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«Wir möchten hier Wurzeln schlagen»

Von Simon Bühler ‒ 8. Juli 2021

Basketball-Trainer Dragan Andrejević wurde jüngst mit den Starwings Basket Regio Basel Vize-Schweizermeister und damit zum Coach des Jahres gewählt. Im Gespräch zieht der Erfolgstrainer eine Parallele zum Exploit der Schweizer Fussball-Nati und erklärt, warum er mit seiner Familie im Zollikerberg seine neue Heimat gefunden hat.

Basketball-Trainer Dragan Andrejevic lebt mit seiner Familie im ­Zollikerberg: Jüngst wurde er zum Coach des Jahres gewählt.(Bild: sb)
Basketball-Trainer Dragan Andrejevic lebt mit seiner Familie im ­Zollikerberg: Jüngst wurde er zum Coach des Jahres gewählt.(Bild: sb)

Herr Andrejević,mit der Vize-Meisterschaft ist Ihnen ein sensationeller Erfolg gelungen. Sie haben die Starwings als erste und einzige Deutschschweizer Mannschaft in der Nationalliga A in die Playoffs und zum allerersten Mal bis ins Final geführt. Warum ist der Spitzen-­Basketball in der Deutschschweiz eigentlich derart schwach aufgestellt?

Das habe ich mich auch gefragt, als ich vor rund fünf Jahren mit meiner Familie in die Schweiz kam. Ich hoffe, dass mit dem Erfolg die Leute in der Deutschschweiz aufwachen. Es interessieren sich jedenfalls bereits deutlich mehr Kids für unseren Sport und auch neue Sponsoren melden ihr Interesse an. Basketball ist in der Romandie und im Tessin besser aufgestellt, weil die Sportart im benachbarten Frankreich und Italien neben Fussball ebenfalls sehr populär ist. Im Kanton Zürich spielen mit den Goldcoast Wallabies in Küsnacht und GC bedauerlicherweise nur zwei Teams in der Nationalliga B. Das würde ich mittelfristig gerne ändern, denn Zürich hätte grosses Potenzial für einen starken Club.

Warum haben Sie sich ausgerechnet in Zollikon niedergelassen?

Da muss ich etwas ausholen. Meine Frau und ich sind in unserem Leben schon oft umgezogen. Wir haben uns während des Studiums in Belgrad kennengelernt. Sie studierte Medizin und ich Sport. Nach 15 erfolgreichen Jahren als Nachwuchstrainer in der Basketball-Akademie von Roter Stern Belgrad und zwei U18-Europameister-Titeln erhielt meine Frau 2010 eine Stelle in einer psychiatrischen Klinik in Bayreuth. Auch wenn mir der Abschied von Belgrad schwergefallen ist, sind wir nach einer kurzen Testphase 2011 gemeinsam in diese bayerische Kleinstadt gezogen mit einer komplett fremden Sprache und Mentalität, was sich für mich wie ein riesiger Berg angefühlt hat. Aber das Glück eines Mannes liegt dort, wo seine Frau ist – dann klappt es auch mit dem Job, das habe ich in meinem Leben gelernt.

Glücklicherweise gibt es in Bayreuth einen Club, der in der obersten deutschen Basketball-Liga spielt. So habe ich dort schnell Anschluss und eine Anstellung als Assistenztrainer der ersten Mannschaft und als Nachwuchsverantwortlicher gefunden. In Bayreuth sind auch unsere Kinder zur Welt gekommen. Nach rund drei Jahren sind wir nach München gezogen, weil ich ein Angebot vom FC Bayern erhielt, für die Basketball-Abteilung die Nachwuchsförderung zu leiten und meine Frau in eine Münchner Klinik wechseln konnte, die ihre Karriere als Psychiaterin positiv beeinflusste. 2017 erhielt sie ein Angebot einer Klinik im Zürcher Oberland und ich fand zunächst in Vevey eine Stelle als Basketball-Trainer, bevor ich bei den Starwings in Birsfelden als Coach sowie als Sportlehrer an ­einer internationalen Schule in Basel verpflichtet wurde. Mit viel Glück fanden wir im Zollikerberg eine schöne Wohnung an der Oberhubstrasse. Wir leben hier praktisch mitten in der Natur und fühlten uns von Anfang an mit den Nachbarn und der Gemeinde eng verbunden.

Wie sind Ihre Kinder angekommen?

