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Renaissance einer alten Delikatesse

Von Tobias Chi ‒ 27. März 2020

Früher war die Schweizer Bratbirne oder Chugelibirne am rechten Zürichseeufer stark verbreitet. Mit einer Baumpflanzung im Zollikerberg will die Vereinigung Fructus der  fast vergessenen Obstsorte zu neuer Beliebtheit verhelfen.

Schweizer Bratbirne in der Nationalen Sortensammlung in Höri.  (Bild: zvg)
Schweizer Bratbirne in der Nationalen Sortensammlung in Höri. (Bild: zvg)

Mittwochnachmittag vergangene Woche: Obwohl die Massnahmen des Bundes gegen das Coronavirus noch nicht so weit gingen wie heute, wirkte die Forchbahnstation Zollikerberg um 15 Uhr sehr verlassen. Trotz des schönen Wetters waren ausser einigen Kindern, die unter den Augen ihrer Eltern auf dem Spielplatz herumtollten, kaum Menschen unterwegs. Der Anlass, der ursprünglich vor Publikum hätte stattfinden sollen, wurde nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt.

Es handelte sich um die Pflanzung eines speziellen Baumes. Veranstalterin war die Vereinigung Fructus, die sich für die Förderung alter Obstsorten einsetzt. Neben Fructus-­Vertreter Felix Wirz waren einige Mitarbeiter des Unterhaltsdienstes Zollikon anwesend, um bei der Baumpflanzung mitzuhelfen. Der Ort war bereits bestimmt: der kleine, mit Gras bewachsene Hügel hinter dem Spielplatz, zwischen ­Rosengarten und Quartiertreff. Zu zweit wurde das Loch ausgehoben, in welchem das unscheinbare Bäumchen seine Wurzeln schlagen und zu einem stattlichen Birnbaum heranreifen sollte.

Ältere erinnern sich noch an ihn

Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Obstbaumsorte aus der Mode gekommen, bis dahin hatte sie gerade in unserer Gegend eine lange Tradition. Offiziell trägt die Frucht den Namen Schweizer Bratbirne, doch rund um den Zürichsee war sie vor allem als «Chugelibirne» bekannt. In anderen Landesteilen trägt sie noch andere Namen, zum Beispiel «Imbeli» oder «Klausbirne». Ihren Ursprung soll sie aber am rechten Zürichseeufer haben. Im Buch «Das alte Zollikon» von 1899 wird sie namentlich erwähnt. «Ältere Menschen aus dem Zollikerberg haben mir erzählt, dass in ihrer Kindheit noch solche Bäume hier standen», sagt Felix Wirz, der auch der EVP Zollikon als Präsident vorsteht. «Mein Vater, der 1942 geboren wurde, verdiente sein erstes Sackgeld mit dem Verkauf von Chugelibirnen. Im Garten seines Elternhauses in Erlenbach stand ein solcher Birnbaum.»

Nun soll ein neues Exemplar der ­alten Sorte also auch im Zollikerberg gepflanzt werden. Mit Hilfe von ­Gemeindemitarbeiter Stephan Schneider schlägt Felix Wirz einen Pfahl ins Erdloch, der den Wuchs des Bäumchens unterstützen soll. Irgendwann wird der Baum hoffentlich jenes Obst tragen, das der Gastronomie interessante Möglichkeiten bietet. «Die Birne reift sehr spät, nicht vor Ende Oktober», erzählt Felix Wirz. «Dann wird sie hauptsächlich zum Kochen verwendet.» Der Sorte wird ein kräftiges Aroma nachgesagt. Beim Kochen soll sie eine Karamellnote entwickeln. Die Chugelibirne eignet sich zum Braten, Backen oder Garen.

Obstsorte des Jahres

Um der fast vergessenen Delikatesse zu einer Renaissance zu verhelfen, hat Fructus die Chugelibirne im Januar zur Obstsorte des Jahres gekürt. Damit verbunden waren auch Pläne, neue Bäume anzupflanzen. Doch wie sich herausstellte, gestaltete sich die Suche nach bestehenden Exemplaren als schwierig. «Am rechten Zürichseeufer kam leider nicht ein Baum zum Vorschein», sagt Felix Wirz. «Anders am linken Ufer, wo noch vereinzelt alte Bäume stehen.» Inzwischen hat Fructus in Zusammenarbeit mit den meisten Zürichseegemeinden am rechten Ufer je wieder einen Baum gepflanzt.

Jener auf Zolliker Gemeindegebiet steht nun seit letztem Mittwoch hinter dem Spielplatz beim Rosengarten. Um die Pflege wird sich Felix Wirz persönlich kümmern. Es werden wohl noch sechs bis sieben Herbste vergehen müssen, bis der Baum gross genug ist, um die ersten Birnen zu tragen. Wenn es einmal so weit ist, dürfen sich alle, die Lust haben, von den Chugelibirnen bedienen und sich von der Köstlichkeit der alten Delikatesse überzeugen.

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