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Kinder mit seltenen Krankheiten

Von Antje Brechlin ‒ 9. Dezember 2021

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Lange war nicht klar, woran die siebeneinhalbjährige Valentina aus Zollikon leidet. Schwangerschaft und Geburt verliefen gut, das Mädchen kam als scheinbar kerngesundes Kind zur Welt. Je älter Valentina wurde, desto mehr merkten ihre Eltern, dass sie sich nicht entwickelte wie andere Kinder.

Die Eltern Maria und Wolfgang Denk mit Valentina (r.) und Diana (l.). (Bild: zvg)

Valentina hatte Mühe mit der Motorik, und Babylaute hörten die frischgebackenen Eltern ­Maria und Wolfgang Denk kaum. Bei der üblichen Sechsmonate-­Kontrolle vertröstete der Kinderarzt sie: Kinder entwickeln sich halt unterschiedlich. Die Eltern beruhigte das nicht. Drei Monate später war die verzögerte Entwicklung noch deutlicher sichtbar. Weitere Abklärungen wurden angeordnet. Drei Jahre vergingen, bis eine endgültige Diagnose gestellt werden konnte. Jahre, in denen die Eltern einen ­regelrechten Therapiemarathon durchmachten, um ihrer Tochter die bestmögliche Förderung zu geben. Bei der Dreieinhalbjährigen wurde schliesslich das seltene Pitt-Hopkins-­Syndrom PTHS diagnostiziert. Ein Gendefekt, der in den meisten Fällen zufällig entsteht und in allen Körperzellen des Kindes vorhanden ist. Aktuell ist diese Mutation nicht zu «reparieren», es gibt noch keine Gentherapie für das PTHS.

In der Schweiz leiden etwa zehn Kinder unter dieser Spontanmutation. Über seltene Krankheiten gibt es ohnehin kaum Informationen, da wenig geforscht wird. Kosten und Nutzen gehen für die Pharmaindustrie nicht auf. Valentinas Genmutation ist erst seit 2007 diagnostizierbar. Kinder mit dem Pitt-Hopkins-­Syndrom sind psychomotorisch und geistig eingeschränkt. Valentina spricht nicht und macht jetzt mit sieben Jahren die ersten Schritte; sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen. «Die Kommunikation läuft noch meist intuitiv wie mit einem Baby», sagt die 38-jährige Mutter. Wolfgang und Maria Denk setzen aber auch auf eine andere Möglichkeit mit Valentina zu kommunizieren: Sie hoffen auf eine iPad-Software. Valentina geht in Wollishofen in eine Schule für mehrfach behinderte Kinder und wird dort sehr gefördert. Auf dem Programm steht nicht nur Physiotherapie, sondern auch Logopädie und Kommunikation – mit eben dieser Software. Vor drei Jahren kam Valentinas kleine Schwester Diana zur Welt – gesund. «Bei ihr sahen wir den grossen Unterschied in der Entwicklung.»

Eltern mit ähnlichen ­Erfahrungen finden

Schwierig war es, Eltern zu finden, denen es ähnlich geht, um sich auszutauschen. Googeln half nicht weiter: Auf die Frage, warum spricht oder läuft mein Kind nicht? weiss die Suchmaschine keine Antwort. Über eine Bekannte fand sich schliesslich eine Krabbelgruppe für behinderte Kinder. Über diese wiederum fand Maria Denk den Förderverein KMSK – Kinder mit seltenen Krankheiten. Rund 3500 Kinder sind in der Schweiz von einer seltenen Krankheit betroffen. Für die Angehörigen eine enorme Herausforderung: Eltern, die am Rande ihrer Kräfte sind, Geschwister, die zu kurz kommen, finanzielle Sorgen und soziale Isolation. Um Familien zu begleiten wurde 2014 der gemeinnützige Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten gegründet. Er unterstützt Familien finanziell, führt Familien-Events durch, vermittelt Wissen rund um das Thema «Seltene Krankheiten bei Kindern» bei Fachpersonen und in der Öffentlichkeit. Die Familie Denk aus Zollikon ist eine von 17 Familien, die im Buch «Seltene Krankheiten – Psychosoziale Herausforderungen für ­Eltern und Geschwister» einen Einblick in ihren Alltag gewähren.

Valentina wird ein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein. Für die ­Eltern war diese Gewissheit lange Zeit ein Problem. Jetzt versuchen sie, nicht länger als ein halbes Jahr im Voraus zu planen und die gemeinsame Zeit mit Valentina und Diana einfach zu geniessen.

www.pitthopkins.ch/diagnose-erhalten/fragen-antwortenwww.kmsk.ch

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