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Stadtrat Zürich brüskiert Zollikon

Von Tobias Chi ‒ 11. September 2020

Der Zürcher Stadtrat Richard Wolff hat im Alleingang die Schliessung zweier Spuren an der Bellerivestrasse beschlossen. Der Entscheid dürfte eine massive Verkehrsbelastung für die angrenzenden Gemeinden zur Folge haben.

Bellerivestrasse
Die geplante Schliessung zweier Fahrspuren an der Bellervivestrasse sorgt für rote Köpfe. (Bild: ab)

Ab April 2021 soll die Bellerivestrasse zwischen Bellevue und Tiefenbrunnen für ein halbes Jahr für den motorisierten Individualverkehr von vier auf zwei Spuren reduziert werden. Dadurch soll Platz geschaffen werden für zwei Velowege in beide Richtungen. Dies verkündete der Vorsteher des Stadtzürcher Tiefbauamts Richard Wolff vor einer Woche. Die Aktion soll als Testlauf sechs Monate dauern, also bis Ende September nächsten Jahres.

Mit seinem Entscheid hat der Stadtrat den Unmut der betroffenen ­Gemeinden auf sich gezogen, auch von Zollikon. «Der Verkehr zwischen unserer Gemeinde und der Stadt geht fliessend ineinander über», sagt Gemeindepräsident ­Sascha Ullmann. Durch die Sperrung von zwei Spuren sei davon auszugehen, dass der Verkehr unweigerlich auf die Quartierstrassen sowohl in Zollikon und Küsnacht als auch in der Stadt ausweichen werde. Sascha Ullmann ist die Verärgerung anzumerken: «Als die am stärksten betroffene Anrainergemeinde sind wir sehr enttäuscht, dass uns die Stadt nicht mehr in die Planungsprozesse miteinbezogen hat.» Obwohl man das Gespräch mit Richard Wolff gesucht habe, sei Zollikon nicht in die Begleitgruppe zum Projekt eingeladen gewesen. Als Grünliberaler wäre Sascha Ullmann durchaus an Alternativen zum motorisierten Individualverkehr interessiert. «Hier geht es jedoch nicht um die Diskussion von Lösungen, sondern um das unkoordinierte Vorgehen des Stadtrats.» Das Verkehrschaos, das wegen des einseitigen Testbetriebs den Zolliker Quartieren drohe, sei nicht hinzunehmen.

Das weitere Vorgehen in der Causa Bellerivestrasse hat der Gemeinderat an seiner Sitzung vom Mittwoch besprochen. Das Ergebnis lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Schon jetzt viele Kolonnen und Staus

Auch die SVP Zollikon ärgert sich über die Pläne des Zürcher Tiefbauamts. Bereits heute komme es immer wieder zu Engpässen, Autofahrer aus dem Bezirk Meilen Richtung Bellevue müssten permanent mit Staus und Kolonnen rechnen, schreibt die Ortspartei in einer Medienmitteilung. «Würde die Belle­rivestrasse nun noch einmal um zwei Spuren reduziert, wäre das Verkehrschaos perfekt.» Wie der Gemeinderat ist auch die SVP frustriert, dass die Massnahmen offenbar hinter dem Rücken der Nachbargemeinden vorbereitet worden sind.

Auch andere beteiligte Interessenvertreter sind brüskiert durch den Alleingang des Tiefbauvorstehers. «Nachdem Stadtrat Wolff an den Teilnehmern vorbei eigenmächtig sowohl einen Realisierungs- wie auch einen Variantenentscheid getroffen hat, hat sich das Beteiligungsverfahren als reine Farce entpuppt», schreibt der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich auf seiner Webseite. Aus Protest sind mehrere Verbände aus der Begleitgruppe ausgetreten, neben ACS und TCS auch der kantonale und der städtische Gewerbeverband sowie der Gewerbeverein Seefeld.

Letztes Wort noch nicht gesprochen

Doch ist der Entscheid wirklich schon so definitiv, wie Richard Wolff ihn verkündet hat? Obwohl es sich bei der Bellerivestrasse um eine kantonale Verkehrsstrasse handle, bedürfe es, weil die Aktion als Versuchsbetrieb deklariert sei, keiner Einwilligung des Kantons, rechtfertigte sich der Stadtrat vergangene Woche. Anderer Ansicht ist die Kantonspolizei. Auch für temporäre Änderungen müsse eine Einwilligung eingeholt werden, sagte ein Kapo-Sprecher am Sonntag in der NZZ. Bislang sei die Kantonspolizei nicht um Zustimmung ersucht worden, hiess es auch am Mittwoch.

Das Tiefbauamt der Stadt Zürich teilte am Mittwoch auf Anfrage mit: «Die Ereignisse der letzten Tage und das weitere Vorgehen sind in Prüfung. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir uns noch nicht zu einzelnen Schritten äussern.» Der Zolliker Zumiker Bote wird über die weiteren Entwicklungen in dieser Angelegenheit berichten.

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