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Die Tour des Grauens: Halloween 2020

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 5. November 2020

geschnitzter Kürbis
(Bild: zvg)

Von Zimmer zu Zimmer statt von Haus zu Haus.

Natürlich hat Halloween keine Tradition in der Schweiz. Meine Kinder aber freuen sich auf Halloween, seit sie an den Klingelknopf kommen. Für sie hat «Süsses oder Saures» also durchaus eine Tradition. Für K 1 stand immer eher die Menge der Beute im Vordergrund. Für K 2 war auch das richtige Outfit wichtig – wobei zum Schluss ja immer die dicke Winterjacke über das ausgefallene Kostüm kam. Ein Umzug mit Masken ist in diesen Tagen eigentlich keine schlechte Idee. Bei verschiedenen Haushalten zu klingeln, fühlt sich aber nicht richtig an. Also wurde der Halloween-Umzug am vergangenen Samstag ins eigene Haus verlegt.

K 1 schlug vor, die von mir angeschafften und sorgsam versteckten Süssigkeiten einfach gerecht auf­zuteilen, um dann zur Tagesordnung (sprich Gamen) überzugehen. K 2 bestand auf dem Umzug von Zimmer zu Zimmer. Zuerst muss das Haus mit Glubschaugen-Lichterketten, baumelnden Skeletten und handtellergrossen Spinnen ­hergerichtet werden. Nach aufwen­digen Gesichts-Schmink-Aktionen, die ein bisschen nach Velounfall aussehen, geht es an der Haustür los. K 2 klingelt. Ich schlüpfe ganz spontan in die Rolle der stets schlecht gelaunten Oma von gegenüber. «Verschwindet. Hier gibt’s nichts», brülle ich Richtung Tür.

Die Haustür wird von aussen aufgestossen. «Mama, so geht das nicht. Ich klingle jetzt nochmal, und dann musst du aufmachen und mir Süsses geben.» Ansonsten – fährt K 2 fort – würde sie Klopapier im Vorgarten verteilen. Klopapier? In diesen Zeiten? Ist die wahnsinnig? Toilettenpapier wird demnächst wie Safran gehandelt werden. Ich gehorche also brav und schaufle zwei Hände Süssigkeiten in den Plastik-Kürbis-Eimer.

War es nicht mal üblich, dass die Kinder zumindest einen Spruch aufsagen? So etwas wie «Süsses raus, sonst spukt’s im Haus?» Gab es nicht mal einen Hauch von Gegenleistung für das Naschwerk? Der Vater hat sich derweil in die Küche zurückgezogen. Als K 2 an die Tür klopft, öffnet er die Tür nur einen Spalt und wirft jede Menge Schokolade in den Flur. Das zieht nun auch K 1 an. Ich warte derweil im Badezimmer auf Besuch. Ich warte und warte. «Wann kommt ihr denn endlich?», rufe ich laut. «Ich muss noch eben im Chat schreiben», erklärt K 2. Ich überlege, ob ich die Wartezeit mit einem Vollbad fülle, doch das Duo klopft nun wirklich. Rasch stecke ich Teebeutel mit Geschmacksrichtung «Minze-Honig» in die Eimer. Nicht rasch genug. Mein Versuch fliegt auf. K 2 teilt mir mit, dass er durchaus auch ­Bares nehmen würde. Wahrscheinlich werden die Kinder in ein paar Jahren mit Kartenlesegeräten unterwegs sein oder gleich die Überweisung per Twint einfordern.

Ich gebe auf und die nächsten Süssigkeiten her. So geht es durch das Haus von Tür zu Tür. Es ist erstaunlich, welche Geschwindigkeit der Nachwuchs plötzlich an den Tag legen kann. Die Kürbis-Eimer füllen sich zusehends. Immerhin schaffe ich es, ein paar grossvolumige Mandarinen unterzubringen.

Halloween 2020 endet wie jedes Halloween: Die Beute wird auf den Wohnzimmerteppich ausgekippt, bestaunt und bewertet. Immerhin gibt es dieses Jahr keine abgelaufenen Kekspackungen, keine steinharten Lebkuchen oder After Eight-Päckchen wie in den Vorjahren. Und wie jedes Jahr werde ich die Süssigkeiten-Verstecke der Kinder aufspüren, um damit den Adventskalender zu bestücken.

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