Unsere Kinder haben viel dazu beigetragen, dass wir uns hier sozial so schnell integrieren konnten. Sie sind glücklich und fühlen sich hier sicher. Unsere Tochter Una ist jetzt fünf Jahre alt und besucht den Kindergarten. Sohn Luka geht in die zweite Klasse. Beide besuchen das Betreuungshaus Rüterwis, wo sie enorm gut betreut werden. Wir möchten hier mit unseren Kindern Wurzeln schlagen; ich sehe keinen Grund, Zollikerberg je wieder zu verlassen, auch wenn mein Arbeitsweg nach Basel anstrengend ist. Obwohl ich die Arbeit in Birsfelden und Basel sehr schätze, setze ich alles daran, dass der Basketballsport im Kanton Zürich bald besser aufgestellt ist. An zu wenig Talenten und Geld kann es jedenfalls nicht liegen … Es ist eine Frage der Strategie, Organisation und ­Kooperation zwischen den besten Clubs. Möglicherweise hätte GC das Potenzial, sich als Leader zu positionieren, weil der Club eine grosse Ausstrahlung hat. Aus meiner Sicht müssten nur kleine Details verbessert werden.

Ihre Erfolgsstory vom Aussenseiter zum Vize-Schweizermeister hat Parallelen zum Exploit der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft, die an der EM über sich selber hinausgewachsen ist.

Das stimmt. Wir hatten in der Vorrunde zehn Spiele hintereinander verloren, und letzten Winter hätte niemand gedacht, dass wir die Playoffs, geschweige denn die Finalspiele erreichen könnten. Das ging der Schweizer Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen den aktuellen Weltmeister Frankreich ähnlich. Aber beide Mannschaften haben es geschafft, das scheinbar Unmögliche wahr zu machen.

Wie die Fussball-Nati unter dem kroatisch-stämmigen Nationaltrainer Vladimir Petković, haben auch Sie als Trainer mit mazedonischen Wurzeln mehrere Top-Spieler mit familiärem Hintergrund im Balkan im Team. Worauf basiert das Erfolgsrezept, womit derzeit so viele Spieler mit südslawischen Wurzeln den Schweizer Sport inspirieren?

Ein Grund liegt darin, dass das ­Leben in den Ländern Ex-Jugoslawiens aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht einfach ist. Der Spitzensport eröffnet der jungen Generation einen Ausweg in ein besseres Leben. Das ist eine starke Energie. In der Schweiz wird bereits den kleinen Kindern vermittelt, dass es möglich ist, Erfolg zu haben, wenn man geduldig an seinen Fähigkeiten arbeitet. Diese Geduld und Ruhe beim Verfolgen einer Karriere halte ich für eine grosse Qualität der Schweiz. Das Erfolgsrezept liegt am Ende im Zusammenspiel der verschiedenen Qualitäten und Talente. Ich habe den Eindruck, dass es uns und auch der Schweizer Nationalmannschaft gelungen ist, innerhalb des Teams zu erkennen, wo die Qualitäten liegen und sich dabei an gewisse Regeln zu halten. Ich versuche meinen Spielern Freiräume zu geben – allerdings mit der Aufforderung, für das eigene Tun Verantwortung zu übernehmen und Fehler selbstkritisch zu analysieren. Die Frage muss lauten: Was müssen wir tun, um Situa­tionen herzustellen, in denen uns weniger Fehler unterlaufen.

Mit Dragan Andrejevi sprach Simon Bühler


Steckbrief

Dragan Andrejević wurde 1974 in Mazedonien geboren und wuchs in der Nähe von Belgrad auf. 18-jährig entscheidet er sich gegen eine Basketball-Profikarriere und nimmt ein Sportstudium auf. Dabei lernt er seine Frau Ivana kennen und arbeitet nach dem Studium 15 Jahre lang erfolgreich als Nachwuchstrainer in der Basketball-Akademie von ­Roter Stern Belgrad. Danach zieht das Paar aus beruflichen Gründen nach Bayreuth, wo Sohn Luka (8) und Tochter Una (5) geboren werden. Nach einer Zwischenstation in München, wo Andrejević beim FC ­Bayern für das Nachwuchsprogramm verantwortlich ist, zieht die ­Familie wiederum aus beruflichen Gründen in die Schweiz und findet im Zollikerberg die Wahlheimat ihrer Träume.

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