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Glosse

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 19. Juni 2021

Ich war ein unordentliches Kind. Aufräumen bedeutete: Alle Klamotten aufs Bett und Decke drüber. Playmobil, Barbies, Plüschtiere und Co. wurden unter das Bett geworfen. Fertig. Ich war eine chaotische Studentin.

Symbolbild (Bild: Andreas Lischka, Pixabay)
Symbolbild (Bild: Andreas Lischka, Pixabay)

Das schmutzige Geschirr wurde in Ermangelung einer Abwaschmaschine im Backofen gestapelt, bis es wirklich keinen sauberen Teller und kein sauberes Glas mehr im Schrank gab. Der Stuhl «noch nicht ganz schmutzig, aber nicht mehr ganz sauber» verschwand unter ­einem Wäscheberg. Man konnte im wahrsten Sinne vom Boden essen.

Vor dem Termin auf dem Standesamt habe ich drei Tage meine Geburtsurkunde gesucht (und bei abgelegten Liebesbriefen gefunden). Mit dem Innenleben meines ersten Autos hätte ich einen Kindergeburtstag bestücken können.

Und jetzt höre ich mich ­Sätze sagen wie «Was ist das für ein Saustall! Was nicht in einer Minute aufgeräumt ist, landet auf dem Müll» (was ich natürlich niemals machen würde). Ich meckere über schmutzige Schuhe, über Unordnung auf und unter Schreibtischen. Ich stelle so merkwürdige Fragen wie «Was hat deine Jacke auf dem Fussboden verloren?» oder auch gerne «Glaubst du, ich bin auf dieser Welt, um hinter dir her zu räumen?» Ich entwerfe in Gedanken flammende Reden an meine Kinder, in denen Kalkflecken durch Wassertropfen auf der Duschwand eine tragende Rolle spielen.

Wann genau bin ich zu ­einem Wesen geworden, das einen überquellenden Mülleimer nicht mehr ignorieren kann? Seit wann duze ich den Staubsauger?

Vielleicht war es, als ich das allererste Mal VOR einer Party geputzt habe.

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