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Porträt eines Porträtfotografen

Von Tobias Chi ‒ 24. September 2020

Marc Wetli machte Aufnahmen von zahlreichen Berühmtheiten, darunter Nicolas Hayek, Kim Wilde oder Boris Becker. In Zollikon engagiert sich der Fotograf für ein Hilfsprojekt der Schule Oescher.

Porträtfotograf Marc Wetli
Porträtfotograf Marc Wetli porträtiert sich selbst – mit seinem neuen Selfie-Automaten «Botobox». (Bild: zvg)

Alles begann im ­Heizungsraum einer Genossenschaftssiedlung in Zürich-Witikon. Hier richtete Marc Wetli während seiner Gymnasialzeit zusammen mit zwei Freunden ein Fotolabor mit Studio ein, um Schwarz-Weiss-Fotos zu entwickeln. «Das war abenteuerlich», erinnert sich Marc Wetli an diese Anfänge. Wenig ­später hat er Nebenjobs bei Werbeagenturen angenommen und sich zum Werbeassistenten ausbilden lassen. Dabei kam er erstmals mit Fotografie in professionellem Umfeld in Berührung. Schliesslich vermittelte ihm seine damalige Freundin einen einwöchigen Stage bei der grossen Schweizer Bildagentur Keystone. In dieser kurzen Zeit lernte er den dichtgedrängten Terminkalender eines Pressefotografen kennen: den ganzen Tag von einer Pressekonferenz zur nächsten hetzen, zwischendurch mal einen Erdrutsch ablichten und den Tag mit Fotos eines Hockeymatches ausklingen lassen.

Eine Keystone-Mitarbeiterin öffnete dem aufstrebenden Fotografen die Türen einiger Zeitungsredaktionen. «Dann ging es plötzlich Schlag auf Schlag», berichtet der 49-Jährige. «Ich war jung und willig und bekam immer mehr Aufträge.» Er arbeitete als freischaffender Fotograf für Keystone, den Tages-Anzeiger und die Sonntagszeitung. Per Pager wurde er kontaktiert, wenn beispielsweise in Affoltern ein Tankwagen explodierte. An Pressekonferenzen oder bei Interviews hat Marc Wetli immer wieder Persönlichkeiten fotografiert und irgendwann gemerkt, dass ihn Porträtfotografie eigentlich viel mehr interessierte. «Als fliegender Fotograf kommst du immer an eine ­Situation oder an Personen heran, deren Bilder du sozusagen stehlen musst», beschreibt er diese Arbeit. «Bei Porträts triffst du mit den ­Menschen eine Vereinbarung.» Hier komme es zu kurzen und intensiven Terminen, nach denen sich beide Beteiligten in der Regel zufrieden trennten.

Die Leute herausfordern

Marc Wetli nahm immer mehr ­Aufträge für Magazine wie Facts, Bilanz oder die Schweizer Familie an. Über einen längeren Zeitraum schoss er die Fotos für die Rubrik «Ein Tag im Leben von» des «Tagi-Magi». Für die Zeitschrift «Persönlich» durfte er ganze Bildstrecken zu Persönlichkeiten liefern. «Mein Ansatz ist es, die Leute herauszufordern, sie aus ihrer Komfortzone zu locken und aus sich herauszugehen. Ich nehme sie an Orte mit, an denen sie vorher noch nie gewesen sind. Das können auch Orte in oder vor den Gebäuden sein, in denen sie sich täglich bewegen.» Dadurch würden die Leute von selbst in Bewegung geraten und ihre üblichen Fotoposen ablegen.

