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«Eine Art Soundtrack der Krise»

Von Simon Bühler ‒ 16. Juli 2021

Silas Kutschmann alias «Elija Tamou» ist jüngst im Rahmen des Mittendrin-Projekts aufgetreten. Der 30-jährige Electro-Soul-Künstler spricht über die Wurzeln seines Künstlernamens, unkultivierte Bravo-Hits und die Chancen der Selbstfindung, die die Corona-Pandemie eröffnete.

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Silas, was hat es mit deinem Künstlernamen «Elija Tamou» auf sich?

Der Name ist relativ neu. Bis letzten Herbst war ich unter meinem bürgerlichen Namen als Musiker unterwegs.

Bei den Vorbereitungen auf meine Masterarbeit im September 2020, für die ich an der Zürcher Hochschule der Künste als Absolvent der Pop-Klasse ein Master-Konzert gab, war für mich ein stimmiger Zeitpunkt gekommen, mein Schaffen unter einem Künstlernamen zu präsentieren. Dies auch in Abgrenzung zu den Auftragskonzerten, die ich etwa an Hochzeiten und an Firmenanlässen gebe, wo oft Cover-Versionen gefragt sind. Ich begreife «Elija ­Tamou» als ambitioniertes Musik­projekt, das meine ureigene musikalische und künstlerische Identität auf den Punkt bringt. ­«Tamou» ist eine Variante meines äthio­pischen Zweitnamens Habtamu, wie er auch in meinem Pass steht. Und «Elija» hat als Buchstabenkombination meine Schönheitskriterien für Fantasieworte perfekt erfüllt. Der Name gefällt mir schlicht auch einfach klangmalerisch, weil ich Zischlaute mag.

Wie würdest du den Stil deiner ­Musik bezeichnen, welche Einflüsse prägen dich, und welche Ziele verfolgst du mit dem Projekt?

Ich bin musikalisch relativ unkultiviert im Grossraum St. Gallen aufgewachsen. Meine erste CD war ­irgendeine Compilation von Bravo-Hits. Ich habe zwar bereits als 10-Jähriger erste einfache Popsongs geschrieben, aber so richtig ins Songschreiben eingetaucht bin ich erst mit zwanzig Jahren. Ich würde meinen Stil heute als Electro-Soul bezeichnen. Er wird aber gerne auch als Electro-Pop oder Synth-Pop beschrieben. Ich verstehe mich als Singer und Songwriter, der mit elektronischen Elementen und Loops arbeitet. Stark geprägt haben mich die Soundskulpturen von James Blake oder die Songs von Bon Iver. Dabei hat besonders James ­Blake für meine musikalische Prägung eine herausragend wichtige Rolle gespielt, weil er quasi als «Meta-­Musiker» mit seinem Schaffen viele Musiker inspiriert. Meine Musik ist aber auch von Coldplay und Bruno Mars geprägt, die es schaffen, ein grosses Publikum zu begeistern.

Wie hast du als Musiker die Coronakrise erlebt?

Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, aber ich habe die plötzliche Ruhe und Isolation enorm geschätzt. Für mich war es eine Zeit der Reflexion, in der ich viel über mich und meine Rolle als Musiker nachdenken durfte und gelernt habe, wer ich im Grunde bin. Als Musiker haben wir das Privileg, tun zu dürfen, was wir lieben. Umgekehrt erkenne ich darin auch eine Pflicht, der Gesellschaft zu dienen und Hoffnung zu geben. Dieser Prozess war bei mir mit persönlichen Themen wie Leid, Schmerz, aber auch Trost und Hoffnung verbunden. Ich habe versucht, all diese Emotionen in Musik und Texte zu verpacken und eine Art Soundtrack der Krise zu schreiben. Insofern war das Corona-Jahr für mich persönlich eine super Erfahrung. Die Krise hat mich jedenfalls in mehrfacher Hinsicht zum Umdenken gezwungen. Finanziell habe ich mich mit einem Patchwork-Modell über Wasser gehalten. Ich arbeitete einerseits in meinem angestammten Beruf als Primarlehrer, andererseits als Hauswart, und im Spätsommer hatte ich auch viele Auftritte an Hochzeiten. Zudem habe ich Podcast- und Konzert-Streaming-Formate auf Plattformen wie www.sofaconcerts.org schätzen gelernt, die Musikern eine neue Einkunftsquelle eröffnen. Nach den Sommerferien werde ich einen Teilzeitjob als Lehrer antreten und auf dieser Basis meine Karriere als Musiker vorantreiben.

Welche Bedeutung hat für dich der Auftritt beim Mittendrin-Projekt, und wie hast du den Event und die Videoaufzeichnung in Erinnerung?

Ich bin von der Professionalität begeistert. Rein technisch, was die Qualität der Audio- und Videoaufzeichnung betrifft, aber auch von den Gastgeberqualitäten der Veranstalter. Es war eine sehr wohlwollende Atmosphäre mit einem aufmerksamen Publikum und einem super feinen Apéro (lacht). Was mir am Mittendrin-Projekt besonders gefällt, ist die grosse Bandbreite der Künstler, denen eine wertvolle Plattform geboten wird und nach einer langen Durststrecke die Chance eröffnet, wieder Fuss zu fassen.


Mittendrin: Kultur bei Fröhlich

Junge Kunstschaffende haben durch Corona ihre Bühne verloren. Die Fröhlich Info AG solidarisiert sich mit den Talenten, öffnet ihnen die Türe und stellt ihnen den Maschinenraum für Projekte zur Verfügung. Eine Plattform mittendrin, die es ihnen ermöglicht, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie arbeiten künstlerisch, stehen am Anfang Ihrer beruflichen Laufbahn und möchten in unseren Räumlichkeiten Ihr Können zeigen? Schreiben Sie uns eine E-Mail.

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