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Skischule damals und heute

Von Lorenz von Meiss ‒ 20. Februar 2020

35 Jahre nachdem ich die erste Klasse der Schweizer Schneesportschule in der Lenzerheide besucht habe, nehme ich mir in der ersten Sportwoche wiederum einen Skilehrer, um herauszufinden, was sich in der Zwischenzeit in Sachen Skiunterricht alles getan hat.

Gemeinsam mit meinem Jugendfreund Thierry (links im Bild) lernte ich vor 35 Jahren Ski fahren. Mit dem neuen Lehrplan der Skischulen wird der individuellen Betreuung mehr Gewicht gegeben. (Bilder: privat)
Gemeinsam mit meinem Jugendfreund Thierry (links im Bild) lernte ich vor 35 Jahren Ski fahren. Mit dem neuen Lehrplan der Skischulen wird der individuellen Betreuung mehr Gewicht gegeben. (Bilder: privat)

Als ich Mitte der Achtzigerjahre die erste Klasse der Schweizer Schneesportschule in der Lenzerheide besuchte, ging dies nicht ganz ohne Widerwillen meinerseits. Den Tag über getrennt von Eltern und ­Brüdern mit mir anfangs unbekanntem Skilehrer und fremden Skischülern verbringen zu müssen, war nicht gerade meine erste Wahl für die Sportferien. Aber in meiner Familie gehörte der Besuch der Skischule zum festen Bestandteil der Sportferien, um später in der Lage zu sein, gemeinsam mit der Familie die Pisten befahren zu können. Es brauchte wohl einiges an Zuspruch meiner Eltern, um mich jeden Morgen für die bevorstehenden Skischulstunden vorzubereiten. Nach zwei, drei Tagen hatte ich mich jedoch jeweils mit der neuen Situation und den Klassenkameraden angefreundet und kurvte schon bald mit meinem roten Uvex-Helm auf dem Kopf im Stemmbogen um die ersten Törchen des Kinderlandes. Als Belohnung für einen erfolgreich absolvierten Skischultag erhielt ich jeweils eine kleine Figur aus Marzipan – ein süsser Motivator.

Hüftbreiter Stand

35 Jahre später verbringe ich die erste Sportwoche wiederum in der Lenzerheide mit der Familie meines Bruders und erlebe, wie mein sechsjähriger Neffe Laurin die Tage in der Skischule verbringt. Ich entscheide mich, einen Vormittag lang selbst wieder in die Skischule zu gehen, um herauszufinden, was sich in all den Jahren am Skiunterricht verändert hat. Am Mittwoch um neun Uhr treffe ich Skilehrer Gian an der Mittelstation «Tgantieni» und verbringe die folgenden zwei Stunden unter seiner Obhut. Von ihm erfahre ich, dass es heute sozusagen keinen Erwachsenenunterricht in der Gruppe mehr gibt. Wenn ein erwachsener Skifahrer an seiner Technik arbeiten möchte, erfolgt dies meistens im Einzelunterricht oder in kleinen Gruppen von zwei bis drei Teilnehmenden. Als Gian meinen Skischwung bei der ersten Abfahrt genauer unter die Lupe nimmt, fällt ihm als erstes auf, dass sich meine Skis in einer zu geschlossenen Position befinden, also beim Schwung zu dicht aneinander fahren. Ein geschlossener Fahrstil galt vor 35 Jahren, als ich Skifahren lernte, noch als elegant und wünschenswert, ja es war damals das höchste Qualitätsmerkmal eines Skifahrers. Doch als die Carvingskis vor rund zwanzig Jahren in den Skigebieten Einzug hielten, musste sich der Lehrplan der Schweizer Skischulen entsprechend anpassen. Ein geschlossener Fahrstil war mit diesen neuartigen Skis nicht mehr angebracht, da sich die taillierten Skis am vorderen Ende immer in die Quere kommen würden. Heute wird in jeder Skischule der hüftbreite Stand unterrichtet.

Pädagogik im Skiunterricht

Ich erfahre auch von Skilehrer Gian, dass seit dem Jahr 2000 in den ­Skischulen nach einem neuen Lehrmittel unterrichtet wird. Die Schweiz als Alpenland spielte bei dessen Umsetzung eine Vorreiterrolle. Erstmals wurde damals in den Schweizer Skischulen wegen der taillierten Carvingskis die Verlagerung des Schwerpunktes unterrichtet. Neu war also, dass sich der Skifahrer während der Fahrt aktiv in die Kurve zu legen hatte, wodurch eine ausreichende Belastung der Skis erreicht wird. Auch wurde im neuen Lehrplan das pädagogische und methodische Konzept überarbeitet. Wo früher eine starre Abfolge von Leistungszielen vorgeschrieben war, wird dem Skischüler heute viel mehr persönliche Aufmerksamkeit geschenkt. Wie ist er körperlich und mental aufgestellt? Kann ich dem Kind erste spielerische Übungen auf den Skis zumuten oder ist es bereits damit überfordert? Die individuellere Betreuung der Skischüler hat in den letzten zwanzig Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Um mir einen Eindruck von dieser individuellen Betreuung durch die Skilehrer und Skilehrerinnen zu machen, bringe ich meinen ­Neffen am Donnerstag morgen in die Skischulklasse und erlebe, wie ein Skischultag heute beginnt. Wo die Klassen früher noch einfach von 1–6 durchnummeriert waren, haben die verschiedenen Einstufungen heute Namen wie «Blue League» für die Einsteiger, «Red League» für die Fortgeschrittenen und eine «Black League» für die Könner. Auf dem Skischulsammelplatz sorgt Skischulmaskottchen «Snowli», ein menschengrosser Plüschhase, für die Bespassung der eintreffenden Kinder. Ich habe Glück, es findet an diesem Tag das wöchentliche Skirennen statt. Ab 10 Uhr können alle Skischulklassen beweisen, was sie in den vergangenen Tagen gelernt haben. Auch wenn die vermittelte Technik im Laufe der Jahre den taillierten Skis angepasst werden musste, blieb vieles doch beim Alten, insbesondere die Freude der Kinder, wenn sie an der Siegerehrung mit ihren umgehängten Medaillen aufs Podest steigen dürfen.

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