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«Es ist viel los bei uns …»

Von Franca Siegfried ‒ 7. April 2022

Das Leben der Anwältin Beryl Niedermann passt in einen Bildungsroman von 2022. Kinder­traum Eisprinzessin, nach dem Studium berufliche Erfahrungen sammeln, Heirat und ihre drei Kinder in die Karriere als Selbstständige integrieren. Eine Frau mit Tatkraft.

Die dreifache Mutter und selbstständige Anwältin Beryl Niedermann spielt noch mit grosser Freude regelmässig Klavier und nimmt alle zwei Wochen sogar Klavierunterricht. (Bild: fs)

Das hätte sich der Zürcher Dichter Gottfried Keller kaum vorstellen können, dass er 140 Jahren später sich mit einem Streamingdienst messen muss: Netflix oder «Der grüne Heinrich». Der Bildungsroman liegt auf dem Nachttisch von Beryl Niedermann. Die Entwicklung von jungen Menschen beschäftigt die 47-Jährige. Sie ist Mutter dreier Kinder, der Tochter Raffaela (18) und der beiden Söhne Julian (16) und Claudio (14). «Es ist viel los bei uns mit den drei Teenagern», sagt Beryl Niedermann lachend. Zumal das Familienleben in der Pandemie eine neue Dimension bekommt mit dem Homeoffice. Niedermanns Söhne spielen Eishockey. Die Mutter versteht die Vorliebe ihrer Söhne und fährt sie zum Training, wenn es die Agenda zulässt. Das Eisfeld erinnert sie an ihren eigenen Kindertraum. Als Mädchen steht sie jede Woche auf der Eisbahn im ­Dolder und übt Sprünge, Pirouetten und andere kunstvolle Figuren. Eisprinzessin will sie werden.

Aufgewachsen ist Beryl Niedermann am linken Zürichseeufer in Oberrieden. Der Vater ist als Anwalt tätig, die Mutter, studierte Juristin, ist Hausfrau. Sie nehmen ihre Tochter mit, als sie ein Auslandjahr in den USA planen. Beryl Niedermann besucht deshalb die erste Klasse in einer amerikanischen Schule. Die Matura schreibt sie am Gymnasium Rämibühl in Zürich. Das Studium an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich vermittelt ihr neben fachlichen Fähigkeiten einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Recht in der Gesellschaft. Erste Erfahrung sammelt sie im Bezirksgericht Winterthur. Sechs Monate lässt sie sich auf den Betrieb der Zürcher Börse ein – Compliance bzw. Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien. Danach kümmert sie sich um ihre Anwaltsprüfung und wird schwanger. In der Zwischenzeit hat Beryl Niedermann den Anwalt Florian Gunz geheiratet. Kurz nach der mündlichen Anwaltsprüfung kommt das erste Kind auf die Welt. Ein Mädchen.

Am Zürcher Verwaltungsgericht kümmert sich Gerichtsschreiberin Beryl Niedermann besonders um Migrations- und Ausländerrecht. Diese Aufgabe muss sie jedoch nach der Geburt des zweiten Sohnes überdenken – entschliesst, sich selbstständig zu machen. Seit 2015 steht sie als Ersatzrichterin dem Verwaltungsgericht zur Verfügung. «niedermann.legal» heisst ihre Anwaltskanzlei in einer Bürogemeinschaft nahe beim Kreuzplatz in Zürich. Sie präsidiert auch noch die Rekurskommission der Römisch-­katholischen Körperschaft im Kanton Zürich. Seit dem Jahr 2010 ­unterstehen die rund 75 römisch-katholischen Kirchgemeinden des Kantons dem öffentlichen Recht. Das bedeutet eine demokratische Verfassung mit Gewaltentrennung (Legislative, Exekutive und Judikative). «Ich bin in der katholischen Welt verwurzelt», erklärt Beryl ­Niedermann. Im 1863 gegründeten katholischen Hilfswerk «Inländische Mission» unterstützt sie seelsorgerische und kulturelle Projekte, etwa die Renovation von Barockkirchen, und sucht nach Spenden.

Barock prägt auch ihre Musikvorliebe. Die «Affektenlehre» im Barock ist faszinierend: Trauer, Freude, Hass, Liebe, Verlangen lassen sich musikalisch ausdrücken mit dem Ziel, entsprechende Gemütsbewegungen bei den Zuhörenden auszulösen. Beryl Niedermanns Klavier steht gegenüber dem Kamin im Wohnzimmer, dazwischen bequeme Ledersessel im Farbton Brombeer. Hier trifft sich die Familie, der Korb von Lina darf nicht fehlen. Der West-Highland-White-Terrier gehört seit einem Jahr dazu. «Mit ihr spazieren tut mir gut», sagt sie. «Sie ist handlich und ich kann sie in die Kanzlei mitnehmen.» Die Katze Nala hat sich an das neue Familienmitglied gewöhnt. Seit vier Jahren wohnen die Niedermanns in Zumikon. «Unsere Tochter hat dieses Haus im Internet gefunden, als wir beschlossen, uns etwas grösseres zu suchen», sagt Beryl Niedermann. Die Familie pflegt eine offene Diskussionskultur, auch bei der Frage der Ferien – gelebte Demokratie. ­Beryl Niedermann muss sich mit ihrer aktuellen Lektüre auf eine Lebenserzählung mit vielen Umwegen einstellen – «Der grüne Heinrich» zählt gegen 1000 Seiten. Ihre eigene Geschichte mit den drei Kindern ist ein reales Gegenstück, erfasst von der Beschleunigung im Zeitalter der ­Digitalisierung, die lässt sich auch durch eine Pandemie-Vollbremsung nicht aufhalten.

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