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Pandemie-Massnahmen: Mehr Gewalt gegen Kinder?

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 11. Februar 2021

Im Bezirk Meilen gibt es keinen Anstieg gemeldeter Fälle. Eine Feststellung mit geringer Aussagekraft.

Im Bezirk Meilen sind nicht mehr Gewaltdelikte an Kindern gemeldet worden. (Bild: Pixabay_ambermb)
Im Bezirk Meilen sind nicht mehr Gewaltdelikte an Kindern gemeldet worden. (Bild: Pixabay_ambermb)

Die Zahlen, die das Kinderspital Zürich zu Kindesmisshandlungen jüngst publizierte, waren erschreckend: 592 Verdachtsfälle von psychischer, physischer und sexueller Gewalt. Die besorgniserregende Entwicklung überrascht nicht, da verschiedene Beratungs- und Opferhilfestellen bereits unter dem Jahr über eine Zunahme der Fälle berichteten. Experten vermuten, dass das Coronavirus ausschlaggebend war: Lockdown, Homeoffice und Schulschliessungen bewirkten mehr Stress und Konflikte in einigen Familien. Die Belastung stieg: Grosseltern etwa konnten bei der Kinderbetreuung kaum aushelfen. Zudem kam es wegen der Pandemie zu finanziellen Engpässen, was existenzielle Ängste auslöste. Ein weiterer Faktor: Viele Menschen haben durch das Arbeiten im ­Homeoffice intensiveren Kontakt zu ihrer Nachbarschaft und bekommen eher mit, was in anderen Familien passiert. Ein Erklärungsversuch ist somit, dass es nicht mehr Misshandlungen gibt, sondern Menschen ­häufiger hinschauen, Zivilcourage zeigen und bei der Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle um Rat fragen. In Zollikon und ­Zumikon wurde allerdings kein Anstieg von Verdachtsfällen verzeichnet. Das deckt sich mit der Erfahrung von Monika Brunsting, die ihre ­Praxis für Psychotherapie, Coaching und Lerntherapie in Zumikon führt. «Ich konnte das hier nicht beobachten, vermute aber, dass es in anderen Quartieren anders aussieht.»

Das bestätigt grundsätzlich auch Kurt Giezendanner, Präsident der KESB Bezirk Meilen. «Wir konnten keinen Anstieg effektiver Misshandlung feststellen, auch nicht bei den Meldungen der Polizei über ­Gewalt in Familien.» Im ersten Lockdown verzeichnete die Polizei sogar einen leichten Rückgang. Doch diese Feststellung sei mit Vorsicht zu geniessen und habe nur wenig Aussagekraft. Wenn Leute im Homeoffice oder wegen Kurzarbeit zu Hause seien, fehlten den Opfern, das können Erwachsene oder Kinder sein, oftmals eine Ausweichmöglichkeit. Entweder werden Konflikte umgangen oder es wird keine Meldung erstattet, weil die gefährdende Person immer zuhause ist und weitere Gewalt ­befürchtet wird. Die Befürchtung der KESB, dass es nach dem ersten Lockdown im Kindesschutz zu ­einem massiven Anstieg der Fälle kommen könnte, wurde nicht bestätigt. Allerdings seien über die Schulen mehr Meldungen eingegangen. Oft haben Lehrpersonen festgestellt, dass die häuslichen Strukturen ungenügend sind, um den Kindern im Fernunterricht die nötige Unterstützung zu geben.

Kurt Giezendanner: «Grundsätzlich ist zu sagen, dass im Bezirk Meilen der Anteil an Kindesschutzmassnahmen gemessen an der ­Gesamtbevölkerung im kantonalen Vergleich sehr tief ist.» Nur der Bezirk Horgen liege noch tiefer.

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