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Mobbing: hinschauen und handeln

Von Antje Brechlin ‒ 30. Juni 2022

Jedes fünfte bis sechste Kind wird an der Schule gemobbt. Meist hinter dem Rücken der Erwachsenen. Was können Schulen und Eltern dagegen unternehmen?

(Bild: Mikhail Nilov)
(Bild: Mikhail Nilov)

Mobbing beginnt meist ab der dritten Klasse und setzt sich fort bis in die Sekundarstufe. Sobald Kinder ein Handy haben, läuft Mobbing komplett über die sozialen Medien. Die Täter beleidigen in Chat-Gruppen, schreiben erniedrigende Kommentare, streuen verletzende Gerüchte. Etwa jeder fünfte bis sechste Schüler wird über längere Zeit drangsaliert, beleidigt, gedemütigt, ausgegrenzt. Tendenziell gehen ­Experten von mehr Opfern aus. Pascal Kamber leitet die private Fachstelle «Hilfe bei Mobbing». Er stellt klar: Mobbing muss nicht geduldet werden, und die Betroffenen sollten nicht schweigen. Über Mobbing zu sprechen, ist nicht petzen. Wichtig ist, Hilfe zu holen. Wenn Eltern spüren, dass ihr Kind gemobbt wird, ist es wichtig, Verständnis zu zeigen und dem Kind keinerlei Schuld zuzuschieben. Bei Cybermobbing sollte auch der Gang zur Polizei nicht ausgeschlossen werden. Er empfiehlt ein Gespräch mit der Schule, um gemeinsam weitere Massnahmen zu treffen. Bringt das nichts, sollten sich Eltern unbedingt an die Schulpflege oder an das Volksschulamt wenden. In der Fachstelle wird mit dem «No Blame Approach» (www.no-blame-approach.de) gearbeitet. Das sind lösungsorientierte Gespräche mit Tätern und Opfern, ohne Schuldzuweisungen und Bestrafungen. Hinzugezogen wird die betroffene Klasse, ausserdem finden Gespräche mit den involvierten Eltern statt. Wenn sich Mobbing aber manifestiert hat, kann man zwar einen «No Blame Approach» versuchen, die Chancen auf Erfolg werden aber umso kleiner, je länger das Mobbing anhält. Als letzte Möglichkeit bleibt dann nur noch ein Schulwechsel für das Opfer.

Zolliker Schule

Urs Rechsteiner, Leiter Bildung der Zolliker Schulen, antwortet auf Nachfrage, es gebe in der Schule zwar immer wieder Situationen, in denen Kinder oder Eltern von Mobbing sprechen; von eigentlichem Mobbing spreche man aber erst, wenn diese Kriterien gleichzeitig erfüllt seien: Es herrsche ein Kräfteungleichgewicht, die Mobbingangriffe wiederholten sich mindestens einmal pro Woche und das über mehrere Wochen, immer durch die gleiche Person oder gleichen Personen. Die Art und Weise des Vorgehens sei stets der direkte Kontakt, physisch oder psychisch, oder indirekt durch Ignorieren sowie in Form von Cybermobbing. Das Lösen des Konfliktes sei den Beteiligten aus eigener Kraft nicht möglich.

An den Zolliker Schulen werde kein Mobbing toleriert. Falls Mobbingsituationen bekannt werden, bespreche man diese innerhalb des Schulteams. Gearbeitet werde dann mit dem «No Blame Approach». Es sei wichtig, dass alle Kinder weiterhin zur Schule kommen. Der Zolliker Schule sei aber bewusst, dass Mobbing auftreten könne, Hinweisen gehe man immer nach. Häufig dauere es jedoch lange, bis die Schule Kenntnis von möglichen Fällen erhalte.

Zumiker Schule

Schulsozialarbeiter André Becchio arbeitet seit vier Jahren an der Schule in Zumikon und musste nach ­eigenen Angaben nie eine Mobbingintervention durchführen. Es gebe zwar immer wieder Streit, es werden Kinder ausgeschlossen oder respektlos behandelt, dies aber nie über ­einen längeren Zeitraum. Der Begriff ­Mobbing werde heutzutage von Kindern, Eltern und den Medien inflationär und zum Teil falsch verwendet. An der Zumiker Schule finde ein enger und regelmässiger Austausch zwischen den Lehrpersonen, der Schulleitung, der Schulsozialarbeit und der Hortleitung statt, und der trage auch dazu bei, dass Mobbing einen schlechten Nährboden hat. Um frühzeitig intervenieren zu können, werden Eltern gebeten, sich rasch zu melden, falls dem Kind unwohl in der Schule ist. Um Mobbing vorzubeugen, werden oft klassenübergreifende Anlässe wie Ausflüge, Tänze auf dem Pausenplatz und ­Feriensingen organisiert. In jeder Klasse tage wöchentlich der Klassenrat und sechsmal im Jahr der Schülerrat. Schülerpartizipation sei an der Schule ein wichtiges Thema.

Bagatellisierung

Pascal Kamper betont, dass Mobbing häufig bagatellisiert wird. Aus seiner Beratungstätigkeit weiss er, dass es Schulen gibt, die betonen, sie würden das Mobbingproblem kennen. Trotzdem wiesen sie das Thema von sich. Oftmals jedoch schauen die Schulen weg. Es gibt mittlerweile aber immer mehr Schulen, die bei Mobbingfällen um Hilfe bitten. Sein Fazit: Mobbing gibt es an jeder Schule. Der Unterschied besteht darin, ob man hin- oder wegschaut.

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