wiederkämen. In der Halle hat man sich zum Kreis zusammengesetzt und zeigt sich gegenseitig TikTok-Filme auf dem Telefon. Es gibt schlicht kein Thema, zu dem es auf dem Kanal keine Kurzfilme gibt. Raul macht nur eine kurze Pause. Er scheint voller Bewegungsdrang zu stecken. Er strampelt auf dem Fitness-Rad und animiert die Mädchen, indem er sie mit Medizinbällen bewirft. Bis neun Uhr am Abend hat er Zeit, seine Energie loszuwerden.

In Zumikon gibt es das Angebot der «offenen Turnhalle» schon länger – allerdings wendet dieses sich bereits an Mädchen und Jungs der Mittelstufe und findet seit vergangenem März jeweils am zweiten Mittwochnachmittag im Monat in der Turnhalle am Farlifang statt. «Wir machen sehr gute Erfahrungen damit», urteilt Tobias Berndt. Allein letzten Mittwoch seien 14 Kinder gekommen. Am Anfang war das Team der Jugendarbeit jeweils in der Woche davor in der Schule, um Werbung zu machen. Das sei jetzt nicht mehr nötig. «Die Kids haben den Termin im Kopf.»

Grosse Augen

Unterstützt werden er und seine Kollegin Sandy Finsterwalder auch von einem jugendlichen Leiter des Turnvereins. «Felix baut einen Parcours auf oder regt zu Spielen an, wenn die Kinder keine eigene Idee haben», führt Tobias Berndt weiter aus. Am Anfang seien die Mädchen und Jungs von dem Angebot fast überfordert gewesen. «Sie haben uns mit grossen Augen angesehen und gefragt, ob sie wirklich machen dürften, was sie wollen. So viel Freiheit kannten sie nicht.» Dabei sei die Regel lediglich, dass erst das versorgt werden müsse, was nicht mehr gebraucht werde. Und obwohl nur eine der drei Hallen zur Verfügung stehe, sei auch ein Nebeneinander möglich. Es könne gleichzeitig Fussball gespielt und geturnt werden. Ausgeschlossen sind auch hier einige Übungen wie der Salto auf dem Trampolin, der zu gefährlich werden könnte. Zu jedem Nachmittag gehöre auch, dass die Aktivität mit einem gemeinsamen Spiel für alle endet.

Dass hier das Angebot schon für Kinder ab der vierten Klasse besteht, erklärt Tobias Berndt mit dem Fehlen einer Oberstufenschule. «Wir wollen die Mädchen und Jungen früh an Zumikon binden. Nur dann kommen sie auch nach der Primarschule in ihrer Freizeit wieder zurück. Wenn sie wissen, was sie durch das Freizeitzentrum realisieren können, sprechen sie uns an.»

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