Ice Cross Downhill: Für Südafrika am Start!

Von ‒ 14. Januar 2021

Im Alter von 42 Jahren hat Paul Aegerter mit der Extremsportart Ice Cross Downhill begonnen. Der Marketingprofi und Porträtfotograf träumt davon, eines Tages an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Den Sport will er auch der Jugend näherbringen.

Paul Aegerter betreibt die Extremsportart Ice Cross Downhill. Dabei stürzt er sich auf Schlittschuhen in die eisige Tiefe.
Paul Aegerter betreibt die Extremsportart Ice Cross Downhill. Dabei stürzt er sich auf Schlittschuhen in die eisige Tiefe. (Bild: vk)

Der Startschuss ertönt, Sekundenbruchteile danach stossen sich vier Männer mit aller Kraft aus ihren Startboxen und stürzen sich, auf Schlittschuhen und in Vollmontur, in die eisige Tiefe. In den folgenden 45 Sekunden, in denen Paul Aegerter mit über 50 Kilometern pro Stunde die steile Eisbahn runter flitzt, kommt es auf jede Bewegung an. Es geht über Bodenwellen, über Rampen und um steile Kurven, während das Adrenalin durch die Blutbahnen rauscht. Am Schluss zählt nur, wer als Erster im Ziel ankommt. Ice Cross Downhill, so heisst dieser Extremsport, «ist wahrlich nichts für Zartbesaitete», lacht iceXpaul, wie er sich als Sportler in der Szene nennt.

Der 44-jährige Schweizer mit südafrikanischen Wurzeln zog im Jahr 2000 in den Zollikerberg, wohnte danach an verschiedenen Orten am Zürichsee und nun seit knapp drei Jahren wieder im Zollikerberg. Sein Geld verdient er hauptberuflich als Marketingprofi, daneben ist er als Porträtfotograf tätig. «So kann ich mein Leben finanzieren und auch meine Kreativität ausleben», erklärt er. Denn Paul Aegerter ist ein Mensch, der Träume hat und diese, wenn immer möglich, ausleben will. Nicht zuletzt deshalb hat er sich entschieden, im Alter von 42 Jahren mit Ice Cross Downhill anzufangen. Viele haben ihn damals für verrückt gehalten, haben Dinge gesagt wie: «Da willst du dich in deinem Alter runterstürzen? Du brichst dir höchstens die Knochen!» Doch wenn sich Paul Aegerter etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er es bis zum Schluss durch – aber kalkuliert. «Ich habe mich damals so fit gefühlt, wie noch nie in meinem Leben. Also wollte ich meine eigenen Grenzen ausloten und herausfinden, was für mich alles noch drin liegt.» Darüber hinaus inspiriere ihn seine Freundschaft mit einem über 80-jährigen Herrn, der sich durch tägliches Sport­treiben bei sehr guter Gesundheit gehalten habe. «So fit wie er will ich in diesem Alter auch sein. Also muss ich schon jetzt damit beginnen, nicht wahr?»

Aller Anfang ist schwer

Seither trainiert er also regelmässig. «Ich war anfangs etwa auf 60 Prozent des Know-hows, das man braucht, um ein Ice Cross Downhill Rennen fahren zu können», erklärt er. Denn sportlich war er schon vorher, hat von Beachvolleyball bis ­Skaten so ziemlich alles ausgeübt. Dennoch war ihm klar, dass er in seinem Alter einiges mehr machen muss, als seine jüngeren Kollegen, um auf dasselbe Niveau zu kommen. «Vorgemacht habe ich mir nichts, das wäre fahrlässig gewesen.» Also investiert er unzählige Stunden in sein Training, wobei vor allem der Anfang schwer war, wie er sich erinnert: «Ich hatte ständig Schürfungen und andere Blessuren. Doch mir war klar, dass das dazugehört. Also habe ich mich einfach besser geschützt und weitergemacht.»

