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14 Kilometer jeden Tag

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 3. April 2020

Maria Lumassegger ist DIE Zumiker Servicekraft. Sie wartet darauf, dass endlich die Restaurants wieder öffnen.

Auch Maria Lumassegger ist aktuell vom Lockdown betroffen. Langeweile herrscht bei der Servicefrau aber nicht. (Bild: bms)
Auch Maria Lumassegger ist aktuell vom Lockdown betroffen. Langeweile herrscht bei der Servicefrau aber nicht. (Bild: bms)

Wie viele Teller sie schon getragen hat? Wie viele Gläser Wein sie schon serviert hat? Ungezählt. Wer aber schon einmal in Zumikon auswärts essen war, wird wahrscheinlich von ihr bedient worden sein: Maria Lumassegger. Sie ist DIE Servicekraft in der kleinen Gemeinde. Sie hat schon in ­jedem Restaurant vor Ort gearbeitet: in der «Frohen Aussicht», im «Rössli» und im «Triangel», wo sie seit 2017 auch wieder für den Service verantwortlich ist. «Sie ist unsere Frontfrau und Blumenfee», schwärmen die Gastgeber Sandra und Andy Tobler. Und natürlich ist auch sie vom Lockdown betroffen.

Langeweile kennt sie nicht

Der «Triangel» ist geschlossen. Kündigungen gab es keine. «Wir hoffen alle, dass es nach den Frühlingsferien wieder weitergeht», unterstreicht die Zumikerin. Bis dahin ist sie zuhause. Langweilig wird ihr nicht. Sie kocht, geht einkaufen, hilft anderen, kümmert sich schon mal ein bisschen um den Garten und kann es kaum abwarten, bis endlich der Frühling so richtig kommt. «Ich habe immer genug zu tun. Jetzt geht es für alle darum, das Beste aus der Situation zu machen und zusammenzuhalten.»

Es gibt viele weitere Stationen und Restaurants im Leben der 55-Jährigen. Angefangen hat alles in Innsbruck, wo sie mit gerade mal 14 Jahren ihre Koch- und Kellner-­Ausbildung anfing. Eigentlich hätte noch ein Schuljahr angestanden, in dem es um Hauswirtschaft gegangen wäre. «Aber das war nicht meins. Ich wollte weg aus unserem Dorf in Osttirol», erinnert sie sich und die Bernstein-Augen blitzen. Auf einem Bauernhof gross geworden, musste sie schon mit vier, fünf Jahren mitanpacken. Vielleicht wurden da auch ihr Arbeitseifer und ihre Tatkraft geboren. Natürlich habe sie zunächst Heimweh gehabt, damals als junge Auszubildende in dem Hotel, in dem sie arbeitete und lebte. «Nach zwei Monaten war das weg und ich habe mir Innsbruck näher angesehen.»

Nach dem Abschluss hatte sie unterschiedliche Anstellungen. Bei den Erinnerungen an Kitzbühl funkelt es wieder in den Augen. Die Wintersaison ist nicht lang, dafür sind die Arbeitstage umso länger. Und danach sei es immer noch mit den Kollegen in den Ausgang gegangen. «Wir haben uns jeden Tag gesagt: Heute mal keinen Ausgang. Wir müssen mal schlafen. Geklappt hat es nie.» So etwas schafft man eben, wenn man noch jung ist.

Militärkantine und Sonnenberg

Als sich später ein Kollege bei ihr meldete und fragte, ob sie nicht Lust habe, nach Zumikon zu kommen, sagte sie spontan zu. «Meine erste Liebe war gerade zerbrochen, da passte das gut.» Sie begann in der «Frohen Aussicht», aber zunächst nur in der Küche. «Ich verstand ja niemanden und musste mich erst mal ins Schwyzerdütsch einhören», weiss sie noch. Es folgten weitere Häuser: eine Militärkantine in Bülach – «eine super ­Erfahrung» – oder auch der «Sonnenberg», der damals vom Vater von Sandra Tobler geführt wurde. Schnell wurde Maria Lumassegger Chef de Service. Doch die Selbstständigkeit lockte und so eröffnete sie mit ihrem damaligen Mann das «Amalfi» hinter der Sihlpost. Parallel wurde sie – schneller als geplant – Mutter. Am Nachmittag des  24. Dezember schickte sie die Gäste nach Hause, weil die Wehen einsetzten. Zwei Tage später wurde ihr Sohn geboren, wieder zwei Tage später stand Maria Lumassegger wieder in der Küche – die Baby­wippe neben sich. Die Tochter kam ein Jahr später – ebenfalls zwischen Weihnachten und Neujahr – zur Welt. Die patente Zumikerin kümmerte sich um die Kinder, den Haushalt, das Restaurant und ging nebenbei zwei bis drei Mal am Tag mit dem Hund raus. Es kann für Maria Lumasegger einfach nicht genug Bewegung geben. «Ich gehe auch nicht ins Kino. Ich setze mich doch nicht für mehrere Stunden einfach nur hin.»

Rund 14 Kilometer läuft sie jeden Tag von Küche zu Tisch und wieder zurück. Bis zu zwanzig Mal müsse sie an einem Abend allein zu einem Zweiertisch gehen. Die Karte bringen, den «Gruss aus der Küche», die Getränkebestellung, die Bestellung der Speisen aufnehmen, Vorspeise, Abräumen, Hauptgang, Wein nachschenken, Dessert, Kaffee. Und dabei immer die Augen offen halten, ob an anderen Tischen etwas fehlt oder abgeräumt werden muss.

Einfach immer die besten Gäste

An ihren freien Tagen geht sie auch, aber spazieren, läuft durchs Tobel oder fährt mal mit dem Schiff nach Rapperswil. Kurze Zeit hat sie auch mal versucht, sich in einem Studio fit zu halten. «Nach vier Monaten war mir das zu langweilig.» Und ­genau deswegen macht ihr die ­Arbeit im Restaurant so viel Spass. Jeder Abend ist anders. Dabei ist Maria Lumassegger zu allen Gästen gleich. Ob zu Tina Turner, die in ihrem Küsnachter Restaurant zu den Stammgästen zählte, ob zu den hohen ­Tieren von der FIFA, die in den «Sonnenberg» kamen oder zu den Handwerkern, die mittags im «Rössli» sassen: «Ich habe einfach immer die besten Gäste und so wie ich mit ihnen umgehe, so gehen sie auch mit mir um.» Komme doch mal ein überheblicher Spruch, ist die Zumikerin schlagfertig genug, um die Situation zu entspannen. Maria Lumasegger ist einfach authentisch. Ihr Interesse an den Gästen, den Mitmenschen

ist echt. Sie kann gut zuhören und ebenso gut kontern. Ein einziges Mal, lange ist es her, hat es ein Gast gewagt, seine Hand auf ihren Po zu legen. Darauf bekam er ihre Hand zu spüren und dabei fiel noch nicht mal ein Glas auf ihrem vollen Tablett um. Gelernt ist gelernt.

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