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Alles neu für Rüterwis

Von Franca Siegfried ‒ 2. Juni 2022

Kostenüberschreitung, Verhandlung beim Friedensrichter, Entschädigung für Urheberrecht, das Betreuungshaus Rüterwis ist ein Sorgenkind. Viel guter Wille war da, trotzdem hat sich alles in Luft aufgelöst.

Das «Tripp Trapp»-Projekt für das Betreuungshaus Rüterwis ist gestorben. (Bild: Archiv)

Zurück an den Start – ein neuer Projektwettbewerb für das Betreuungshaus Rüterwis im Zollikerberg muss ausgeschrieben werden. Die Initiative für das Zurück stammt von der Schulpflege. Der Gemeinderat hat entschieden: das Projekt «Tripp Trapp» für die Schule Rüterwis ist vom Tisch.

Ein öffentlicher Wettbewerb hievte im Jahr 2020 «Tripp Trapp» der Bienert Kintat Architekten aus Zürich auf das Siegerpodest. Den Vorsitz im Gremium der Sachpreisrichter hatte Thomas Gugler zusammen mit Mitgliedern der Schulpflege, wie auch Corinne Hoss als Schulpflegepräsidentin, die als Ersatzsachjurorin bei den Sitzungen anwesend war – nebst ETH- und HTL-Architekten als Fachjuroren. «Das Siegerprojekt bedarf einer vertieften Prüfung und Entwicklung folgender Punkte…», so steht es im Abschlussbericht vom März 2020. «Der vorgegebene Kostenrahmen ist zwingend einzuhalten, da zum heutigen Zeitpunkt eine Erhöhung des Budgets zur Realisierung des Objektes nicht möglich ist.» Letzterer ist der Schlüsselsatz, der das Projekt ins Wanken brachte. 7,5 Millionen Franken, damit können die Sieger-Architekten offensichtlich ihr Projekt nicht realisieren. «Tripp Trapp» soll 11,6 Millionen Franken kosten, was einer Kostenüberschreitung von 4,1 Millionen Franken oder satten 54,7 Prozent entspricht. Nach erfolglosen Verhandlungen mit dem Architekten über Kostensenkungen beschlossen die Zollikerinnen und Zolliker an der Gemeindeversammlung vom 1. Dezember 2021 den Abbruch des Projektes Betreuungshaus Rüterwis. Kurzum: Der Vertrag mit dem Architektenteam Bienert Kintat wurde aufgelöst.

Architekt Volker Bienert trifft Thomas Gugler, der selber Anwalt ist, am Tisch des Friedensrichters. «Wir stockten den Architekten das Honorar auf 50 000 Franken auf – per Saldo aller Ansprüche mit der Option einer Entschädigung für das Urheberrecht», sagt Thomas Gugler. «Der auszuhandelnde maximale Betrag für das Urheberrecht war 250 000 Franken.» Die Gemeinde war gewillt, das Urheberrecht am Siegerprojekt zu erwerben, die ­Planung jedoch sollte eine neue ­Gesamtleitung übernehmen. Das fehlende Vertrauen zwischen Architekten und Gemeinde verunmöglichte eine Zusammenarbeit. Volker Bienert beharrte auf der maximalen Entschädigung und ignorierte den richterlichen Begriff «der auszuhandelnde Betrag». «Wir sind den Steuerzahlenden verpflichtet», betont Corinne Hoss. «Die öffentliche Hand wie eine Zitrone auspressen, das geht so nicht.» Zumal sich das Architekturbüro Bienert Kintat gemäss ihrer Webseite auf öffentliche Gebäude spezialisiert hat und mit Kostenrahmen vertraut sein sollte.

Planungsfehler, Kostenüberschreitung, Honorarfragen, das sind häufige Konflikte beim Errichten eines Bauwerkes. Bei unüberwindbaren Streitigkeiten, sobald es um Vertragsauflösung geht, bekommt das Urheberrecht ein Gewicht. Der Urheberrechtschutz umfasst die geistige Leistung, die sich schon in den ersten Entwürfen und Plänen eines Architekten manifestiert. Aus diesem Grund ist eine Entschädigung richtig, sobald ein Projekt ohne Beisein des Urhebers realisiert wird.

Die Fronten haben sich jedoch derart verhärtet, dass ein totaler Neubeginn, so wie jetzt der Gemeinderat beschlossen hat, die beste Lösung ist. Wer praktisch denkt, würde das «Baumhaus», zweiter Rang des Projektwettbewerbes, als neuen Favoriten nehmen. Das würde Zeit, Geld und Nerven sparen. Das Submissionsrecht bei öffentlichen Ausschreibungen verbietet jedoch solch pragmatische Lösungen. «Wir haben auch aus dem Verfahren gelernt», sagt Corinne Hoss. «Bei der neuen Ausschreibung werden wir in einer Klausel festhalten, dass nicht nur das Siegerprojekt, sondern auch das Projekt mit Rang zwei oder drei realisiert werden könnte.»

Das Architektenteam der Bauhausschule des deutschen Bundesstaates Thüringen – sowohl Volker Bienert als auch Susann Kintat haben an der Bauhaus-Universität Weimar studiert – scheitert mit seinem schönen Projekt an ausufernden Baukosten beim Betreuungshaus Rüterwis im Zollikerberg. Gründervater Walter Gropius pflegte in den 1920er-Jahren eine neue Sichtweise: Bauhaus-Architektur soll in seiner Funktionalität zusammen mit dem Handwerk an Kunst und Schönheit gewinnen. Daraus entwickelte sich das modulare Bauen für kostengünstigen Wohn- und Industrieraum – mit dem Anspruch, dass Funktionalität nicht nur schön, sondern auch preisbewusst sein kann. Was bis heute gilt. Bauhaus-Architektur will auch planerisch Sozialräume schaffen. Dazu gehören Lebensorte für Kinder, etwa wie das Betreuungshaus Rüterwis für Volksschule und Kindergarten. Wegen enormer Kostenüberschreitungen der Bauhaus-­Architekten müssen sich Zolliker Kinder auf einen neuen Lebensort gedulden.

Siehe auch «Beleuchtender Bericht zuhanden der Gemeindeversammlung vom 15. Juni 2022» auf zollikon.ch

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