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Drainagen-Knatsch

Von Simon Bühler ‒ 13. Mai 2021

Der Zolliker Gemeinderat hat ein «Leitbild für die Land­wirtschaft» beschlossen. Dafür sprach er einen Kredit von 160 000 Franken für externe Beraterfirmen. Bei den zwei letzten Landwirten von Zollikon sorgt das für Kopfschütteln.

Das Beispiel einer nicht funktionierenden Drainage auf dem Feld bei der Rüterwies. Das Wasser sammelt sich und das Feld kann in weiten Teilen nicht bewirtschaftet werden. (Bilder: cef)
Das Beispiel einer nicht funktionierenden Drainage auf dem Feld bei der Rüterwies. Das Wasser sammelt sich und das Feld kann in weiten Teilen nicht bewirtschaftet werden. (Bild: cef)

Die Gemeinde Zollikon ist Eigentümerin von rund 74 Hektaren Landwirtschaftsland. Das entspricht rund 105 Fuss­ballfeldern. Der überwiegende Teil ist an die letzten zwei Landwirtschaftsbetriebe von Fabian Weber und Thomas Friedli verpachtet, der Rest an Vereine und Privatpersonen. Etwa 32 Hektaren Gemeindeland und 28 Hektaren Privatland – also die Fläche von 60 Hektaren oder rund 85 Fussballfeldern – liegen im sogenannten «Meliorationsgebiet». Dabei handelt es sich um Feucht­gebiete, welche zur Gewinnung von Agrarland in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mittels unterirdisch verlegter Drainage-Wasserableitungen trockengelegt und so für die Landwirtschaft nutzbar gemacht wurden. Viele dieser Drainageleitungen bestehen aus wartungsintensiven Tonröhrchen, die ohne regelmässige Spülung immer wieder verstopfen und in Zollikon wegen jahrelang vernachlässigter Pflege akut sanierungsbedürftig sind.

Reparaturen auf eigene Rechnung

Bis 1970 kümmerten sich Meliorationsgenossenschaften um den Unterhalt der Drainagen. Im April 1970 wurden deren Rechte und Pflichten auf die Politische Gemeinde Zollikon übertragen. «Bei dem Drainagesystem, welches vor allem Ackerflächen, aber auch Schrebergärten unteradert, handelt es sich um ein fischgratartig verlegtes System von Hauptleitungen und Nebenleitungen, welches aus feinen Tonröhrchen gebaut wurde, wofür heute orange PVC-Röhren verwendet werden», erklärt der ­alteingesessene Zolliker Landwirt ­Daniel Weber, der heute in Maur wohnt und dort – alimentiert vom Kanton Zürich – als Präsident der Unterhaltsgenossenschaft für Drainagen verantwortlich ist. Sein Sohn Fabian Weber, der vor acht Jahren den Hof übernommen hat und seither für die ­Bewirtschaftung der familieneigenen Agrarflächen tätig ist, ergänzt: «Wir haben die Tonröhrchen in den letzten Jahren immer wieder auf eigene Rechnung geflickt und dafür von der Gemeinde keinerlei Unterstützung erhalten.» Dabei sei es wichtig, das Drainagenetz kontinuierlich an den Schlüsselstellen zu spülen und die Stellen, wo die Pflanzen unter Wasser stehen, zu sanieren oder zu ersetzen. Der Fussballplatz ­Rüterwies im Zollikerberg sei ein Musterbeispiel für die Problematik: «Dort sieht jeder Laie, was passiert, wenn beim Unterhalt der Drainagen nichts gemacht wird», sagt ­Fabian Weber.