Im Lauf seiner Karriere hat Marc Wetli unzählige Berühmtheiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien und Showbiz porträtiert. Die Liste auf seiner Webseite ist uferlos und enthält so klingende Namen wie Nicolas Hayek, Christoph Blocher, Endo Anaconda, Martin Suter, Susan Sontag, Boris Becker, Kim Wilde oder Alice Schwarzer. «Als Fotograf besteht die Schwierigkeit darin, den Respekt, den man gegenüber solchen Persönlichkeiten empfindet, zu überwinden.» Auf diese Weise komme man an die Personen heran und könne ihnen etwas entlocken, auf das sie im gegebenen Rahmen nicht vorbereitet seien. «Das ist zumindest mein Stil, andere Porträtfotografen machen das ganz anders», sagt er bescheiden. Ein weiterer wichtiger Faktor sei die Zeit. «Je berühmter die Leute sind, desto weniger Zeit haben sie.» Ein Shooting könne zwischen einer Minute und einer Stunde dauern. «Gerade bei Shootings für den Verwaltungsrat einer grossen Firma muss es schnell gehen», erzählt Marc Wetli. «Die Mitglieder kommen mit rauchenden Köpfen aus einem Meeting und müssen einen Teil ihres Lunch-Breaks für ein ­Fotoshooting opfern.» «Hier ist der Geduldfaden meistens sehr kurz. Das verlangt mir Geschwindigkeit und zuverlässiges Arbeiten ab.»

Zollikons intakter Rahmen

Der Ehrgeiz für seine Arbeit hat Marc Wetli nie verlassen, doch weiss er, was es heisst, unter erschwerten Bedingungen zu arbeiten. Zum Beispiel vor sechs Jahren, als seine Zwillingsmädchen auf die Welt kamen. «Wenn du drei Kinder unter zwei Jahren zu Hause hast, kann es schon mal vorkommen, dass etwas weniger Energie für die Arbeit übrigbleibt.» Der Familienzuwachs gab übrigens den Ausschlag, mit seiner Frau, dem Sohn und den beiden Mädchen vom Seefeld ins Haus der Schwiegereltern in Zollikon zu ziehen. Hier hat der Familienvater auch vor zu bleiben: «Ich schätze den intakten Rahmen, den Zollikon für unsere Kinder ­bietet. Gleichzeitig ist der urbane Raum Zürich ganz in der Nähe.» Nicht zuletzt liegt Zollikon in praktischer Distanz zu Küsnacht, wo sich sein Atelier befindet.

Neben Porträtfotografie betreibt Marc Wetli noch ein zweites Geschäft: An seinem 35. Geburtstag, den er in grossem Stil auf der Schatzalp feierte, installierte er eine Kamera auf einem Stativ, angeschlossen an einen iMac, auf dem sich die Leute sehen konnten, ähnlich einem Passfotoautomaten. «Das war bei den Gästen ein enormer Erfolg», ­erinnert er sich. «Immer wieder ­bestürmten mich Leute, welche die Installation für ihre Anlässe ausleihen wollten.» Marc Wetli, der sehr gerne tüftelt, hat die Idee weiterentwickelt und die Firma «Egoshooting» gegründet – der Name vereint augenzwinkernd das Ballergame mit dem Selfie. Die Geräte, die er unter diesem Label verleiht, sehen eher aus wie eine Jukebox als wie ein Fotoautomat. Ein Teil des Erfolgs dieser Installationen ist die Lichtführung. «Die Leute haben mir immer gesagt: ‹Hey ich sehe so gut aus auf diesen Fotos!› »

Botobox zum Mieten

Die Weiterentwicklung dieser Idee, an der Marc Wetli gerade arbeitet, ist ein Fotoautomat, in dem man gepflegte Selbstporträts aufnehmen kann. Dieses Projekt trägt den ­Namen Botobox und spielt mit den Begriffen «Fotobox», «Robot» und «Botox». Letzteres – natürlich wiederum augenzwinkernd –, weil man auf den Fotos immer toll aussieht. Man kann diese Geräte mieten und sich für die Aufnahmen Zeit lassen, die dann auf ein Benutzerkonto geladen werden.

Eine solche Botobox stellt der Fotograf der Benefiz-Aktion «Kivuvu-Familienporträts» zur Verfügung, die der Elternrat der Schule Oescher für das Hilfsprojekt von Religionslehrerin und Pfarrfrau Brigitte Gebs-Baumberger an diesem Wochenende in der Aula des Schulhauses veranstaltet. Wer sich dafür interessiert und keinen freien Zeitslot mehr findet, kann sich für den 24. Oktober anmelden unter www.selbstportrait.ch/photosessions/kivuvu. Dann wird die karitative Veranstaltung wiederholt.

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