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Lieblingsorte

Von Birgit Müller-Schlieper ‒ 29. Juli 2021

Zurzeit werden tolle Ausflugsziele zu Hauf angepriesen. Hier das Bergrestaurant mit atemberaubendem Ausblick, dort die Seebadi mit Aquapark und Sprungturm. In den ­Sommerferien empfiehlt auch die Redaktion des Zolliker Zumiker Boten besondere Orte – nämlich unsere persönlichen Lieblingsorte. Plätze, an denen wir zur Ruhe kommen und Kraft tanken, oder Plätze, an die wir uns einfach gerne erinnern. Vielleicht können wir Sie ja inspirieren, einen neuen Lieblingsort zu finden.

Am Rumensee kommen Gedanken zur Ruhe

Er kann einem fast ein bisschen leid tun, der Rumensee. Er möchte so gerne ein richtiger See sein. Und so bietet er mehrere Feuerstellen, ein WC-Haus (das seit langem geschlossen ist), mehrere Rettungsstangen für den Fall, dass wirklich mal jemand ins Wasser fällt. Es gibt eine überdimensionale Hänge­matte, in die ich mich noch nie gelegt habe – obwohl ich es so gerne ausprobieren würde. Die Angst beim Ausstieg extrem unelegant zu wirken, ist einfach zu gross. Es gibt unzählige Hinweisschilder. Was natürlich ganz wichtig wirkt. So weiss der Spaziergänger, dass er in 6 Stunden und 25 Minuten in Feldbach sein könnte – wenn er denn will. Bis Waldburg sind es nur 40 Minuten. Es gibt auch einen Hinweis, in welcher Richtung der Sous-Sol ist. Die Übersetzung davon heisst Untergeschoss. Gibt es einen unterirdischen Platz, von dem ich nichts weiss? Und was bitte sind das für metallische Installationen auf der Wiese? Warum sind da mehrere Ketten? Wen oder was soll ich da anketten? Es hat den Anschein von moderner Kunst.

Das alles braucht der Rumensee doch eigentlich gar nicht. Er ist von Natur aus – im wahrsten Sinne – mystisch. Das Wasser ist mal klar, mal grünlich und immer geheimnisvoll. Das Schilf verhindert den freien Blick, die Äste der umstehenden Bäume hängen tief und seufzend. Alle paar Meter steht eine Bank – und das ist gut so. Wer zum Rumensee kommt, der will keine Strecke machen. Der will innehalten, eine Pause vom Alltag nehmen. Der kleine See zwischen Küsnacht, Zollikon und Zumikon ist der ­perfekte Ort, um schreiende Gedanken zu besänftigen, um Mut zu tanken, um den Wolken am Himmel nachzuschauen.

Wer möchte, der kann auch den Weg zur Friedhofkapelle Hinterriet bergauf nehmen und von dort auf den Zürichsee schauen. Der sieht wie immer toll aus. Gross, eindrücklich, weltoffen. Aber eigentlich braucht es das nicht. Es reicht völlig, auf die klitzekleinen Wellen des Rumensees zu schauen, zu staunen, wie perfekt sich die Äste im Wasser spiegeln und die Gedanken schweifen lassen. Im allerbesten Fall hat man nicht einmal ein Natel dabei – aber das klingt fast schon verwegen.


Schmutzige Nägel statt grüner Daumen

Einen Garten zu haben, ist immer schön. Im vergangenen Frühjahr war er Gold wert. Als der Lockdown uns alle in die Leere, in Fassungslosigkeit, in Angst stürzte, habe ich Unkraut gejätet – oder das, was ich dafür halte.

Als es hiess «stay home», blieb ich nicht zu Hause, sondern im Garten. Der ist eh eine Oase. Der Blick geht ins Tobel, bei klarer Sicht erstrahlen die schneebedeckten Gipfel am Horizont, Kühe samt Kälbern mahlen schnaufend das Gras. Alles schön. Aber 2020 war das Jahr des Pflanzens und Buddelns. Es hat mich im wahrsten Sinne geerdet. Ich habe keine grünen Daumen – ich habe nur schmutzige Fingernägel. Aber das ist mir egal.