Wenn der Sparstift regiert

Landwirt Thomas Friedli stösst ins gleiche Horn und macht deutlich, wo aus Sicht der Praktiker der Schuh drückt: «Als ich vor 20 Jahren den Hof übernahm, war die ­Zusammenarbeit mit der Gemeinde noch okay» erinnert sich Friedli. «Man hatte miteinander gesprochen und pragmatisch nach Lösungen gesucht.» Damals habe man die Leute noch persönlich gekannt und konnte mit ihnen auf Augenhöhe reden, «weil sie etwas von der Landwirtschaft verstanden». Irgendwann habe man bei der Gemeinde jedoch angefangen zu sparen. Nach und nach seien die Beiträge zum Unterhalt der Drainagen dem ­Sparstift zum Opfer gefallen. «Die Zuständigkeiten wurden immer ­unklarer. Heute hat man mit Theoretikern zu tun, die kommen und gehen und ständig die Funktion wechseln. Diese Leute umgeben sich lieber in ihren Büros mit ­Experten, anstatt mit den Praktikern auf dem Feld nach pragmatischen Lösungen zu suchen.» Die Zuständigkeiten in der Gemeinde Zollikon seien unklar: «Das Thema des Drainagen-Unterhaltes wird seit mehreren Jahren ständig zwischen der Bau- und Liegenschaftsabteilung hin und her geschoben.»

Mit dem Vorwurf konfrontiert, dass in den letzten Jahren der Unterhalt an den Drainagen von der Gemeinde Zollikon vernachlässigt wurde und nun für eine relativ hohe Summe an Steuergeld eine externe Bestandesaufnahme in Auftrag gegeben wird, nimmt Gemeindeschreiber Markus Gossweiler folgendermassen Stellung: «Es ist zutreffend, dass in den letzten Jahrzehnten sehr ­wenig Aufwand betrieben wurde für den Unterhalt der zum Teil sehr alten Drainageleitungen. Damit für die Zukunft klare Verhältnisse und Entscheidungsgrundlagen geschaffen werden, hat der Gemeinderat das Projekt in Auftrag gegeben. Die zuständige Abteilung hat sich mit den landwirtschaftlichen Pächtern auf eine pragmatische Erfassung der Ist-Situation geeinigt. Diese soll allfälligen Nachholbedarf und zweckmässige Unterhaltsmassnahmen aufzeigen.»

Zu den unklaren Zuständigkeiten und zur Auflösung der Unterhaltsgenossenschaften sagt Gossweiler: «Seit rund zwölf Jahren obliegt dies der Liegenschaftsabteilung. Vorher war die Bauabteilung zuständig. Die Meliorationsgenossenschaften wurden an der Grundeigentümerversammlung vom 16. April 1970 aufgelöst und deren Rechte und Pflichten auf die politische Gemeinde Zollikon übertragen. Das damals übertragene Vermögen betrug 2242.80 Franken.» Die Unterhaltskosten über die letzten fünf Jahrzehnte könne man bei der Gemeinde nicht ermitteln. «Es ist eines der Ziele der laufenden Untersuchungen, den längerfristigen Unterhaltsbedarf zu ermitteln.»

Wie lautet die Empfehlung des Kantons, wie die Gemeindebehörden mit ehemaligen Meliorationsgebieten umgehen soll? Die Baudirektion des Kantons Zürich schreibt dazu: «Den Gemeinden wird seitens Kanton empfohlen, eine Unterhaltsordnung für die Bodenverbesserungsanlagen zu erlassen oder die Gründung einer Unterhaltsgenossenschaft zu prüfen und wenn möglich zu unterstützen, damit der Unterhalt der Anlagen verbindlich geregelt wird.».


Leitbild für die Landwirtschaft
Anfangs März hat der Gemeinderat von Zollikon ein Leitbild für die Landwirtschaft verabschiedet. Dabei sorgen insbesondere die feuchten Meliorationsgebiete für Gesprächsstoff. Diese wurden während des Zweiten Weltkriegs mittels Drainageleitungen nutzbar gemacht. Viele dieser Drainagen sind heute sanierungsbedürftig. Die involvierten Landwirte erheben nun den Vorwurf, dass in den letzten Jahren der Unterhalt an den Drainagen von der Gemeinde Zollikon vernachlässigt wurde und nun für eine relativ hohe Summe an Steuergeld eine externe Bestandesaufnahme in Auftrag gegeben wird, während sich mit dieser Summe der Unterhalt über mehrere Jahre gezielt und pragmatisch bewerkstelligen liesse.

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Eine Antwort

  1. Hecken und jede Vielfalt wurden von Weber schon lange weggewirtschaftet und weggedüngt. Auch werden Böden durch übergrosse Fahrzeuge kaputtverdichtet. Lieber keine Bauern als solche.

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