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Vom Glück und dem Willen, etwas zu verändern

Von Sandra Strickler ‒ 2. September 2021

Ende 2017 stand Lena Wäppling mitten im Leben. In ihrer Funktion als Ingenieurin in einem grossen Konzern war die damals 49-Jährige für über 1700 Mitarbeitende verantwortlich und fand den Ausgleich im Kreise ihrer Familie. Kurz vor Weihnachten wandte sich die geborene Schwedin mit einem alltäglichen Problem an ihren Hausarzt: Es plagte sie ein mühsamer Husten. Was dann folgte, leitete ihr Leben ­unerwartet in neue Bahnen.

Lena Wäppling möchte mit ihren Erfahrungen anderen Frauen helfen und Aufklärungsarbeit leisten. (Bild: zvg)

Was passierte im Dezember 2017?

Ich hatte seit Wochen einen Husten, der nicht besser wurde. Also ging ich zu meinem Hausarzt, in der Hoffnung einen etwas stärkeren Hustensaft verschrieben zu bekommen. Beim routinemässigen Ab­hören meiner Lunge stellte er ein Geräusch fest, das näher abgeklärt werden musste. Es bestand Verdacht auf eine Lungenembolie. Ich wurde geröntgt, und man sah, dass ich viel Flüssigkeit in der Lunge hatte, die notfallmässig entfernt wurde. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Ich hatte mit dem Hausarzt bereits einen Termin ausgemacht für die Nachkontrolle. Als die Praxisassistenz am Morgen des Termins anrief und mich bat, meinen Mann mitzubringen, ahnte ich Böses. Und so kam es auch. In der Lungenflüssigkeit waren Krebszellen gefunden worden. Nach weiteren Untersuchungen stand fest, dass ich einen faustgrossen Tumor am Eierstock hatte. Mein Onkologe bat mich, nicht im Internet nach Eierstockkrebs zu suchen. Was ich zum Glück auch nicht tat.

Wie gingen Sie mit dieser Hiobsbotschaft um?

Zuerst konnte ich es nicht glauben. Ich fühlte mich gut. Auch der Husten war nach der Punktierung der Lunge weg. Ich fühlte mich komplett gesund. In zwei Tagen war Weihnachten. Um mir zu helfen, alles zu realisieren, machte man einen Ultraschall, so dass ich den Tumor mit eigenen Augen sehen konnte. Ich wäre am liebsten sofort in den Operationssaal gerannt, wollte, dass man ihn mir so rasch als möglich entfernt. Doch mein Onkologe erklärte mir, dass man das hochspezialisierte Team erst nach den Festtagen in Zürich versammeln könne. Und so feierten wir Weihnachten und Neujahr, im Wissen darum, dass ich an einer tödlichen Krankheit leide. Das war total surreal.

Sie sitzen heute, vier Jahre später, scheinbar komplett gesund vor mir.

Ich hatte wahnsinnig viel Glück. Die achtstündige Operation war erfolgreich, es folgten sechs Runden Chemotherapie. Ich verlor meine Haare und war am Ende meiner Kräfte. Aber man fand keine Krebszellen mehr in meinem Körper. Eine sogenannte komplette Remission.

Wie fühlte sich das an?

Genauso surreal wie die Diagnose. Zu diesem Zeitpunkt traute ich mich erstmals, Eierstockkrebs zu recherchieren. Und die Fakten waren schockierend. In der Schweiz erkranken rund 630 Frauen pro Jahr an Eierstockkrebs. 420 davon sterben. Da die Symptome so diffus sind, wird diese Art Krebs in rund 70 Prozent der Fälle erst entdeckt, wenn er schon weit fortgeschritten ist. Ich war schon im vierten von vier Stadien, als ich diagnostiziert wurde. Eierstockkrebs in Stadium vier hat eine Rückfallquote von 90 bis 95 Prozent.

Wie gehen Sie mit diesen Informationen um?

Ganz praktisch. Ich gehe alle sechs Monate zu einer Nachkontrolle. Da schwingt immer Unsicherheit mit, denn die Zahlen sind klar nicht auf meiner Seite. Und ich musste lernen, meinem Körper wieder zu vertrauen. Vor der ersten Diagnose hatte ich nicht gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Und das würde ich vermutlich auch bei einem Rückfall nicht. Doch ich habe schon während der Chemotherapie begonnen, meine Erlebnisse in einem Blog zu verarbeiten. So schuf ich eine Plattform für Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind, wie ich es damals war. Das half.