Geld, das sonst in Klamotten an­gelegt worden wäre, floss in den ­Boden. Ich kaufte Blumen und Gewächse, deren Namen ich nie zuvor gehört hatte und verteilte sie grosszügig im Garten. Ich legte ein Kräuterbeet an, über das sich die Katzen der Nachbarschaft immens freuten und es als Aussentoilette einweihten. Ich legte ein Hochbeet an und streckte den Katzen die Zunge raus. Ich erwarb ein halbes Dutzend riesiger Blumenkübel und staunte, wieviel Erde da rein geht. Ich zog Sonnenblumen im Wohnzimmer vor und musste zusehen, wie eine Handvoll Schnecken sich Wochen später über das Festmahl freute.

Als es kalt wurde, habe ich meine Lieblinge in den Keller verfrachtet, regelmässig gegossen und manchmal sogar extra das Licht ange­lassen. Das soll Quatsch sein, behauptet mein Mann. Das habe ich ignoriert. Ich glaube, der gute Wille zählt und Blumen spüren das. Und wirklich: Die meisten Pflanzen ­haben überlebt. Natürlich gärtnere ich dieses Jahr weiter. Während ich Klee rausreisse und Löwenzahn aussteche, denke ich nicht an
R-Werte, an Inzidenzien, an PCR-Tests. Dann frage ich mich höchstens, wo die Pflaster gegen Rückenschmerzen sind.


Herrlich unaufgeregt

Der Spielplatz an der langen roten Rutsche war über viele Jahre absoluter Lieblingsort. Interessanter Weise heisst er wirklich bei allen «Spielplatz an der langen roten Rutsche». Das ist vielleicht etwas lang, dafür sehr konkret. Natürlich ist der Spielpatz auf dem Dorfplatz viel schöner. Die Geräte sind neuer und wahrscheinlich pädagogisch total durchdacht. Aber der Dorfplatz hat seine Tücken – vor allem für kleine Kinder. Schwupps und schon sind sie in den verführerischen Lift zur Tiefgarage eingestiegen. Oder schwupps und schon sind sie mal eben eine der beiden Abgänge zur Forchbahn runtergelaufen. Da ist man als Mutter nur einen klitzekleinen Moment abgelenkt und schon sind Sohn oder Tochter nicht mehr zu sehen und der Puls steigt. Ein Problem ist auch der Supermarkt am Dorfplatz – früher Coop, nun Aldi. Da hat frau den ganzen Rucksack voll mit ungesüsstem Früchtetee, Apfelschnitzen, Dinkelcrackern und Reiswaffeln, doch das Kind verlangt Glace. Und Eistee. Und weil IMMER irgendeine Mutter nicht standhaft bleibt und ihren eigenen Nachwuchs mit Glace versorgt, gibt man selber auch nach und isst die leicht angebräunten Apfelschnitze selber.

Ganz anders auf dem Spielplatz an der langen roten Rutsche. Hier gibt es überhaupt keine Verlockungen. Es gibt Sand, Schaukel, Rutsche und ein Klettergerüst, das mit Muskelkraft angetrieben werden muss. Das Ganze hat das Flair der frühen 90er Jahre und ist somit herrlich unaufgeregt.

Idyllisch liegt der Spielplatz am Farlifang. Das handbetriebene Klettergerüst wurde zur Freude der Mütter mittlerweile abgebaut. (Bild: bms)

Der kleine Bach plätschert fidel vor sich hin und fällt ein Kind mal rein, ist es halt nass. Dafür lassen sich da schöne Staudämme bauen oder Hindernisse aus Steinen. Im Sandkasten kann mit ein paar Eimern Wasser die perfekte Konsistenz für eine Burg hergestellt werden. Aus Ermangelung von Alternativen stopfen die lieben Kleinen auch die sandpanierten Dinkelcracker in sich rein.

Ganz wichtig ist aber, das Kind vor dem Heimweg mal kurz auszuschütteln, damit der Sand auch im Kasten bleibt. Und vielleicht führt der Weg ja sogar am Supermarkt vorbei, weil Mami so Lust auf eine Glace hat.

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