Heute trainiert Paul Aegerter vier- bis fünfmal die Woche, geht regelmässig im Zolliker Wald joggen und absolviert seine Übungen auch mal im Skatepark neben dem Sportplatz Riet. «Auch die Nähe zum See schätze ich. Das einzige, was mir hier fehlt, ist eine Downhill-Eisbahn im Zolliker Wald», scherzt er. Auch die Bikehalle in Uetikon sei super zum Trainieren. Denn im Vergleich mit anderen Sportarten gibt es im Ice Cross Downhill keine Möglichkeit, die Wettkampfbedingungen eins zu eins zu simulieren. Die einzige permanente Bahn für Ice Cross Downhill steht neu in Moskau. «Die Kunsteisbahn Küsnacht ist gut, um ein paar Runden auf dem Eis zu drehen, aber mit einem Rennen hat das nicht viel gemeinsam.» Trotzdem geht er regelmässig Schlittschuhlaufen. «Das Eis, die Balance, die Kälte – ­alles Bedingungen, die später im Wettkampf eine zentrale Rolle spielen.» Er erinnert sich noch gut an sein erstes Rennen überhaupt: «Acht Mal bin ich im Training gestürzt, teils ziemlich heftig. Da habe ich mich schon gefragt, ob das alles Sinn macht.» Doch er merkte, dass er es packen kann, sobald er ein Gefühl für ein Rennen entwickelt. «Am nächsten Tag ging es dann viel besser und ich wusste, dass es möglich ist.» Seither macht er erst richtig weiter. Gebrochen hat er sich bis heute nichts. «Die schlimmste Verletzung war ein verdrehtes Knie. Hoffen wir, dass es so bleibt!»

Traum von Olympia

Das Wichtigste für eine möglichst verletzungsfreie Karriere sei, das Fitnesslevel aufrecht zu halten. «Ich nutze jede freie Minute in der Woche, um fit zu bleiben. Da ich kein Profisportler bin, ist das nicht immer einfach.» Auch der ­finanzielle Aspekt spiele für ihn als Amateur eine Rolle. «Letzte Saison war es leichter, Sponsoren zu finden. Aber dieses Jahr hat Corona viele verunsichert», erklärt er und hofft, dennoch den einen oder anderen Sponsor an Land ziehen zu können. «Daneben unterhalte ich auch meine Website und Social Media-Kanäle selber. Es gibt wirklich viel zu tun als One-Man-Show ohne professionellen Support», grinst er, und sieht dabei aus, als würde er genau das auch ein wenig geniessen. «Zum Glück komme ich mit wenig Schlaf aus.»

Neben seinem Ziel, in der neuen Saison in die Top 64 der Weltrangliste zu kommen (aktuell ist er auf Rang 95 positioniert von circa 400 aktiven Männern), hat Paul Aegerter einen allgemeinen Traum. «Eines Tages schaffe ich es vielleicht als Fahrer oder Trainer vom Team Südafrika an die Olympischen Spiele.» Doch bis dahin wäre es noch ein langer Weg. Einerseits müsste der Sport als olympische Disziplin anerkannt werden und andererseits die Nachfrage und das Interesse für diesen Randsport weiter steigen. «Deshalb ist es mir ein grosses Anliegen, die Jungen für den Sport zu motivieren.» Paul Aegerter ist Vater eines achtjährigen Sohnes: «Er liebt Eislaufen. Ob er später das gleiche machen will wie ich, überlasse ich ihm.»

Die Saison 2021 sollte am 6. Februar in der Nähe von Graz (Österreich) starten, die Anzahl Rennen wurde aufgrund der Pandemie jedoch stark reduziert. Paul Aegerter wird wieder für sein zweites Heimatland Südafrika an den Start gehen. «Ich hoffe, dass wir so viele Rennen wie möglich fahren können, damit ich mich in der Weltrangliste verbessern kann», sagt er, während ein Feuer in seinen eisblauen Augen aufflammt. Seine Freude ist ihm sichtlich anzumerken und auch sein Drang, diese weiterzugeben. «Wenn sich Junge für Ice Cross Downhill interessieren, dürfen sie sich jederzeit bei mir melden.»

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