Im Mai 2019 gründeten Sie dann die Lena Wäppling’s Foundation. Wie kam es dazu, und was macht die Stiftung?

Ich kehrte in meinen Beruf zurück und hatte das intensive Gefühl, dass ich nicht einfach so weitermachen kann wie zuvor. Ich war eine der Glücklichen, die diesen Krebs überlebt hatte. Und nicht, weil ich gekämpft habe, wie man so gerne sagt, wenn es um Krebs geht. Ich habe keinen Kampf gewonnen. Ich hatte Glück. Glück, dass meine Ärzte einen guten Job gemacht haben, Glück, dass mein Körper auf die Therapie angesprochen hat. Doch viele haben kein Glück. Es gibt keine Früherkennung für Eierstockkrebs, so wie etwa den Krebsabstrich, den man für Gebärmutterhalskrebs kennt. Die Überlebenschancen für Betroffene stagnieren seit Jahren. Also begann ich über die Krankheit zu sprechen. Und ich gründete eine Stiftung, die Geld für die Forschung in diesem Bereich sammelt.

Was konnten Sie dank der Stiftung realisieren?

Dank unseren Gönnern konnten wir seit der Gründung über 150 000 Franken sammeln, die zu 100 Prozent an die Eierstockkrebsforschung gehen. Wir arbeiten weltweit mit Forschern zusammen, die sich um Beiträge bewerben können. Das macht mich stolz. Aber der Weg ist noch lang.

Noch bis zum 5. September findet virtuell «Lenas Lauf für das Leben» statt. Was ist das genau?

Wir entschieden uns erstmals 2019, einen Wohltätigkeitslauf zu organisieren, um Spenden zu sammeln. Wegen der Pandemie fand dieser im letzten Jahr virtuell statt, und so werden wir ihn auch dieses Jahr durchführen. Jeder und jede kann teilnehmen. Für fünf Franken registriert man sich für den Lauf und gibt dann an, was für eine Distanz man in einer Stunde zurückgelegt hat. Egal, ob man in einer Stunde gemütlich den Hund spazieren führt oder auf einen Marathon trainiert – jeder Kilometer zählt. Unsere Gönnerinnen und Gönner überweisen für jeden registrierten Kilometer einen gewissen Betrag.

Was möchten Sie in Bezug auf Ihre Stiftung noch erreichen?

Das Endziel wäre natürlich, eine Methode zu finden, die eine frühere Diagnose des Eierstockkrebses erlaubt. Bis dahin geht es mir aber hauptsächlich um Aufklärung. Ich möchte, dass jede Frau weiss, welches die Symptome sind. Ich wünschte mir, dass wir offener über gynäkologische Krebsarten sprechen würden. Und obwohl dies utopisch ist, hoffe ich, dass keine Frau erleben muss, was ich erlebt habe.

Wie geht es Ihnen heute?

Mir geht es relativ gut. Ich leite ­meine Stiftung und engagiere mich beruflich als Verwaltungsrätin in ­einem Unternehmen. Die Nebenwirkungen meiner Krebskrankheit und der Therapie spüre ich noch immer; ich muss gut auf mich und meine Gesundheit achten. Ich bin jedoch ein optimistischer Mensch und hoffe, dass die Nebenwirkungen weiter abklingen werden. Ich habe wirklich Glück gehabt und versuche das Leben jeden Tag zu geniessen.

Lena Wäppling lebt seit neun Jahren in der Schweiz und seit bald drei Jahren in Zumikon. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.


Welche Symptome und ­Beschwerden können auf Eierstockkrebs hinweisen?

Eierstockkrebs bereitet oft über längere Zeit keine Beschwerden. Da der Krebs im Becken und in der Bauchhöhle viel Platz zum Wachsen hat, bleibt er häufig lange Zeit unbemerkt.

Verschiedene Symptome können auf Eierstockkrebs hinweisen: Andauernde und unklare Bauchschmerzen, Völlegefühl, Blähungen, Verstopfung, Zunahme des Bauchumfangs, unklare Gewichtsabnahme, häufigeres Wasserlassen als bisher üblich, anhaltende Schmerzen im Becken, Schmerzen beim Geschlechts­verkehr, Blutungen ausserhalb der Monatsregel oder nach den Wechseljahren, allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung.

Quelle und weitere Informationen: www.krebsliga.ch/ueber-krebs/krebsarten/eierstockkrebs/

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